Bildung

Privat statt Staat

Bunt geht es zu in der Frankfurter Lichtigfeld-Schule. Foto: Rafael Herlich

Aus, Schluß, vorbei – für die meisten deutschen Schüler sind die Ferien zu Ende. Und viele von ihnen müssen sich nicht nur an neue Klassenkameraden, sondern auch an eine neue Schulform gewöhnen, denn Privatschulen, also nichtstaatliche Einrichtungen, liegen mittlerweile voll im Trend. Allein in Baden-Württemberg stieg die Zahl der Privatgymnasien beispielsweise zwischen den Jahren 2000 und 2010 um 67,3 Prozent.

Auch in Frankfurt/Main ist das Angebot an Privatschulen in den letzten Jahren deutlich größer worden – zuletzt wurde unter anderem eine europäische Schule mit englischsprachigem Zweig eröffnet.

trend Privatschulen seien bei »bildungsnahen Eltern schon immer sehr gefragt« gewesen, sagt Rafael Luwisch, Leiter der Lichtigfeld-Schule im Frankfurter Philanthropin. »Das Angebot ist hier in der Region sehr stark gewachsen, nun muss man abwarten, ob sich auch jede der neuen Schulen wirklich wird halten können.« Und unterbricht das Gespräch kurz, weil über die schuleigene Lautsprecheranlage gerade daran erinnert wird, viel zu trinken.

Nein, hitzefrei gibt es trotz mehr als 30 Grad im Schatten nicht. »Wir haben verlässliche Öffnungszeiten, das heißt, wir können die Kinder nicht einfach nach Hause schicken, wo dann vielleicht niemand auf sie warten würde.« 55 Kinder wurden nach dem Ende der Sommerferien neu eingeschult, aber der Privatschultrend hat sich hier nicht bemerkbar gemacht, »im Gegenteil, es sind weniger als in den Jahren zuvor, wir mussten niemanden abweisen«.

Bilingual Zum ersten Mal verzeichnete man insgesamt mehr Abgänge als Zugänge. Woran dies genau liegt, wird derzeit analysiert. »Es gibt mehrere mögliche Gründe«, erklärt Luwisch, »natürlich haben im Frankfurter Raum viele Privatschulen aufgemacht, die Interessantes bieten.

Aber auch die wirtschaftliche Situation der Eltern könnte eine Rolle spielen und zum Beispiel die Entscheidung für eine kostenlose öffentliche Schule begünstigen.« Man prüfe nun unter anderem, »welche besonderen Angebote die annehmenden Schulen haben«, so gebe es beispielsweise nicht nur bilinguale Einrichtungen, sondern sogar solche, die »364 Tage im Jahr Betreuung anbieten, was für manche Eltern natürlich interessant sein dürfte. Aber, wie gesagt, wir sind noch zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen.«

»Wir sind eine staatlich anerkannte Ersatzschule, das heißt, wir haben einen anderen Träger als staatliche Schulen, nämlich die jüdische Gemeinde. Aber unser Lehrplan entspricht dem des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen«, erklärt Natascha Dörner, Leiterin der Düsseldorfer Yitzhak Rabin-Schule.

Erweiterung Der Run auf die Privatschulen könne sich allerdings auf ihre Einrichtung gar nicht auswirken, »wir sind generell zweizügig und werden das zunächst auch bleiben, denn unsere Kapazitäten sind nicht auf drei oder mehr Klassen ausgerichtet«. Natürlich sei das schade, wie es übrigens auch bedauerlich sei, dass es keine weiterführende jüdische Schule gibt. Die Idee, die Schule zu erweitern, sei allerdings »immer da, unser neuer Rabbiner ist dabei, etwas in Bewegung zu setzen«.

44 Kinder sind gerade neu eingeschult worden, »die meisten kommen aus unserer Gemeinde, aber wir nehmen auch über den Stadtrand hinaus, zum Beispiel aus Meerbusch, Neuss, Krefeld auf«. Viele Anfragen kommen auch von nichtjüdischen Familien, berichtet Dörner, »die Gründe sind unterschiedlich: von Freunden, die unsere Schule besuchen werden, bis hin zum guten Ruf, den wir haben«.

Warteliste Kinder von Gemeindemitgliedern werden bevorzugt aufgenommen, »natürlich auch die, deren Väter Mitglieder der Gemeinde sind, und wenn dann noch Kapazitäten frei sind, gehen die Plätze an nichtjüdische Kinder, das sind rund zehn Prozent«. Die Einschulungsgespräche finden schon im Herbst statt, ab Januar wissen die Eltern, ob ihr Kind aufgenommen wird. Eine richtige Warteliste wäre jedoch »schwierig, denn Schüler, die während des Schuljahres aufgenommen werden, verpassen im Hebräischunterricht sehr viel«.

Von »Anmeldungen en masse« berichtet Heike Michalak, Leiterin der von Chabad betriebenen Jüdischen Traditionsschule in Berlin. Allerdings, schränkt die Pädagogin gleich ein, »es ist nicht immer so, dass die Eltern unsere Schule aufgrund des jüdischen Profils wählen«. Vielmehr sei es häufig so, dass nichtjüdische Mütter und Väter von Privatschulen erhoffen, dass sie »für Kinder mit leichten Verhaltensauffälligkeiten« die bessere Lösung als staatliche Schulen seien. Natürlich gebe es keine offiziellen Untersuchungen, aber dies betreffe überdurchschnittlich viele Jungen.

»Das Problem haben im Moment viele Privatschulen«, sagt Michalak, die sich regelmäßig mit den Pädagogen von anderen nichtstaatlichen Schulen austauscht: »Ich weiß von Einrichtungen, die mit weniger Kindern ins neue Schuljahr gestartet sind, weil es einfach nicht geht, dass mehr als zwei Drittel der Schüler einer Klasse Jungen sind.«

Schonraum Mit denjenigen, die sich »für ihr Kind einen Schonraum wünschen«, zusammenzuarbeiten, sei nicht immer einfach. »Natürlich darf man Eltern nicht unter Druck setzen, aber wenn sie nicht zur Kooperation bereit sind, also wir als nichtstaatliche Schulen keine Möglichkeit zu Gesprächen mit den betreuenden Ärzten und Therapeuten haben, dann kann das Kind natürlich auch keine optimale Hilfe bekommen.«

Längst nicht alle Eltern von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten seien kooperativ, bedauert Michalak. Die Erwartungshaltung sei dagegen oft hoch, wobei sich eine »gewisse Anspruchsmentalität beobachten lässt, die sich ganz gut mit ›Ich bezahle schließlich, also kann ich...‹ umschreiben lässt«.

Dabei »leisten die Schüler der Jüdischen Traditonsschule schon sehr viel, man darf nämlich die zehn zusätzlichen Judaistik-Stunden in der Woche nicht vergessen«, sagt Michalak. Und freut sich, dass die aus allen Nähten platzende Schule irgendwann keine Platzprobleme mehr haben wird: »Das Grundstück für ein großes jüdisches Bildungszentrum an der Münsterschen Straße Nähe Fehrbelliner Platz ist bereits vorhanden, die entsprechenden Pläne sind auch schon fertig, nun fehlt nur noch das Geld – aber unser Förderverein ist wirklich sehr aktiv.«

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