Homeoffice

Nützlich oder nervig?

Foto: Getty Images

Homeoffice? Deutschland galt da lange Zeit als rückständig. Mit dem Beginn der Pandemie änderte sich das, und mittlerweile haben Umfragen zufolge viele zunächst skeptische Chefs festgestellt, dass das Arbeiten von zu Hause aus durchaus eine Alternative sein kann.

Wie aber sieht es in den jüdischen Gemeinden aus? Die Jüdische Allgemeine hat nachgefragt. »Ich sitze gerade im Homeoffice«, sagt Elisabeth Schlesinger, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg. Remote zu arbeiten, sei »eine wunderbare Erleichterung«, findet sie, »natürlich ersetzt es nicht die Präsenz, aber es ist ein nützlicher Notbehelf«.

Insgesamt habe die Pandemie die Gemeinde in Sachen Digitalisierung und Kommunikation enorm vorangebracht. Von zu Hause aus hat Elisabeth Schlesinger Zugriff auf die Rechner der Gemeinde, »das macht vieles einfacher«.

Anfahrt Gleichwohl fahre sie nach wie vor fast täglich nach Oldenburg, die Möglichkeit des gelegentlichen Homeoffice mache sich trotzdem für sie positiv bemerkbar. »Ich wohne nämlich rund 50 Kilometer entfernt, jeder Besuch bedeutet also einen Zeitaufwand von rund zwei Stunden und natürlich auch entsprechende Benzinkosten.« Letztere stellt die ehrenamtlich Arbeitende der Gemeinde nicht in Rechnung, betont sie, »dass der Aufwand Früchte trägt, ist lohnend genug«.

Mit rund 300 Mitgliedern ist die Oldenburger Gemeinde relativ klein, »aber die Mitgliederzahl steigt, und außerdem haben wir einen festen Kern jüngerer Familien, die wiederum andere anziehen, das ist schon ein großer Vorteil«. Zum Beispiel bei der Anpassung des Gemeindealltags an die Pandemie-Regeln: »Im Moment sind wir zum dritten Mal aufgrund der hohen Inzidenzen in der Region in einer Phase, in der beispielsweise unsere Gottesdienste ausschließlich online besucht werden können. Anders geht es nicht, denn unser Gebetsraum ist sehr klein, angesichts der Abstandsregeln könnten nur ganz wenige Beter vor Ort sein.«

Damit alle teilnehmen können, seien die jüngeren und technikaffineren Mitglieder zu den Senioren gegangen, »sie haben ihnen dann gezeigt, wie man zum Beispiel Zoom benutzt«.

»Es ist ein nützlicher Notbehelf.«

Elisabeth Schlesinger, Oldenburg

Sobald es geht, werde der Gottesdienst aber wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden, sagt Elisabeth Schlesinger. Viele Angebote werde es dann wohl vor Ort, aber gleichzeitig auch online geben. »Wir haben einen großen Einzugsbereich, bis hin zu den ostfriesischen Inseln«, erklärt sie, »da konnten schon in normalen Zeiten nicht alle Mitglieder einfach mal nach Oldenburg kommen.«

Insgesamt findet sie, »dass man das Beste aus den Gegebenheiten machen muss, Jammern nutzt ja nichts. Und wir nutzen die Krise zum Beispiel auch, indem wir Dinge tun, zu denen wir normalerweise nicht gekommen wären«. Momentan werde eine Software auf die Bedürfnisse der Gemeinde zugeschnitten, »das ist jetzt sehr zeitaufwendig, weil man im ständigen Kontakt mit den Entwicklern stehen muss – aber wenn sie fertig ist, werden wir davon enorm profitieren«.

Schutz Anders sieht Leah Floh, Vorsitzende der Gemeinde in Mönchengladbach, die Sache mit dem Homeoffice. »Ich habe während der gesamten Pandemie insgesamt drei Tage lang von zu Hause aus gearbeitet«, sagt sie, »denn ab dem 18. Januar 2021 war die Gemeinde aufgrund eines Corona-Falls für eben diese drei Tage geschlossen«. Da sei es halt nicht anders gegangen, findet Leah Floh, aber »Homeoffice ist meiner Meinung nach wirklich nur für eine kurze Periode okay, und zwar immer dann, wenn es um den Schutz anderer oder um einen selbst geht. Das muss natürlich immer Vorrang haben«.

Aber eigentlich sei der persönliche Kontakt für Gemeinden doch essenziell: »Wir müssen, soweit es geht, mit den Menschen arbeiten, Gottesdienste durchführen, die Feiertage gemeinsam begehen.« Vieles lasse sich zwar per Computer organisieren, »aber gerade unter den älteren Mitgliedern fühlen sich doch eine Menge Leute einsam, und das müssen wir, wenn möglich, verhindern«.

»Für eine kurze Periode ist das Homeoffice okay.«

Leah floh, Mönchengladbach

Aktuell ist dafür die einzige Gemeinde-Mitarbeiterin Ina Misina zuständig, die Vollzeit im Homeoffice arbeitet. »Sie kümmert sich acht Stunden täglich telefonisch um unsere Alten, Kranken und natürlich vor allem um die 125 Schoa-Überlebenden«, berichtet Leah Floh. Und erfährt auf diese Weise nicht nur von alltäglichen Sorgen und Nöten, sondern manchmal auch von Notfällen.

anregungen »Dann werden wir sofort benachrichtigt und können unsererseits aktiv werden«, beschreibt Floh das System, »ansonsten bekommen wir lediglich einmal im Monat Berichte, damit wir zum Beispiel über Wünsche und Anregungen für die Gemeinde informiert sind.« Das klappe sehr gut, aber ganz ohne direkten Kontakt gehe es trotzdem nicht.

»Wir begleiten ja nach wie vor zu Arztterminen oder anderen Gelegenheiten, bei denen Unterstützung benötigt wird.« Außerdem werde in der Gemeinde nach wie vor auch geimpft, »und zwar alle, die das wollen, die Risikopatienten natürlich zuerst. Wir organisieren die Termine mit dem mobilen Impfteam hier in Mönchengladbach, und wenn es nötig ist, bieten wir auch einen Fahrdienst für die Impflinge«.

»Eine Gemeinde lebt vom persönlichen Kontakt.«

Daniel Neumann, Landesverband Hessen

Seiner Kenntnis nach werde das Homeoffice vor allem in den mittleren und kleinen hessischen Gemeinden nur eingeschränkt genutzt, sagt Daniel Neumann. »Diese Gemeinden«, führt der Direktor des Landesverbandes Hessen weiter aus, »kann man einfach nicht mit Großunternehmen vergleichen, in denen das Arbeiten von zu Hause aus gut funktioniert.«

angebote Sie seien vielmehr familiär, die Mitarbeiter »arbeiten gern für und mit Menschen, entsprechend wurden die Homeoffice-Angebote in der Praxis nur sehr schwer angenommen«. Und das sei auch nachvollziehbar: »Eine Gemeinde lebt vom persönlichen Kontakt der Menschen untereinander.«

Gerade in den nicht so großen Gemeinden sei es zudem auch nicht schwer gewesen, sich entsprechend den Corona-Schutzregeln zu verhalten: »Wenn man nur zwei Mitarbeiter hat, die zudem auch noch in unterschiedlichen Räumen sitzen können, ist das Arbeiten vor Ort problemlos möglich.«

Im Landesverband seien, sagt Daniel Neumann weiter, ohnehin viele Mitarbeiter »unterwegs im Außendienst – die Friedhofsbetreuer, die Rabbiner, die Religionslehrer findet man nur selten im Büro«.

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