Interview

»Queere Menschen sollten geschützt sein«

Dalia Grinfeld, Co-Vorsitzende von Keshet Deutschland Foto: privat

Frau Grinfeld, der Verein Keshet Deutschland unterstützt die Initiative »Grundgesetz für Alle« und hat die dazugehörige Petition unterzeichnet. Worum geht es dabei?
Es geht darum, den Artikel 3 Grundgesetz um ein Diskriminierungsverbot zum Schutz von sexuellen und geschlechtlichen Identitäten zu erweitern.

Wieso wurde diese Initiative gerade jetzt aktiv?
Aus politischen Debatten heraus wird aktuell diskutiert, ob und inwiefern man den Begriff »Rasse« verändert. Dadurch öffnet sich die Diskussion um den Artikel 3 Grundgesetz. Daher ist es die perfekte Gelegenheit. Gleichzeitig ist es mehr denn längst an der Zeit dafür.

Warum sollte der Artikel 3 verändert werden?
Das deutsche Grundgesetz trat 1949 in Kraft. Da war es noch sehr geprägt von den Lehren aus der menschenverachtenden, diskriminierenden und antisemitischen Politik im Nationalsozialismus. Daher ist im Artikel 3 Absatz 3 ein Diskriminierungsverbot verankert: unter anderem wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, religiöser und politischer Weltanschauung.

Fehlt dort etwas?
Trotz der systematischen Verfolgung unter der NS-Diktatur haben queere Menschen keine Erwähnung im Artikel 3 Absatz 3 gefunden. 1949 war Deutschland offensichtlich und leider noch nicht soweit, queere Identitäten zu schützen. 2021 sollten wir aber definitiv an dem Punkt sein.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Warum unterstützt Keshet als queere jüdische Organisation die Initiative »Grundgesetz für Alle«?
Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, dass alle queeren Menschen einen im Grundgesetz verankerten Diskriminierungsschutz haben. Genauso, wie wir als Juden und Jüdinnen per Diskriminierungsverbot geschützt sind, sollen auch queere Menschen und Identitäten geschützt sein.

Auf welchen Wegen engagiert sich Keshet für die Initiative?
Es gibt zum einen eine Kampagne über die Organisation »All Out«, die wir unterstützen und an der wir aktiv teilnehmen. Es gibt zudem eine Petition, die Individuen und Institutionen unterschreiben können. Es folgen auch Instagram-Filter und Social-Media-Aktivitäten. Viele Prominente haben die Initiative schon beworben und werden es weiter tun. Es kommt also noch eine ganze Reihe von Aktionen, an denen wir beteiligt sind.

Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten der Kampagne ein?
Ich bin mir relativ sicher, dass es Erfolg haben wird. Es gibt keinen Grund, warum der Schutz queerer Identitäten nicht Teil des Grundgesetzes sein sollte. Die demokratischen Parteien sollten das auch einsehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Anliegen im Bundestag abgelehnt wird.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Bietet die Initiative die Chance zu einer besseren Vernetzung queerer Organisationen?
Es ist schön, dass sich queere Organisationen in einer gemeinsamen Kampagne zusammenschießen. Auch die Magnus-Hirschfeld-Stiftung und große Vereinigungen wie der Lesben- und Schwulenverband LSVD sind dabei. Diese Koalitionsbildung anhand eines gemeinsamen Ziels eröffnet uns neue Wege und Bündnispartner:innen.

Ist die Initiative »Grundgesetz für Alle« auch für die jüdische Gemeinschaft relevant?
Uns ist es wichtig, dass viele, auch in der jüdischen Community, von der Thematik und Problemstellung mitbekommen. Es geht dabei um den Diskriminierungsschutz einer marginalisierten Gruppe. Das geht uns alle an. Auch da innerhalb der jüdischen Community queere Menschen Diskriminierung erleben. Dies müssen wir stärker thematisieren.

Sollten nichtqueere jüdische Organisationen die Initiative unterstützen?
Jeder und jede kann als Individuum die Petition unterschreiben. Genauso können auch Organisationen und Institutionen, die gegen Diskriminierung queerer Menschen sind, die Petition unterzeichnen. Es gibt keinen Grund für jüdische Organisationen, sich nicht anzuschließen.

Weshalb?
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, sich aus jüdischen und demokratischen Werten aktiv gegen jegliche Formen der Diskriminierung auszuprechen. Es wäre ein wichtiger Schritt der Solidarität.

Mit der Co-Vorsitzenden des Vereins Keshet Deutschland sprach Eugen El.

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025