Die Zukunft von Gat Ramon ist sein Unternehmen. Das Firmenherz befindet sich im kleinen thüringischen Ort Weira, in der Nähe von Jena. Gat Ramon kam Anfang der 90er-Jahre in den Ort, übernahm in einem Gewerbegebiet günstig Fläche und dann die Gebäude ehemaliger Schweineställe. Was ihn damals interessierte, war der boomende Markt der Recyclingindustrie. Denn die gelben Sammeltüten mit Plastikabfällen gab es überall in den Haushalten. Was jedoch fehlte, waren innovative Produkte, die aus einstigen Quarkbechern, Folientüten und Verpackungen etwas Neues machten.
Gat Ramon entwickelte mit Ingenieuren eine Technik und die Maschinen dazu, um aus Kunststoffabfällen neue Werte zu kreieren und eine Marktlücke zu füllen. Es gelang. Heute arbeitet er mit großen Handelsketten zusammen, beliefert sie mit großen grauen Kunststoffpaletten, leichter als Holz, witterungsbeständig und kostengünstiger im Gebrauch für Handel und Transportfirmen.
Etabliert Nach fast 20 Jahren ist ein stattliches Unternehmen aus der einstigen Idee geworden. »Ich bin vor 30 Jahren nach Deutschland gekommen«, erzählt Ramon. »Meine Familie konnte das damals nicht verstehen. Es war ungewöhnlich. Heute fühle ich mich hier sehr wohl.«
Ramon ist verheiratet und hat drei Kinder. Der Lebensmittelpunkt ist Stuttgart, der Arbeitsmittelpunkt Weira. Wenn er seine Jahre als Unternehmer Revue passieren lässt, so ist er vor allem stolz auf das, was er neben dem Kunststoffrecycling initiiert: Das kleine Zeichen für Toleranz. Mitten durch das Werksgelände führt eine Anne-Frank-Straße.
In einer Werkshalle ist derzeit eine Ausstellung zu sehen, organisiert mit dem Anne-Frank-Zentrum Berlin. »Wir haben viel mehr Besucher, als wir erwartet haben«, sagt der Unternehmer stolz. Täglich sind bis zu fünf Schulklassen zu Gast, die von Jugendlichen durch eine Dokumentation über das Leben der Jüdin Anne Frank geführt werden.
»Anne Frank ist ein sehr gutes Symbol, ein Symbol ohne Aggression. Wenn ich über Toleranz sprechen würde, dann möchte vielleicht keiner zuhören, mit solchen Symbolen ist es einfacher, die Leute zu bewegen, dass sie zuhören.«
Ramon möchte mit den Menschen ins Gespräch kommen, egal ob in Weira oder anderswo. »Ich glaube, das ist ein langer Weg. Ich glaube, ich werde es nicht schaffen, dass der Weg reicht. Ich präsentiere mich nie als ein Jude. Jeder weiß, ich komme aus Israel.«
Mentalitäten Vielleicht liegt es an den Kulturunterschieden, denkt der Unternehmer, wenn man mit den Menschen hier weniger in Kontakt kommt, als es in Israel üblich ist. »Dort wird man 20 Mal im Jahr zu einer Hochzeit und 20 Mal im Jahr zu einer Barmizwa von Kollegen und Mitarbeitern eingeladen. Hier trennt man doch mehr das Berufliche.«
Er lächelt und streicht sich durch die silbergrauen, glänzenden Locken. »Vielleicht gelingt es besser«, sagt er, »wenn die neu gepflanzten Kastanienbäume auf dem Firmengelände Früchte tragen.«
Mehrere kleine Bäume stehen seit wenigen Tagen auf dem Cabka-Gelände und bilden die kleine »Anne-Frank-Allee«, sagt Helga Fassbinder, Professorin für Stadtplanung und Vorsitzende der Stiftung Support Anne-Frank-Tree. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass kleine Sprösslinge der Originalkastanie vor dem Anne-Frank-Haus in Amsterdam nun überall in der Welt wachsen können.
»Wenn die Symbole kultiviert werden, können sie das Anliegen in viele Orte tragen«, sagt die Stadtplanerin. Demnächst wird ein Baum in Norddeutschland gepflanzt, bislang war sie in Ingolstadt, der Schweiz, Frankreich und auf Korsika, um die »lebenden Mahnmale« zu setzen. Begonnen hatte alles Anfang der 80er-Jahre.
Baumnachkommen »Ich bin 1983 in Amsterdam in ein Haus gezogen und blickte nach hinten aus dem Fenster. Ich sah den riesigen Kastanienbaum und dann habe ich das Dachfenster des Anne-Frank-Hauses erkannt! Ein ergreifender Moment«, sagt Helga Fassbinder, die sich seitdem um den Baum kümmerte. Alsbald stellte sich heraus, dass er an einem Schimmelpilz erkrankt war. Eine Stützkonstruktion half nur wenig, der Baum fiel bei einem Sturm um.
Glücklicherweise hatte sie bereits zwei Jahre zuvor damit begonnen, aus den Früchten kleine Schösslinge zu ziehen. »Es funktionierte. Diese kleinen Nachkömmlinge des Baumes sind nun Botschafter und reisen um die Welt – bis nach Weira, einem kleinen Ort«, sagt sie später am Rednerpult bei der feierlichen Baumpflanzung »einem Ort, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte, der 421 Einwohner hat und eben das Unternehmen Cabka.«
Nun werden exakt hier in der Anne-Frank-Straße auf einem Firmengelände in Thüringen die kleinen Kastanien heranwachsen und in mehrfacher Hinsicht Früchte tragen, hofft die Professorin. Ein weiterer Baum wird in Pößneck gepflanzt. Dort hat die Kommune ein Haus zurückerworben, das einst Neonazis als Treffpunkt diente. Exakt dort, so der Landrat, soll als Zeichen der Toleranz künftig ein Anne-Frank-Baum wachsen.