München

Premiere auf dem Jakobsplatz

Es waren berührende Momente, die es so noch nicht gab. Das Schofarblasen, eine uralte religiöse Zeremonie mit hoher Bedeutung für die jüdische Gemeinde, fand anlässlich von Rosch Haschana zum ersten Mal in der Öffentlichkeit statt. Der Jakobsplatz mit Synagoge und Gemeindezentrum war dafür der ideale Rahmen.

Das spätsommerliche Wetter dürfte mit dazu beigetragen haben, dass die Besucherkapazität aufgrund der immer noch geltenden Abstandsregeln an ihre Grenzen stieß. Nicht nur Mitglieder des Vorstands und der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) wollten sich die Feierlichkeit nicht entgehen lassen. Auch viele Münchner zog es dazu ins Herz der Stadt.

Die Kunst, dem Schofar die Töne zu entlocken, die nach in Tora und Talmud festgelegten Regeln geblasen werden, beherrscht Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman in perfekter Weise. Bei dem besonderen Event am vergangenen Sonntag erklärte er auch den religiösen Hintergrund des Schofarblasens.

Nicht nur Mitglieder der Gemeinde, sondern auch viele Münchner kamen.

Die Geschichte des zum Musikinstrument umfunktionierten Horns eines Widders oder eines anderen koscheren Tieres reicht bis weit in die Antike zurück. Heute ist der Schofar, der seine Ursprünge im Vorderen Orient hat, als einziges Instrument des Altertums in der Synagoge noch in Gebrauch.

zeremonie Wie stark die IKG noch immer von der Corona-Krise betroffen ist, machten bei der erstmals öffentlichen Zeremonie des Schofarblasens die roten Abstandsmarkierungen auf dem Jakobsplatz und andere Einschränkungen deutlich. Daran kam auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch nicht vorbei, die konstatierte, dass uns die Probleme der vergangenen sechs Monate sicherlich auch weitere Zeit im neuen Jahr begleiten würden.

»Auf den Herbst und Winter blicken wir mit großer Sorge«, erklärte Knobloch in ihrer Begrüßungsrede. Sie sprach in diesem Zusammenhang auch von den schweren gesellschaftlichen Folgen, die sich zum Beispiel bei den unsäglichen sogenannten Hygiene-Demos zeigten. »Ex­tremisten und Hetzer«, stellte sie fest, »haben in unseren Städten neue Abgründe von Judenhass und Demokratiefeindlichkeit aufgetan.«

Der langjährigen IKG-Präsidentin gelang es jedoch zugleich, der Corona-Krise auch einen positiven Aspekt abzugewinnen: »Dass wir gemeinsam die Töne des Schofars hören, ist etwas Besonderes, das es ohne Corona nicht gegeben hätte.« Sie freue sich, die jüdische Zeremonie mit der Münchner Stadtgesellschaft teilen zu können.

Charlotte Knobloch gelang es, der Corona-Krise auch einen positiven Aspekt abzugewinnen

Trotz des wieder stärker auftretenden Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft erinnerte Charlotte Knobloch an den gewachsenen gesellschaftlichen Zusammenhalt und die große Solidarität, die noch immer bestehe. Sie hoffe deshalb, dass das neue Jahr auch ein Jahr des Miteinanders und des gemeinsamen Anpackens werde: »Ich wünsche mir, dass 5781 das Jahr wird, in dem wir nicht nur Corona endlich überwinden – sondern auch den Hass in unserer Mitte zurückdrängen.«

vertrauen In diesem Zusammenhang sprach sie von der Angst und Unsicherheit, die sich in jüngster Zeit wieder in der jüdischen Gemeinschaft ausgebreitet haben. Diese Angst gelte es auf der einen Seite zu mindern, auf der anderen Seite müsse im neuen Jahr das Vertrauen in das Gemeinwesen wieder gestärkt werden, forderte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde.

Sie richtete ihren Blick auch auf die kommenden zwölf Monate, in denen eine ganze Reihe von Wahlen stattfinden. Sie bieten nach Überzeugung von Charlotte Knobloch die Möglichkeit, die politischen Kräfte von Freiheit und Demokratie einvernehmlich gegen die Feinde einer offenen Gesellschaft zu bündeln. »Das ist aber nur möglich«, so der Kern ihrer Neujahrsbotschaft, »wenn wir es gemeinsam möglich machen. Es ist an uns, die leeren Buchseiten für das Jahr 5781 vor uns mit guten Geschichten zu füllen.«

München

»Das Gemeinsame betonen«

Die 38. Jüdischen Kulturtage zeigten ein vielfältiges Programm

von Luis Gruhler  15.01.2025

Berlin

»Wir sind bitter enttäuscht«

Nach den höchst umstrittenen Wahlen in der Jüdischen Gemeinde zogen die Kritiker nun vor Gericht. Doch das fühlt sich nicht zuständig – und weist die Klage ab

von Mascha Malburg  15.01.2025

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025