Das Internet vergisst nichts. Auch mit dem »Recht auf Vergessenwerden«, sodass digitale Informationen mit einem Personenbezug nicht dauerhaft zur Verfügung stehen, ist es nicht weit her: Mit simplen Tricks lassen sich Seiten, die von Suchmaschinen nicht mehr angezeigt werden, trotzdem finden. Auf die Archivierung von Webseiten spezialisierte Sites machen es selbst absoluten Laien sehr einfach, Gelöschtes wiederzufinden.
Auch für jüdische Gemeinden ist die Sicherheit im Internet ein großes Thema geworden. Während viele Institutionen das Veröffentlichen von Bildern, persönlichen Daten von Mitarbeitern, Ehrenamtlichen und internen Informationen als Service für die interessierte Öffentlichkeit sehen, ist man in den Gemeinden vorsichtiger mit der Preisgabe von Daten. »Wir wägen genau ab, was wir im Internet veröffentlichen und was nicht«, berichtet Lars Neuberger, Vorstandsreferent der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs in Stuttgart.
Rundschreiben Interne Termine für Veranstaltungen werden in aller Regel nicht vorab online bekannt gemacht. »Als Information für unsere Mitglieder ist das auch nicht notwendig, denn sie erhalten ohnehin Rundschreiben, in denen wir auf unsere Veranstaltungen aufmerksam machen.«
Alle zwei Monate bekommen die Gemeindemitglieder und »besondere Freunde, zu denen auch Behörden gehören«, Post. »Das hat sich bewährt«, sagt Neuberger. Eine Reaktion auf die zunehmende Internetisierung und damit verbundene mögliche Sicherheitsrisiken sei diese Vorgehensweise allerdings nicht: »Wir haben das einfach immer so gemacht.«
Aber natürlich gebe es auch Ausnahmen: »In dem Maße, in dem sich eine Veranstaltung an die Öffentlichkeit wendet, publizieren wir die dazugehörigen Termine natürlich auch, ansonsten veröffentlichen wir, wenn es sich anbietet, hinterher einen Bericht« – mit Fotos, »aber wir verpixeln Bilder zum Beispiel interner Veranstaltungen, sodass keine Gesichter zu erkennen sind«.
Passwortzugang »Wir werden unseren Internetauftritt neu gestalten«, kündigt Friedrich Thull, Geschäftsführer der Aachener Gemeinde, an. Wie genau die Webpage dann aussehen werde, stehe noch nicht fest, »wir machen gerade Entwürfe«. Geplant sei aber auf jeden Fall ein geschützter Bereich, zu dem nur Mitglieder mit Passwort Zugang haben. Dazu soll es mehr öffentliche Informationen geben. Aachen ist eine internationale Studentenstadt, auf junge Juden, die zum Studium kommen oder in einem der Institute arbeiten, wirke die derzeitige Seite »eher altmodisch«, weiß Thull.
Generell wolle man mehr Service und Informationen bieten, zum Beispiel die Gottesdienstzeiten veröffentlichen und allgemein aktuellere Informationen bieten. »Anderes – wie beispielsweise unsere Historie – kann dagegen so bleiben, an der Geschichte ändert sich ja nichts.«
Fotos online zu stellen, sei dagegen »eine schwierigere Sache, wir leben im Grenzgebiet, in den Nachbarländern wie Belgien gibt es relativ starke rechtsorientierte Gruppierungen, und das müssen wir natürlich berücksichtigen«. Allgemein stehe man aber vermutlich nicht so im Fokus: »Wir sind nicht so stark in der Presse und in der Öffentlichkeit wie die größeren Gemeinden.« Eine kleine Gemeinde zu sein, führe allerdings auch dazu, dass man nicht auf Social Media setze und entsprechend nicht mit einer eigenen Seite auf Facebook vertreten sei: »Wir können das aus Kapazitätsgründen nicht, denn eine Facebook-Seite müsste man moderieren, und dazu braucht man internetaffine Leute, die sich darum kümmern und beispielsweise Hass-Postings möglichst zeitnah löschen. Diese Leute haben wir aber nicht.«
Gleichwohl beobachte man durchaus, was auf Facebook passiert, denn in der Vergangenheit »gab es immer mal wieder nicht von der Gemeinde autorisierte Gruppen, die eine vorgebliche Gemeindeseite erstellten. Um so etwas muss man sich heutzutage auf jeden Fall kümmern und dafür sorgen, dass sie wieder verschwindet.«
Das Sicherheitsbedürfnis von Juden sei allgemein gestiegen, hat auch der Geschäftsführer der Duisburger Gemeinde, Alexander Drehmann, festgestellt. »Wir haben immer wieder besorgte Anfragen von Mitgliedern, dass wir zum Beispiel keine Bilder ins Internet einstellen sollten – in letzter Zeit ist die Angst auch begründet.« Der Internetauftritt der Gemeinde soll bald neu gestaltet werden, dazu hole man sich durchaus auch Rat bei größeren Gemeinden, die schon Erfahrung haben, wie etwa der Düsseldorfer.
Beratung »Wir werden öfter von anderen Gemeinden um Rat gefragt. Zum Thema Sicherheit und beispielsweise Internet haben wir uns natürlich schon Gedanken gemacht und uns auch beraten lassen«, erklärt Jörg Lorenz, stellvertretender Verwaltungsdirektor der Gemeinde Düsseldorf.
»Interne Events werden nicht nach außen gegeben und auch nicht in der Gemeindezeitung veröffentlicht – im Unterschied zu öffentlichen Terminen wie dem Israel-Tag.« Handynummern oder private Kontaktdaten von Mitarbeitern und Mitgliedern gebe man grundsätzlich nicht heraus. »Wir sind sehr rigoros, wenn es um den Schutz privater Daten geht.«
Auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt denkt man über eine Umgestaltung der Webseite nach: »Eine Unterteilung in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil, zu dem Gemeindemitglieder nur nach einer Überprüfung und mit Passwort Zugang haben würden, böte den Vorteil, dass man wesentlich mehr Informationen rausgeben könnte.«
Generell empfiehlt er Gemeinden, die sich beim Thema Sicherheit und Internet Rat holen wollen, Kontakt zu den Landesverbänden zu suchen. »Dort ist die Kompetenz vorhanden.« Ganz wichtig sei es, sparsam mit Daten umzugehen, »und immer daran zu denken: Das Netz vergisst nichts, und dazu verbreitet sich alles in blitzartiger Geschwindigkeit«, mahnt Lorenz und verweist darauf, dass aus Unkenntnis begangene Fehler schnell teuer zu stehen kommen. »Die Persönlichkeits- und die Bildrechte müssen immer beachtet werden, und natürlich darf man nicht einfach ohne Erlaubnis fremde Texte auf die eigene Webseite stellen, wenn man keine Abmahnungen und hohe Strafhonorare riskieren möchte.«
Unliebsame Freunde »Wir haben genug Freunde, also Freunde in Anführungsstrichen, in der ganzen Welt, die interessiert wären, Sachen zu erfahren, die sie nichts angehen«, erklärt Lorenz und betont: »Das betrifft nicht nur jeden Juden, sondern auch jeden Webseitenbetreiber.«
Auch die Düsseldorfer Gemeinde hat bereits Erfahrungen mit Facebook-Usern gemacht, die offiziell wirkende Gemeinde-Pages erstellten. »Man muss so etwas im Auge behalten, was schon ein wenig ärgerlich ist, denn eigentlich hat man genug andere Sachen zu tun«, meint Lorenz.