Am 15. Dezember 1941 deportierten die Nationalsozialisten 1.001 Juden aus Hannover in die lettische Hauptstadt Riga. 1945 lebten noch 68 von ihnen. Sie gingen nach Argentinien, in die USA, nach Übersee, weit weg von Deutschland. Nur einer kam nach Hannover zurück, Helmut Fürst, der Vater des heutigen Vorsitzenden des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden in Niedersachsen, Michael Fürst.
Abneigung Die Überlebenden mieden lange ihr einstiges Heimatland, ja lehnten ab, überhaupt Deutsch zu sprechen, wie Henny Simon bekundet. Die Tochter eines hannoverschen Schlachtermeisters nannte ihr Buch denn auch Mein Herz friert, wenn ich Deutsch höre.
»Wir wollten nicht mehr in Deutschland leben«, sagt auch Lore Oppenheimer der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung anlässlich der Ausstellungseröffnung »Abgeschoben in den Tod« im Rathaus. Bis zum 27. Januar sind hier Fotos der Familien zu sehen, ist auf Stellwänden die Chronologie der Ereignisse erfasst.
Und trotz ihrer Abneigung sind vier hochbetagte Zeitzeuginnen gekommen. Auch Lore Oppenheimer, die 40 Jahre nicht über das gesprochen hat, was sie im Ghetto Riga erlebt hat. »Wir haben keine Worte dafür gefunden, das konnte man nicht beschreiben.«
Begegnung An dem Abend der Eröffnung erzählt die heute 85-Jährige dennoch. Ihr Wunsch: Wenn so etwas noch einmal passiert, dann hofft sie, dass die Jugend, der sie als Zeitzeugin berichtet hat, aufsteht und sich dagegen wehrt. Lore Oppenheimer dankte ausdrücklich ihrer Heimatstadt, dass sie diese Begegnung ermöglicht hat.
Denn entgegen jeder Annahme ist die Geschichte der braunen Zeit in Hannover nicht erforscht, die Gestapo- und SS-Leute, die die Deportation veranlassten und durchführten, sind nicht gefasst, geschweige denn zur Rechenschaft gezogen worden. Für die Zeitzeugen ist jedoch die Tatsache, dass ihre Deportation in Form der Ausstellung und einer wissenschaftlichen Analyse und Dokumentation ihrer Schicksale ins Blickfeld rückt, ein gutes Zeichen.
Der Katalog geht ausführlich auf die Abfolge der Deportation 1941 ein und sucht Antworten auf die Fragen, wer die Deportierten waren, wie die Züge aussahen, oder wo die Gestapoleitstellen waren.
Erinnerungskultur Neben den Themenschwerpunkten »Ausgrenzung und Entrechtung 1933 bis 1941« und »Tätergeschichte, Deportation und Tod 1941 bis 1945« beschäftigt sich die Dokumentation mit der Erinnerungskultur und mit Biografien. Eine Form dieses Gedenkens zeigt sich in dieser Ausstellung selbst und ist – wie die 200 Eröffnungsgäste durch ihr Interesse und die Zeitzeugen bekundeten – eindrucksvoll gelungen. Im Januar werden sich zwei Symposien mit dem Thema Erinnern und den speziellen Zugängen in bildungspolitischer Hinsicht auseinandersetzen.
www.hannover.de/data/meldungen/meld_lhh/2011/12_2011/riga.html