Jede Generation bringt Wissenschaftler hervor, die sich mit den eigenen religionsgeschichtlichen Wurzeln leidenschaftlich wie kompetent beschäftigen. Mit Rabbinerin Elisa Klapheck und dem Religionspädagogen Daniel Krochmalnik waren nun zwei jüdische Gelehrte mit ebenjenen Eigenschaften im Gemeindezentrum am Jakobsplatz zu Gast.
Die Rabbinerin des Egalitären Minjans der Jüdischen Gemeinde Frankfurt stellte im Rahmen der Jüdischen Kulturtage ihre im Verlag Hentrich & Hentrich erschienene Studie über die Philosophin Margarete Susman und deren Beitrag zur politischen Philosophie vor. Dazu wertete Klapheck mehr als ein Dutzend Bücher und rund 300 Essays aus. Temperamentvoll und eloquent zeichnete sie das Bild einer inspirierenden Frau, die ihr Leben als Philosophin, Gattin und Mutter mit außerordentlichen beruflichem Erfolg verband.
biografie Die 1872 in Hamburg geborene Susman besuchte in Zürich eine Schule für Höhere Töchter, nach der Jahrhundertwende studierte sie einige Zeit in München. Prägend für ihr Werk seien jedoch die Frankfurter Jahre bis zur Emigration 1933 und die Arbeiten bis zu ihrem Tod 1966 gewesen, wie Klapheck ausführte. Erhellend war auch ihr Bericht, dass Susman Martin Buber nach der Machtergreifung der Nazis um Nachsicht bat, weil sie sich zu alt und zu deutsch fühlte, um nach Palästina auszuwandern. Der Forschung legte Klapheck ans Herz, Susmans fast vergessene Schriften über Franz Kafka wiederzuentdecken.
Spannend war auch der Studientag mit Daniel Krochmalnik über »Numerologische Entzifferungsmethoden« zu Begriffen aus der Tora. Diese kann man auf vier Arten analysieren: gemäß ihrem buchstäblichen, angedeuteten, ausgedeuteten und verborgenen Sinn. Wenn man davon ausgeht, dass kein Buchstabe zufällig in der Tora steht, liege es nahe, nach Bezügen über den offensichtlichen Sinn der Sätze hinaus zu suchen, erklärte Krochmalnik.
zahlen »Man kann die Gesamtzahl der Buchstaben ermitteln, und natürlich auch den Buchstaben in der Mitte«, unterstrich der Religionspädagoge. »Die Bibel zählt gern.« Dann wies er auf die Besonderheit bestimmter Zahlen hin. Fast drängt sich der Eindruck auf, dass Zahlen wie die »Sechs« an vollkommene Ereignisse erinnern wie etwa die Schöpfung innerhalb von sechs Tagen. Zahlen könnten so zu einer anderen Seite des Erzählens werden.
Für die Bibelkritik, die sich mit der Analyse scheinbarer Einheiten beschäftigt, sei Zahlenmystik jedoch ein »rotes Tuch«, betonte der Referent. Der Bibelkritik zufolge liegt nämlich in allem ein Sinn, oft ein vielfacher. Schon das erste Wort der Tora eröffnet so viele Möglichkeiten, zeitliche wie lokale. »Die Schöpfungsgeschichte schreitet in Gegensatzpaaren wie Tag und Nacht voran«, sagte Krochmalnik. »Sie ist ein magischer Akt, nicht die Entstehung aus dem Nichts. Sie beschreibt das Schaffen von Ordnung aus Chaos.«