Frau Krasnov, zum dritten Mal kamen die zehn Gemeinden des Jüdischen Liberal-Egalitären Verbandes (JLEV) zu einem Schabbaton zusammen – nach Frankfurt und Hannover diesmal in Hameln. Über welche Themen wurde gesprochen?
Über die Jugend- und Gemeindearbeit, die Rabbinats- und Kantorenausbildung und wie man gemeinsam die Liturgie weiterentwickeln kann. Die Weiterführung der Rabbinats- und Kantorenausbildung ist wichtig für uns. Wir unterstützen die Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), Elisa Klapheck, darin, dass das Stiftungsmodell zeitnah unter Mitwirkung der ARK und weiterer Akteure umgesetzt wird. Die neue Struktur schafft die erforderliche Stabilität für eine tragfähige Zukunft der liberalen und konservativen Ausbildungsstätte. Da ist der große Wunsch, dass sie fortbesteht, ebenso wie JLEV auch demokratisch fortbesteht, und eine gute Ausbildung bietet, damit wir auch diese zukünftigen Rabbinerinnen und Rabbiner sowie Kantorinnen und Kantoren gut bei uns in den Gemeinden einbinden können, sowohl im Studium als auch im Anschluss daran, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben.
Wie sieht es in der Gemeindearbeit aus?
Wir stehen vor verschiedenen Herausforderungen: Wie gewinne ich Menschen für die Gemeinde, also, dass sie an Aktivitäten teilnehmen und sich auch aktiv selbst einbringen? Etliche Gemeinden haben viele ältere Mitglieder, sodass man schauen muss, wie gut man diese unterstützen kann. Wie kann man Formate schaffen, an denen sie noch teilnehmen können, entsprechend ihren Möglichkeiten? Oder welche Bedürfnisse haben sie? Wie kann ich Gebetsbücher so gestalten, dass alle sie nutzen können? Zum Beispiel, dass sie ein bisschen größer gedruckt sein müssen, weil vielleicht ältere Menschen nicht mehr so gut lesen können, und dass Übersetzungen in verschiedene Sprachen gebraucht werden.
Worüber konnten Sie sich freuen?
Über die 70 Teilnehmenden aus ganz Deutschland, davon 30 aus Hameln. Über die herzliche Atmosphäre in der Hamelner Synagoge und die ganz positive Energie, die durch das Zusammensein entstanden ist. Auch über die neuen Impulse für das eigene Gemeindeleben und den Dachverband. Das Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt, Claudio Griese, berührte mich. Er blieb sogar zum Gottesdienst. Wir haben gelernt, gebetet und diskutiert.
Und gab es auch etwas, worüber Sie sich geärgert haben?
Gar nichts. Der Schabbaton war auch nicht zu kurz, sondern hatte die richtige Länge.
Wo findet der nächste Schabbaton statt?
In Freiburg. Jede Gemeinde ist einmal an der Reihe. Das ist auch ganz wichtig für uns, um einfach das Gemeindeleben vor Ort kennenzulernen. Unsere kleinste Gemeinde zählt 30 Mitglieder, die größte mehr als 700. So unterschiedlich ist dann auch die Situation für uns vor Ort. Aber es gibt immer Gemeinsamkeiten und Aspekte, wo man voneinander lernen kann.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wie wird der Gottesdienst gestaltet, welche neuen Elemente könnte man einbringen, welche Melodien werden gesungen, wer kann welche Teile übernehmen? Es sind die kleinen Dinge, die ganz viel ausmachen können.
Nach dem Skandal um die Union progressiver Juden sind zehn Gemeinden ausgetreten und haben den neuen Verband JLEV gegründet. Sind Sie zufrieden mit dem ersten Jahr?
Sehr, wir freuen uns, dass wir gemeinsam positiv liberales und egalitäres Judentum in diesem Land gestalten können.
Was bewegt Sie und die Beter im Moment?
Die Situation in Israel natürlich. Da hatten wir auch einen Vortrag mit dem Reservisten Amos Davidowitz aus Israel. Es war sehr bewegend, was er über die Situation in den Kibbuzim berichtet. Es gibt den großen Wunsch für uns als Gemeinden, aber auch als Dachverband, gemeinsam die einzelnen Kibbuzim zu unterstützen, sodass sie wiederaufgebaut werden können. Oder eben auch, dass Angebote geschaffen werden, die für die Bevölkerung eine Entlastung sind.
Wie endete das Wochenende?
Mit einer Feedback-Runde. Wir schauen immer, was wir fürs nächste Mal an Themen mitnehmen sollten. Und das war quasi unser Abschluss heute. Alle sind sehr glücklich. Es gab auch Teilnehmende, die das erste Mal dabei waren und die sich gleich den nächsten Termin notiert haben. Der Schabbaton war eine Insel, wo alle gemeinsam Kraft tanken konnten. Es war sehr herzlich.
Mit der Co-Vorsitzenden des Jüdischen Liberal-Egalitären Verbandes (JLEV) sprach Christine Schmitt.