München

»Oft kopiert und nie erreicht«

Nach der Feierstunde: Yehoshua Chmiel, Rachel Salamander, Staatsministerin Melanie Huml und Charlotte Knobloch Foto: Astrid Schmidhuber

»Sie hat den Menschen in diesem, heute wieder auch unserem Land, gezeigt, was Judentum bedeutet. Welcher Reichtum und welche Fülle und Erfüllung in dieser Religion, in dieser Kultur und vor allem in den Menschen liegen, die jüdisch sind.« So beschrieb Yehoshua Chmiel in seiner Laudatio auf Rachel Salamander die Frau, die von der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern am 13. Juli in einer würdevollen Feierstunde zum Ehrenmitglied ernannt wurde.

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die den Abend mit hochkarätigen Gästen aus Politik und Wissenschaft ausgerichtet hatte, ging in ihrer Ansprache auf die Zeit von 1945 bis heute ein. Niemand hätte sich nach dem Ende der Schoa ausmalen können, »dass jüdische Menschen in diesem Land je wieder leben, geschweige denn eine gesellschaftliche Rolle spielen könnten«.

neuanfang Der steinige Weg eines Neuanfangs zeige sich in der Lebensgeschichte von Rachel Salamander und sei zugleich der klare Beweis dafür, dass Juden in Deutschland ankommen konnten und können. Dieser Weg habe die Geehrte aus dem DP-Lager Föhrenwald bis in die höchsten Sphären der deutschen Kultur geführt – eine Kultur, in der sie Jüdisches wieder sicht- und hörbar habe werden lassen.

In seiner Laudatio ging IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel auf die Persönlichkeit Salamanders ein.

In seiner Laudatio ging IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel auf die Persönlichkeit Salamanders ein: »Oft kopiert und doch nie erreicht ist das, was man heute als Gesamtpaket Rachel Salamander benennen kann. Sie ist eine wichtige Säule nicht nur des Judentums in Deutschland, sondern auch eine Person, auf welche unsere jüdische Gemeinde in München – und nicht nur diese – besonders stolz ist.«

fundamente Sie habe das Leben von Anbeginn an auf zwei wesentliche Fundamente des Judentums gestellt – auf die religiös-traditionelle Verankerung, wie sie im DP-Lager von den Überlebenden der Schoa gepflegt wurde, und als zweite Säule auf das Judentum und seine Geschichte.

Früh habe Salamander gewusst, so Chmiel weiter, »was es heißt, jüdisch zu sein, einer Minderheit anzugehören, die in der Geschichte unentwegt Verfolgungen und Po­gromen ausgesetzt war und ist, und was es bedeutet, nach der Schoa einer Schicksalsgemeinschaft anzugehören, die vom Massenmord an den Juden herkommt«. Ihr Leben lang sei sie dabei der osteuropäischen Tradition und Kultur treu geblieben, ihren Menschen und ihrem Gedenken bis heute mit größter Loyalität ergeben.

Nach der Auflösung des DP-Lagers Föhrenwald kam Rachel Salamander mit ihrer Familie nach München, engagierte sich in der Jugendarbeit der Gemeinde ebenso wie in der Zionistischen Jugend. »Die innerjüdische Nachkriegsgeschichte hat Rachel Salamander mit all ihren Kräften mit geprägt«, so Chmiel.

authentizität Ein wichtiger Abschnitt ihres Lebens begann mit ihrem Germanistik-Studium. So habe es sich zwangsläufig ergeben, dass sie ihre Kompetenz in jüdischem Wissen und die Authentizität ihres jüdischen Seins in ein durchaus ehrgeiziges Projekt steckte: die Gründung der Literaturhandlung im Jahr 1982. Diese sollte eine Fachbuchhandlung für Literatur zum Judentum mit einem hochkarätigen Veranstaltungsprogramm werden, die dem Jüdischen aus einer jüdischen Perspektive heraus öffentliche Präsenz verleihen sollte und wollte.

Für diese bildungspolitische, völkerverständigende und aufklärerische Arbeit wurde Rachel Salamander vielfach ausgezeichnet – von der Stadt München mit dem kulturellen Ehrenpreis, weil sie als Pionierin schon früh jüdische Akzente setzte. Weitere Aktivitäten folgten, so beispielsweise 2001 ein jüdischer Kulturkongress auf Schloss Elmau.

Rachel Salamander ist Ehrenbürgerin der Stadt München, hat viele Auszeichnungen erhalten, zweimal das Bundesverdienstkreuz, den Bayerischen Verdienstorden und vor Kurzem den Bayerischen Verfassungsorden in Gold. Zu den besonderen Auszeichnungen gehört der Heinrich-Heine-Preis.

Früh wusste Rachel Salamander, was es heißt, jüdisch zu sein.

Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft in der Münchner Kultusgemeinde schließt sich ein Kreis der Anerkennung.
In ihrer Dankesrede betonte die so Geehrte: »Ich bin der Präsidentin und dem Vorstand der IKG zutiefst dankbar, dass sie diesen Abend für mich ausrichten und mir in meiner jüdischen Gemeinde diese hohe Ehre zuteilwerden lassen.«

aktivitäten Es sei keineswegs selbstverständlich, öffentlich gehört, gar noch akzeptiert und bestätigt zu werden, so Rachel Salamander weiter. Über die Jahre hätten sie viele Menschen und Institutionen begleitet, ihre Aktivitäten mitgetragen. Deswegen gelte die Ehrung auch all jenen, die sich über Jahrzehnte für die Verwirklichung einer gemeinsamen Geschichte von Juden und Nichtjuden im Nachkriegsdeutschland eingesetzt haben.

Es gehe ihr in ihrer Arbeit stets sowohl um die Impulse zur Stärkung jüdischer Kultur nach innen als auch um ein Modell im Umgang von Juden und Nichtjuden. Und an Charlotte Knobloch gewandt, sagte sie: »Auch Ihre Laudationes haben mich in all den Jahren in meiner Arbeit immer bestärkt.«

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