Einen Erfolg zu wiederholen, ist nicht einfach, außer man besitzt ein gut funktionierendes Konzept. Das gilt auch für das ID Festival Berlin, das heute seine Eröffnung feiert und zum zweiten Mal im Radialsystem stattfindet.
Wie im letzten Jahr gehen die Programmmacher der dreitägigen Veranstaltung der Frage nach, inwiefern sich die deutsch-jüdische Identität in der Kunst spiegelt. Eine gute Frage, die vor allem in Berlin auf den Nägeln brennt, da sich die deutsche Hauptstadt im letzten Jahrzehnt als Hotspot und Sehnsuchtsort für junge Israelis etabliert hat.
Und statt bereits beantwortete Fragen zu wiederholen, haben die Veranstalter dieses Jahr einen neuen Akzent gesetzt: »Migration in der israelisch-deutschen Kunst«, wobei gleich sieben der 15 Programmpunkte Premieren sein werden. So wie die Ausstellung Mother, I have reached the land of my dreams von Alona Harpaz und Sharon Horodi, die in Berlin zum ersten Mal gezeigt wird.
Flüchtlinge Das Thema Flucht, Vertreibung und Migration spiegelt in der Schau aber nicht nur einen zentralen Aspekt jüdischer Identität, sondern beleuchtet zugleich die aktuelle politische Situation in Deutschland als Zufluchtsort für eine Million Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, einem Land, das offiziell noch immer Israel den Krieg erklärt hat.
Durch das ID Festival besteht zudem – zumindest virtuell – die Möglichkeit, über die gemeinsame Erfahrung von Migration und Vertreibung nachzudenken. Eine Erfahrung, die Juden schon seit biblischen Zeiten kennen, wie Festivalleiter Ohad Ben-Ari im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen betont, der sich selbst auch als »Wandering Jew« beschreibt.
Doch gleichzeitig wiegelt Ben-Ari ab: »Wir beschäftigen uns natürlich mit der politischen Dimension von Migration, etwa aus Syrien. Aber da wir ein Kunstfestival sind, beleuchten wir vor allem den Einfluss von Migration auf die verschiedenen Kunstformen.«
Das Thema wird nicht nur in Diskussionsforen erörtert, sondern auch anhand von Tanzvorstellungen, Performances und Filmen sichtbar gemacht. No-MAD von Oren Lazovski, Dancing to the End von Nir de Volff oder Makembo von Micki Weinberg werden begleitet von Gesprächen wie dem über Udi Alonis viel diskutierten Film Junction 48 um junge israelisch-arabische Rapper, der bei der diesjährigen Berlinale preisgekrönt wurde. Dass es danach auch noch ein Konzert mit den Rappern und Schauspielern um Tamer Nafar und Maisa Daw geben wird, ist außerhalb Israels ein seltener Glücksfall.
Ausnahmegeiger Doch auch die übrigen Programmpunkte deuten darauf hin, dass es im Kern des ID Festivals nicht um Politik, sondern um Musik geht. Wie im letzten Jahr wird der Ausnahmegeiger Guy Braunstein auftreten. Seinem Quintett wird auch der Pianist Ohad Ben-Ari angehören. Zugleich wird der Festivalleiter mit seinem Mondrian-Trio spielen.
Nicht minder spektakulär ist der Auftritt des Omer Klein-Trios. Omer Klein gilt als einer der führenden Protagonisten der angesagten israelischen Jazzszene. Zugleich ist der Pianist ein Vorreiter in Sachen Migration, lebt er doch schon seit einem Jahrzehnt in Düsseldorf.
In Berlin dagegen hat Tehila Nini Goldstein ein neues Zuhause gefunden. Schon letztes Jahr sollte die israelische Sopranistin beim ID Festival auftreten, aber dann kam die Geburt ihres ersten Kindes dazwischen. Diesmal präsentiert die junge Mutter die Formation »Sferraina« um die beiden Österreicher David Bergmüller (Laute) und Tobias Steinberger (Perkussion).
Unter dem Titel Barock aus Jemen wird die Schnittmenge zwischen Alter Musik aus dem 17. Jahrhundert und jüdisch-jemenitischer Lieder des Poeten Shalom Shabazi (1619–1720) ausgelotet. Ein israelisch-deutsches Programm, zum Zungeschnalzen!
www.idfestival.de