Seine 37 Jahre sieht man Gabriel Tichauer nicht an: In Turnschuhen und T-Shirt sitzt er vor einem Café in Kreuzberg und blinzelt in die Sonne. Die junge Klamotte ist bei Tichauer fast schon Arbeitsbekleidung: Als DJ, Produzent und Veranstalter kann er auf Anzug und Schlips verzichten – und ist froh darüber. »Ich habe immer noch einen Lifestyle wie mit 20«, sagt er. Dabei gehört Tichauer fast schon zu den Ur-Gesteinen der Berliner Partyszene: Seit 1989 legt er Platten auf, Mitte der 90er-Jahre fing er außerdem an, selbst Partys zu veranstalten. Musik sei ihm schon immer wichtig gewesen. »Als Jugendlicher habe ich Tapes aus dem Radio aufgenommen, mit 16 bekam ich dann den ersten Platten-spieler«, erinnert sich der gebürtige Berliner. Bei einem Geburtstag seines Bruders legte er das erste Mal auf – und war sofort Feuer und Flamme. Es folgten Auftritte in Clubs, als DJ San Gabriel machte er sich schließlich in ganz Europa einen Namen.
Schon damals hatte Berlin den Ruf, ein Zentrum für elektronische Musik zu sein. Mit seiner ersten Partyreihe »PeeGees Dis-co« wollte Tichauer einen bewussten Gegenpol schaffen: Statt wummernder Techno-Bässe spielte er Disco-Hits der 70er-Jahre. Die Reihe wurde ein großer Erfolg. So nebenbei studierte er auch Mediendesign, später Marketing und Kommunikation – Fähigkeiten, die ihm vor allem bei seinen immer größer werdenden Musik-Events halfen. Mit der Reihe »liveDEMO« etablierte er sich 2003 schließlich endgültig als einer der umtriebigsten Veranstalter der Stadt.
exportschlager Die Mischung aus Party und Konzert hatte einen einfachen Hintergedanken, wie Tichauer erklärt: »Es gibt Partys ohne Live-Musik und Konzerte, bei denen du am Ende immer rausgeschmissen wirst, obwohl du eigentlich noch weiterfeiern willst.« Seine Veranstaltungen verbinde daher die beiden Elemente, indem verschiedene Künstler, vor allem aus dem Hip-Hop-Bereich, jeweils etwa drei Songs spielten, während in den Pausen ein DJ für Stimmung sorge.
»liveDEMO« erfreute sich nicht nur beim Publikum großer Beliebtheit – zu den besten Zeiten kamen bis zu 1.500 Gäste –, auch bei den Künstlern wurden die Abende zu einer festen Größe. Seit drei Jahren gibt es nun ein neues Projekt, das sich »Hip Hop Don’t Stop« nennt, dieses Mal eine reine Partyreihe, die sich allerdings ebenfalls zum Exportschlager gemausert hat. Neben München und Würzburg gastiert »Hip Hop Don’t Stop« auch in Tel Aviv. Tichauers Eltern, ein Israeli und eine argentinische Jüdin, haben dort eine Wohnung, sodass er mehrmals im Jahr dorthin fliegt. »Es haben sich Freundschaften entwickelt, vor allem zu jungen DJs, die ich dann nach Berlin geholt habe«, so Tichauer. »Es geht dabei nicht darum, dass sie Israelis sind, sondern darum, dass sie gut sind.« Das Ergebnis sei eine Partnerschaft – ein Netzwerk, in dem DJs aus beiden Ländern wechselseitig auftreten und sich austauschen. »Das war schon immer mein Ding, Leute zusammenzubringen«, stellt Tichauer fest.
nachtleben Als jüdische Partys will er seine Abende allerdings nicht verstanden wissen. »Meine Gäste sind total multikulturell«, sagt er. Tichauer sieht sich nicht als religiösen Menschen. Er komme aus einer traditionellen Familie. Sein Vater ist Barmizwa-Lehrer. »Er hat fast alle jüdischen Kinder in Berlin auf ihre Barmizwa vorbereitet«, lacht der 37-Jährige. Seine Tante Lea war Leiterin des jüdischen Jugendzentrums. Nach dem Abitur lebte er ein halbes Jahr in einem Kibbuz und lernte dort Hebräisch. Seine Eltern hätten ihn sehr offen erzogen, dementsprechend bunt gemischt sei auch sein Freundeskreis immer gewesen. »Dennoch würden sie sich sicher freuen, wenn ich eine jüdische Frau mitbrächte«, grinst Tichauer. Nach Familienplanung stehe ihm der Sinn derzeit aber noch nicht. Seine ungewöhnlichen Arbeitszeiten sieht er dabei allerdings nicht als Hinderungsgrund: Als Veranstalter habe er durchaus »daily business«, so Tichauer, »aber ich komme selten vor 4 oder 5 Uhr ins Bett.
Die Abende in den Clubs sind es auch, die ihn den Bezug zur jüngeren Szene nicht verlieren lassen. »Das ist doch heute ohnehin alles anders: Man wechselt öfter den Beruf, bekommt später Kinder, da mache ich mir keinen Kopf«, sagt Tichauer. Er habe die Sache gefunden, in der er erfolgreich sei – und das in der Stadt, die er am liebsten möge. »Berlin ist für mich die beste Stadt Deutschlands«, schwärmt er, »und wenn es um das Nachtleben geht, sogar die beste Stadt der Welt.«