Unerbittlich zählt die Uhr herunter. Am kommenden Samstag wird der Countdown auf www.emg2015.de genau auf 100 stehen. Hundert Tage sind es dann noch bis zum Beginn der European Maccabi Games (EMG 2015) in Berlin. »Die Zeit wird immer knapper«, sagt Oren Osterer, der Organisationschef der Spiele. Der frühere Basketballer sitzt mit seinem Team in einem Altbaubüro in Berlin-Kreuzberg.
»Gemütlich« hätten sie es hier, meint Osterer. So positiv, wie der 34-Jährige die Beengtheit mit mehreren Mitarbeitern, einem halben Dutzend Praktikantinnen und Bundesfreiwilligendienstleistenden in den zwei Büroräumen betrachtet, ist auch die Einstellung aller Beteiligten bei der Organisation der EMG. Trotz der Fülle der Aufgaben und der Kürze der Zeit bricht niemand in Hektik aus.
Praktikum So wie Naomi Josepovici. Die junge Frau stammt aus Frankfurt am Main. Sie ist für das Praktikum im EMG-Organisationsbüro nach Berlin gekommen. Danach wird die 18-Jährige in der Hauptstadt ein Studium des Medien-, Sport- und Eventmanagements aufnehmen. »Mir gefällt es super, super gut«, sagt sie.
»Wir tragen die Verantwortung für unsere Aufgaben und können unsere eigene Kreativität entfalten«, freut sich Naomi. »Wir werden dabei aber auch nicht alleine gelassen.« Lena van Hooven, die Pressechefin, stehe mit Rat und Tat zur Seite. Denn der Hauptaufgabenbereich von Naomi Josepovici liegt bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die EMG in den sozialen Medien: Facebook, Instagram, Twitter, YouTube – diverse Kanäle müssen aktualisiert werden.
Auch Seline Neuber unterstützt die Social-Media-Arbeit der EMG 2015. Sie kommt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Dresden und wollte mit dem Praktikum eigentlich nur ein paar Monate bis zum Beginn ihres Studiums überbrücken. Aber dann gefiel es ihr so gut, dass sie nun bis zum Abschluss der Maccabi Games im August bleiben will. Ein ganzes Jahr wird sie dann an der Organisation der Spiele beteiligt gewesen sein. »Es ist schon sehr motivierend, wenn man sieht, dass wir immer mehr Öffentlichkeit bekommen, große Zeitungen über die Spiele berichten oder die Anzahl der Facebook-Likes ständig ansteigt«, erzählt die 18-Jährige.
Während für Seline die European Maccabi Games absolutes Neuland sind, hat Naomi schon einmal selbst als Athletin daran teilgenommen: vor vier Jahren bei den letzten EMG in Wien und auch bei der Maccabiah vor zwei Jahren in Israel. »Ich war Abwehrspielerin beim Frauenfußball-Team«, erzählt sie. »Das war eine super Erfahrung.« Seline als Nichtjüdin hingegen hatte zuvor »noch nie etwas von den EMG gehört« – sie war vor allem beeindruckt von der Größe des geplanten Events.
Und die ist in der Tat beeindruckend. »Inzwischen erwarten wir etwa 2300 Teilnehmer aus 37 Ländern«, berichtet Oren Osterer. »Das Estrel-Hotel, in dem die Athleten untergebracht sein werden, stößt langsam an seine Grenzen.« Geplant waren einmal 2000 Teilnehmer, bei den letzten EMG 2011 in Wien waren es noch 1830 aus 28 Ländern. In 20 verschiedenen Sportarten werden 110 Entscheidungen fallen. Die meisten Wettbewerbe finden auf dem Olympiagelände statt, aber fünf Sportarten – wie etwa Tennis und Golf – auch an anderen Orten im Berliner Stadtgebiet.
Schirmherr Eines der Highlights steht schon jetzt fest: die Eröffnungsfeier der Spiele am 28. Juli in der Berliner Waldbühne. Hier wird Bundespräsident Joachim Gauck als Schirmherr die Veranstaltung eröffnen. Das Bühnenprogramm bestreiten unter anderem der amerikanisch-jüdische Reggaemusiker Matisyahu und der deutsch-muslimische Sänger Adel Tawil, die bereits im vergangenen Sommer eine gemeinsame Single veröffentlicht haben. Osterer hofft, dass die Waldbühne mit bis zu 15.000 Zuschauern gut gefüllt wird, um den Athleten, deren Familien und allen Zuschauern eine unvergessliche Eröffnungsfeier zu bieten. So eine große Feier gab es bei den EMG noch nie.
In vielen der 37 deutschen Makkabi-Ortsvereine herrscht schon Vorfreude auf die Spiele. Sowohl in den größeren Klubs, wie Frankfurt und München, die auch den Präsidenten und Vize-Präsidenten von Makkabi-Deutschland stellen, aber auch in kleineren Makkabi-Vereinen wie Duisburg. Immerhin ist man erstmals Gastgeber für die Athleten aus Europa, Israel und den USA.
Umso betrübter ist Organisationschef Osterer über die mangelnde Unterstützung aus der deutschen Wirtschaft. »Einen großen Anteil der Veranstaltungskosten bezahlen die Athleten mit ihrem Teilnahmebeitrag ohnehin selbst«, erklärt Osterer. Darüber hinaus unterstütze die Bundesregierung die Spiele finanziell, und auch das Land Berlin habe eine Beteiligung in Aussicht gestellt. Ebenfalls dankbar ist Osterer dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Berliner Landessportbund, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG).
Doch »ein wenig im Stich gelassen« fühlt er sich von den großen deutschen Wirtschaftsunternehmen. Dabei hatte der Organisationschef mit seinem Team ein Sponsoren-Konzept entwickelt. Die Firmen konnten sich aussuchen, ob sie Platin-, Gold-, Silber- oder Bronze-Sponsoren sein wollten. Große Unternehmen, deutsche Banken, Sportartikelhersteller, Fluglinien wurden angefragt. Doch von den Dax-30-Konzernen hätten bislang lediglich die Allianz AG und die Daimler AG Unterstützung zugesagt, berichtet Osterer.
Etat Deswegen musste der Etat des Großereignisses bereits von sieben auf fünf Millionen Euro heruntergefahren werden. Die Durchführung der Spiele sei nicht in Gefahr, betont Osterer. Es gehe eher um eine gewisse Würdigkeit. »Als ich selbst damals als Athlet an den EMG in Rom teilnahm, bekam ich während der gesamten Spiele keine einzige warme Mahlzeit«, erinnert sich der frühere Basketballer und räumt ein: »Durch solche Kleinigkeiten kann einem viel von der Freude genommen werden.«
Schon die Finanzierung der Eröffnungsfeier musste allein durch private Spenden sichergestellt werden, die bei einem eigenen Fundraising-Dinner eingeworben wurden. Doch noch hat Osterer die Hoffnung nicht aufgegeben, dass so mancher Firmenchef es sich noch einmal überlegt: »Schließlich sind die European Maccabi Games eine einzigartige Gelegenheit, sich auf einer internationalen Bühne positiv zu präsentieren.«