Der Kampf gegen Antisemitismus auf Bildungsebene wird weiter gestärkt. Mit knapp 40.000 Euro unterstützt die hessische Landesregierung in Wiesbaden das Projekt gegen »Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in der Migrationsgesellschaft«, das die Verantwortlichen der Bildungsstätte Anne Frank initiiert haben.
Der hessische Bevollmächtigte für Integration und Antidiskriminierung, Staatssekretär Kai Klose, überreichte persönlich in der Bildungsstätte den Bewilligungsbescheid für die Mittel. »Religionsfeindliche Übergriffe tolerieren wir in keiner Weise. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber jüdischem Leben in Deutschland«, betonte er. Der Staatssekretär lobte das innovative Konzept der Bildungsstätte, das sich gegen Rassismus und Antisemitismus wendet. Es sei das erste Projekt, das auf den Vertragsabschluss folge. »Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse.«
Die Bildungsstätte Anne Frank begrüßte das Vorhaben des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, Projekte und Initiativen gegen Antisemitismus und Rassismus zu fördern. »Es ist für uns eine Ehre, zu den ersten Vertragspartnern zu gehören«, sagte Direktor Meron Mendel. Die Bildungsstätte Anne Frank ist ein landesweites Zentrum für politische Bildung und Beratung und hat Standorte in Frankfurt/Main und im nordhessischen Kassel.
bildungsarbeit Aus der Bildungsarbeit und der Beratung von Betroffenen wisse man, dass Antisemitismus und Rassismus auch in Hessen für viele Menschen Alltag und Normalität seien, so Mendel. »Wir reagieren mit unserer Arbeit darauf und sind dankbar für die Hilfe der Landesregierung.«
Antisemitismus ist in Hessen für viele Menschen Alltag.
»Bei unseren Vorhaben nehmen wir nicht nur ein Thema in den Blick, sondern immer auch die Querverbindungen«, beschreibt Mendel die Arbeitsweise seines Hauses. Das Projekt »Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung in der Migrationsgesellschaft« stehe als Beispiel dafür. Mendel verweist auf Debatten wie zum Beispiel die um Mesut Özil und den Rassismusvorwurf gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB).
»Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund haben das Gefühl, im Alltag diskriminiert zu werden«, sagt Meron Mendel. In der Vergangenheit habe auch die Zahl gewaltsamer antisemitischer Übergriffe zugenommen, was auch das Beispiel der Attacke auf den Offenbacher Gemeinderabbiner im Juli des vergangenen Jahres bestätigt.
Ausgrenzungserfahrung Die Landesregierung mache mit dem Integrationsvertrag einen wichtigen Schritt, »da er zum einen die Ausgrenzungserfahrungen von muslimischen Jugendlichen berücksichtigt und gleichzeitig deren antisemitische Vorurteile, die mit einer Israelkritik vermischt werden, aufgreift«, sagte Saba-Nur Cheema, Leiterin der Pädagogischen Programme der Bildungsstätte Anne Frank.
Und so thematisierte auch die erste Veranstaltung des Projekts im Sommer unter der Überschrift »Zündstoff« im Frankfurter Haus am Dom den Nahostkonflikt an deutschen Schulen. »Wir nehmen sehr viel Israelfeindlichkeit unter Schülern, Eltern und Lehrern wahr«, berichtet Saba-Nur Cheema aus dem Schulalltag. Ein Grund, warum die Bildungsstätte zudem plant, Schulungen für Pädagogen, Unternehmen und Betriebe anzubieten.
Meron Mendel geht es beim Thema Ausgrenzung und Diskriminierung auch um Reflexion. »Darum, Meinungen zu respektieren. Es geht darum, zuzuhören und Debatten anders zu führen.«
konfliktforschung An der Diskussion »Zündstoff« hatten neben Meron Mendel auch Claudia Baumgart-Ochse vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie die Journalistin und Publizistin Khola Hübsch und die Lehrerin Bettina Tonscheidt teilgenommen und gefragt, ob und wie in Schulen der Nahostkonflikt thematisiert werden kann, welche Erfahrungen Lehrkräfte machen und was Schüler denken. Ein Fokus lag etwa auf der Frage, welche Rolle der Konflikt bei der Bildung von Gruppenidentität von migrantisch und muslimisch positionierten Jugendlichen spielt.
Finanzielle Unterstützung
gibt es auch für Foren
zu Rechtspopulismus.
Es werden jedoch noch weitere Veranstaltungen vom Projektgeld mitfinanziert, darunter Vorträge, Workshops und Foren zum Thema Rechtspopulismus und Judenfeindschaft. Derzeit läuft unter dem Namen »Partnerschaft für Demokratie« die Bewerbungsfrist für Kooperationsprojekte, die sich für eine solidarische Stadtgesellschaft und Bündnisse zwischen verschiedenen Minderheitsgruppen einsetzen, zwischen kleinen Initiativen und etablierten Einrichtungen, zwischen Vereinen, die ähnliche Ziele verfolgen, aber (bisher) eher nebeneinanderher statt miteinander arbeiten.
Projektförderung Gefördert werden sollen vor allem neue Kooperationen von Vereinen, Organisationen und Einrichtungen. Deshalb ermuntert die Anne-Frank-Bildungsstätte die Bewerber, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie viele Initiativen es in ihrer Stadt gibt – und wie viele mögliche Berührungspunkte bereits vorhanden sind. »Besonders interessieren uns Projekte, die nachhaltig ausgerichtet sind, eine Perspektive über das Projekt hinaus erlauben, Impulse setzen und (Streit-)Räume eröffnen, um das vielfältige und solidarische Zusammenleben in Frankfurt weiter zu stärken«, heißt es in der Ausschreibung der Bildungsstätte.
Die »Partnerschaft für Demokratie« kann Projekte mit bis zu 4000 Euro fördern. Anträge auf Finanzierung der Projekte können bis zum 15. Februar eingereicht werden. Die Projektbewerbungen sind an die Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie in der Bildungsstätte Anne Frank zu richten und müssen aus einer formlosen, aussagekräftigen Projektskizze sowie einem Finanzierungsplan bestehen, heißt es weiter. Frühestmöglicher Projektbeginn ist der 1. April. Die beantragten Projekte sollten möglichst bis Ende Oktober dieses Jahres abgeschlossen sein.