Chanukka

Pakete zum Fest

Bereits vor Wochen hatten die Schüler des jüdischen Religionsunterrichts begonnen, Päckchen für Obdachlose zu packen. Foto: Christine Schmitt

Am Eingang der John-F.-Kennedy-Gemeinschaftsschule in Steglitz-Zehlendorf stehen nebeneinander ein Chanukkaleuchter und ein Weihnachtsbaum. Eine Etage höher ist der elfjährige Noah, Schüler des jüdischen Religionsunterrichts, damit beschäftigt, ein Paket in Schuhkartongröße von einem riesigen Stapel zu hieven.

Es ist das erste Paket von mehr als 200, die an diesem Mittwoch die Schule Richtung Obdachlosen-Unterkunft am Bahnhof Zoo verlassen. Noah reicht den Karton an Anthony weiter, der ihn einem anderen Jungen, der auch Noah heißt, zuwirft. Weiter unten warten Mia und Nico, ebenfalls Schüler des jüdischen Religionsunterrichts, auf ihren Einsatz.

initiative Es war eine besondere Initiative kurz vor Chanukka in der Schule am Teltower Damm: Bereits vor Wochen hatten die Schüler des jüdischen Religionsunterrichts begonnen, Päckchen für Obdachlose zu packen. Angeregt hatte die Hilfsaktion das Team der Religions- und Lebenskundelehrer, darunter Sarit Robert, jüdische Religionslehrerin an der John F- Kennedy Schule. Gemeinsam mit ihren Kollegen hatte sie vor etwa fünf Jahren begonnen, mit ihren Schülern auch vor Chanukka Pakete zusammenzustellen – zusätzlich zu den Weihnachtsgeschenken, die ohnehin jährlich für Hilfsbedürftige gesammelt werden.

»Früher gab es nur eine Weihnachtsfeier bei der Bahnhofsmission«, sagt Sarit Robert. Mittlerweile seien jedoch so viele Menschen in Not, dass daraus inzwischen drei Feiern geworden seien, berichtet die Lehrerin. Auf diese Weise würden auch ihre Schüler lernen zu teilen.

Bis Mittwochmorgen lagen die Geschenke ordentlich gestapelt vor den Klassenräumen. Gegen Mittag kamen dann Sarit Roberts Schüler zusammen, um sie durch den langen Flur und die Treppen hinunter bis nach draußen zu den bereitstehenden Autos zu bugsieren. Anschließend brachten die Lehrer die Kisten zur Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo.

mizwa »101, 102, 103« – die Zahlen werden von Schüler zu Schüler durch den Flur gerufen. Alle Schuhkartons sind mit buntem Geschenkpapier eingewickelt. »Ich hoffe, dass sich die Empfänger über unser Mizwa freuen«, sagt Mia.

»Macht nicht so schnell, sonst geraten die Kinder am Ende der Kette in Stress«, mahnt Sarit Robert. Ihre Schüler sind mit Feuereifer und Ernst bei der Sache, und da kann es nicht schnell genug gehen. »Ich habe eine Mütze gekauft«, ruft der elfjährige Anthony, während er die Pakete Stück für Stück weiterreicht. Schokolade habe er ebenfalls mitgebracht. Persönlich kenne er zwar keine obdachlosen Menschen, sagt er, aber er sehe öfters welche und habe keine Ahnung, wie es sei, kein Zuhause zu haben. »Das kann ich mir auch nicht vorstellen«, sagt Mia, während sie ein weiteres Päckchen zu Nico wirft.

Jeder der Schüler hat Dinge mitgebracht, um die die Lehrer gebeten hatten: Handschuhe, Mützen, Schals oder Wollsocken, aber auch Süßigkeiten und Shampoo, Duschgel und Einweg-Rasierer. »Das alles haben wir im Lehrerzimmer gesammelt und auf einem großen Stapel aufbewahrt«, sagt Sarit Robert. Dann ging es ans Einteilen und Verpacken, was den Schülern besonders viel Spaß machte – so wie das Bekleben der Kartons mit Geschenkpapier. Parallel dazu haben sie im Religionsunterricht Themen wie »gute Taten«, »Hilfsbereitschaft« und »Obdachlosigkeit« diskutiert.

süssigkeiten »Ich habe einen Karton, Süßigkeiten, einen Schal und Shampoo mitgebracht«, sagt Noah. Der dunkelhaarige Junge habe in den vergangenen Wochen nicht so viel Zeit gehabt mitzupacken, da er einiges für die Schule lernen musste. Dafür packt er nun umso eifriger mit an und erzählt: »Ich gebe dem einen Mann aus unseren Nachbarstraße öfters Geld – bei dem weiß ich, dass er es nicht für schlechte Sachen ausgibt.«

Bei allem Einsatz für Menschen in Not reden die Kinder auch über ihre eigenen Chanukkawünsche – der eine hofft auf einen Zauberwürfel, die anderen träumen von Büchern und CDs mit Musik von Tschaikowsky, manche sagen, sie lassen sich am liebsten überraschen.

Inzwischen werden die Zahlen 228, 229 und 230 durch den Schulflur gerufen. Der letzte Schuhkarton verlässt die vielen Hände in Richtung Autos. Mia, beide Noahs, Nico und Anthony stürmen die Treppe hinunter, vorbei an der Chanukkia und am Weihnachtsbaum. Sie sind begeistert, dass es so viele Pakete geworden sind.

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  21.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025