TU Berlin

Propaganda auf Postkarten

Arthur Langerman sammelt seit 1961 Bilder mit antisemitischen Motiven. Foto: Uwe Steinert

Es sind unerträgliche Darstellungen, die der belgische Sammler Arthur Langerman zusammengetragen hat: Jüdinnen und Juden gezeichnet als bettelnde Lumpensammler, bolschewistische Agenten und krummnasige kapitalistische Weltverschwörer. Seit 1961 sammelt der in Brüssel lebende Sohn jüdisch-polnischer Einwanderer Bilder mit antisemitischen Motiven. »Ich habe mit dem Sammeln begonnen, weil ich verstehen wollte, wieso die Menschen einen so tiefsitzenden Hass auf Juden haben«, sagte Langerman.

Schoa Der heute 77-Jährige wuchs in einem Waisenhaus in Antwerpen auf, nachdem seine Eltern 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden waren. Rund 30 seiner Familienangehörigen wurden von den Nazis ermordet. Nur seine Mutter überlebte die Schoa. »Wenn ich mir die antisemitischen Bilder anschaue, verstehe ich, wie es zu der unglaublichen Tragödie des Massenmords an den europäischen Juden kommen konnte«, sagte Langerman.

»Berlin als zukünftiger Standort meiner Sammlung war eine logische Wahl«, sagt Langerman.

Heute besitzt er das weltweit größte Privatarchiv judenfeindlicher Bilder. Rund 9000 Einzelstücke hat er über die Jahre zusammengetragen, darunter mehr als 5000 Postkarten und 1000 handgezeichnete Skizzen, mehrere Hundert Plakate sowie zahllose Druckwerke und Gemälde. Dieses einzigartige Archiv hat Langerman jetzt dem Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA) an der Berliner Technischen Universität (TU) vermacht. Mittwoch vergangener Woche übergab er es offiziell für die Erforschung des visuellen Antisemitismus (ALAVA) in der TU.

AUFKLÄRUNG »Berlin als zukünftiger Standort meiner Sammlung war eine logische Wahl«, sagte Langerman. »Damit kehrt die antisemitische Propaganda zurück an den Ursprung des Übels.« Er habe Berlin trotz Anfragen aus den USA und Israel aber auch deswegen ausgewählt, weil Deutschland das einzige Land in Europa sei, dass sich den dunklen Kapiteln seiner Geschichte gestellt habe. Das Archiv solle zur Aufklärung insbesondere der Jugend beitragen.

Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD), dankte dem Spender. »Es ist eine große Ehre für Berlin und die Berliner Wissenschaft, die Sammlung von Arthur Langerman beherbergen zu dürfen«, sagte Müller. Angesichts der steigenden Zahlen antisemitischer Vorfälle in Berlin und bundesweit bedarf es der besonderen Notwendigkeit einer kritischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Schoa und ihren Ursachen.

Der Öffentlichkeit sollen die Bilder in Ausstellungen gezeigt werden – dabei stets im historischen Kontext.

Die Sammlung, die auf mehrere Millionen Euro geschätzt wird, besticht nicht nur durch ihren Umfang, sondern auch durch ihre regionale und zeitliche Vielfalt. Die antisemitischen Machwerke stammen aus unterschiedlichen Epochen, vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Sie stammen aus Europa, Amerika und dem arabischen Raum. Der historische Schwerpunkt erstreckt sich vom späten 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945.

ORIGINALSKIZZEN Auch mehrere Originalskizzen des Hauptzeichners der NS-Zeitung »Der Stürmer«, Philipp Rupprecht, genannt »Fips«, sind in der Sammlung enthalten. »Ohne Zweifel stellt die Sammlung, deren Bestandteile der Forschung teilweise bislang völlig unbekannt sind, einen Quellenfundus von einzigartigem Potenzial für die Antisemitismusforschung dar«, sagte die Direktorin des ZfA, Stefanie Schüler-Springorum. Zwar gebe es zu antisemitischen Bildern bereits einige Forschungsarbeiten, doch liege deren Fokus vor allem auf Textdokumenten.

»Eine systematische Untersuchung von durch Bildern ausgelösten antisemitischen Gefühlen hat es bisher nicht gegeben«, ergänzte dazu der stellvertretende Leiter des ZfA, Uffa Jensen. Seine Institution werde sorgsam mit dem Archiv umgehen. Geplant ist der Einsatz zu Forschungszwecken.

Der Öffentlichkeit sollen die Werke im Rahmen von Ausstellungen gezeigt werden. Hierbei müssten die Bilder aber stets in den historischen Kontext gesetzt werden. »Man darf die propagandistische Wirkung, die diese Werke nach wie vor ausstrahlen, nicht unterschätzen«, sagte Jensen. So ließen sich etwa die stereotypen Darstellungen aus der NS-Zeit noch heute in antisemitischen Karikaturen wie etwa denen, die vom iranischen Regime produziert werden, wiederfinden.

Oper

Kammeroper »Kabbalat Shabbat« in Berlin

Die Zuschauer werden zu einem Schabbatmahl eingeladen. Die Oper ist die erste, die auf Hebräisch in Deutschland interpretiert wird

von Christine Schmitt  23.10.2024

Kunstatelier Omanut

Beschallung mit wunderbaren Stimmen

Judith Tarazi über das erste Inklusions-Konzert, Vandalismus und offene Türen

von Christine Schmitt  22.10.2024

Jüdische Gemeinde Frankfurt

Erstmals eine Doppelspitze

Die neuen Gemeindechefs Benjamin Graumann und Marc Grünbaum wollen Vorreiter sein

von Christine Schmitt  22.10.2024

Potsdam

Gründer des Abraham Geiger Kollegs verstorben

Rabbiner Walter Jacob starb mit 94 Jahren in Pittsburgh

 21.10.2024

Mitzvah Day

Zeit zu verschenken

Jeder ist eingeladen, sich am Tag der guten Taten einzubringen. Anmeldeschluss ist der 1. November

von Christine Schmitt  21.10.2024

Porträt der Woche

Ein Leben mit Büchern

Tanja Korsunska aus Hannover liest, schreibt und organisiert Literaturfestivals

von Chris Meyer  20.10.2024

Feiertage

Chatima towa, oder was?

Was von Rosch Haschana über Jom Kippur bis Sukkot die korrekte Grußformel ist

von Rabbiner Yaacov Zinvirt  16.10.2024 Aktualisiert

Berlin

Ceremony of Resilience: Ein Abend des gemeinsamen Gedenkens

Viele kamen nach Kreuzberg, um an den Anschlag von Halle zu erinnern

von Florentine Lippmann  16.10.2024

Makkabi

»Sportlich und mental stärken«

Simone Schneidmann über den Sukkot-Großlehrgang in NRW, Zusammenhalt und die Highlights im Programm

von Ralf Balke  16.10.2024