Neben angemessener Kleidung für den Schabbat, Kippa und Siddur für die Gottesdienste und bequemen Schuhen für die Ausflüge sollten die Teilnehmer »viel Enthusiasmus und Freude am Kommunizieren und an neuen Begegnungen« mitbringen. So stand es in den vorab versandten Informationen, und so instruiert kamen die rund 300 Teilnehmer dann am Freitag nach Radebeul, in ein Hotel in der sächsischen Kreisstadt bei Dresden.
Zu dem verlängerten Wochenende hatte der Bund traditioneller Juden in Deutschland (BtJ) Studenten und junge Berufstätige, Singles und Familien eingeladen. Veranstalter war der BtJ in Kooperation mit dem 3-Rabbiner-Seminar, Morasha Germany und Jewish Experience Frankfurt. Der Zentralrat der Juden unterstützt das Projekt finanziell.
Begegnung Für einige Teilnehmer war es der erste Schabbaton, Katja und Ilja Schwarz hingegen sind schon Stammgäste bei diesem jährlichen Treffen. Für sie hat er auch eine ganz besondere Bedeutung, denn sie haben sich vor drei Jahren beim Schabbaton in Würzburg kennengelernt. Im Oktober 2015 haben sie geheiratet. »Seitdem gelten wir als das Vorzeigepaar«, sagt der 25-jährige Ilja lachend.
Er erinnert sich noch genau an ihre erste Begegnung: »Ich saß beim Essen mit einer Gruppe von Frankfurter Studenten am Tisch zusammen und erzählte gerade, dass ich an der Technischen Hochschule in Darmstadt Informatik studiere. Da mischte sich eine junge Frau vom Nachbartisch, die das gehört hatte, in unser Gespräch ein und sagte, sie schreibe momentan an ihrer Diplomarbeit und suche jemanden, der sich mit Programmieren auskenne: ›Könntest du mir eventuell helfen?‹, fragte sie mich, und so begannen wir uns zu unterhalten.«
Ihm sei sofort aufgefallen, wie groß die Übereinstimmungen zwischen seinen und Katjas Interessen und Neigungen waren: »Wir lieben dieselbe Musik, dieselben Serien, wir haben beide einen großen Wissensdurst und diskutieren gerne mit anderen, auch Andersdenkenden, über Gott, das Leben, über alles.« Es hat also sofort gefunkt zwischen den beiden.
Biografie Vielleicht liegt das auch daran, dass ihre Herkunft und Biografien einander ähneln. Beide stammen sie aus der ehemaligen Sowjetunion, Katja aus der Ukraine, Ilja aus Lettland, beide wuchsen in jüdischen Familien auf, in denen die Religion eine eher untergeordnete Rolle spielte, und beide kamen als Kinder nach Deutschland.
Ilja war nach der ersten Begegnung in Würzburg schnell klar, dass er den Menschen gefunden hatte, mit dem er sein Leben verbringen wollte. Dass er nur eine jüdische Frau heiraten könne, hatte er bereits viel früher entschieden. Ihre Hochzeit haben die beiden ganz groß gefeiert: Standesamtlich wurden sie in Köln getraut, unter die Chuppa traten sie in Frankfurt. Rabbiner Julian-Chaim Soussan leitete damals die Zeremonie.
Sie wohnen mittlerweile in Offenbach, Ilja ist noch Student, und Katja (29) hat gerade erst eine Stelle als Mathematiklehrerin an der Lichtigfeld-Schule im Philanthropin angetreten.
Auch wenn sie nicht strenggläubig leben und es neben dem Beruf beziehungsweise Studium und Nebenjob nicht immer schaffen, am Schabbat in die Synagoge zu gehen, fühlen sich die beiden dennoch dem traditionellen Judentum zugehörig. Milch und Fleisch werden in ihrem Haushalt getrennt, das junge Paar nimmt außerdem regelmäßig die Bildungsangebote von Jewish Experience und Morasha Germany wahr. Und der jährliche BtJ-Schabbaton ist für sie ein fester Termin. »Aber jetzt reisen wir nicht mehr als Singles an«, sagt Ilja augenzwinkernd.
Familien In diesem Sinne bezeichnet Rabbiner Soussan die Teilnehmer des Schabbatons auch lächelnd als »Familien und potenzielle Familien«. Für beide Zielgruppen hatten die Veranstalter ein umfangreiches Programm vorbereitet: Schabbatfeiern und Gottesdienste, Schiurim und Vorträge zu Fragen der jüdischen Identität oder der Faszination der Tora, Ausflug in einen Kletterpark, Fahrradtour ins Umland, nächtliche Führungen durch Dresden, Comedy-Tour, Cocktail-Workshop und vieles mehr. Für die 70 Kinder gab es eine eigene Betreuung.
Zwei Coaches standen beim Schabbaton für persönliche Gespräche zur Verfügung: Leslie Esther Russell, Comedy-Therapeutin aus New York, wollte vermitteln, wie man mehr Freude verspürt, Barrieren überwindet und sich persönlich und beruflich weiterentwickeln kann. Bracha Rosenblum führte Gespräche mit denen »die einen Partner fürs Leben finden wollen«, wie es im Programm hieß.
David Seldner, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe und BtJ-Vorstandsmitglied, bestätigt, dass das gegenseitige Kennenlernen ein wichtiges Anliegen des Schabbatons ist. »Aber es geht eben auch um das Networking insgesamt, die Begegnung mit Juden aus anderen Städten und Regionen. Das ist besonders für Mitglieder kleinerer Gemeinden wichtig.«
Rabbiner Mehrere Rabbiner begleiteten das Wochenendprogramm, darunter Avichai Apel, Jaron Engelmayer und Julian-Chaim Soussan sowie Elias Dray und David Geballe. Als Gäste waren unter anderem Marcel Engelmayer, Präsident des Schweizerischen Zionistenverbandes, und Rabbi Joshua Spinner von der Ronald S. Lauder Foundation mit dabei.
Für musikalische Unterhaltung sorgten »The Y-Studs«, eine A-cappella-Gruppe der New Yorker Yeshiva University. Das Motto des Wochenendes lautete: »Judentum mit modernen Herausforderungen ... und mit Freude jüdisch«. Frankfurts Gemeinderabbiner Soussan zog am Ende ein positives Fazit: »Das Team war eingespielt, die Organisation lief reibungslos, die Referate waren interessant und die Workshops gut besucht.«
Teilnehmer Wie Katja und Ilja Schwarz schienen die Teilnehmer das zu bestätigen: »Es war wie ein Kurzurlaub, man musste sich um nichts kümmern«, schwärmt Katja. Im Programmangebot hatten sie vor allem die TED-Talks begeistert, mehrere parallel laufende Vorträge zu unterschiedlichsten Themen im Halbstundentakt und zur freien Auswahl. »Und zudem ist cool, dass man hier am Wochenende Leute wiedertrifft, die man das ganze Jahr über nicht sieht, weil sie überall in Deutschland verstreut leben«, meint Ilja. Katja erzählt, dass sie diesmal den Eindruck hatte, dass immer mehr jüngere Teilnehmer dabei sind. »Die Zahl der Erwachsenen ist unverändert, aber es kommen immer mehr Kinder dazu. Das ist toll.«
Das nächste Jahr wollen Katja und Ilja Schwarz auf jeden Fall wiederkommen, sagen sie, »dann vielleicht ja auch schon als Familie«.