Strassburg

Niederlage im Steuerstreit

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat am 6. Juli 2017 eine Klage des Ehepaares Bluma und Alain P. gegen Deutschland als vorzeitig und damit als unzulässig abgewiesen (Gesuch Nr. 32745/17). Die Ehegatten hatten ihre Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main aus dem Jahr 2002/2003 angefochten und eine Verletzung von Artikel 9 (Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit) und Artikel 11 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention geltend gemacht. Im November 2016 hatten sie zudem Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben.

Die Straßburger Richter befanden, dass vor einer inhaltlichen Prüfung des vorgetragenen Sachverhalts zunächst die juristischen Instanzen in Deutschland ausgeschöpft werden müssen. Ein Entscheidungstermin des Bundesverfassungsgerichts ist aber derzeit noch nicht absehbar.

austritt Das Ehepaar, verheiratet nach jüdischem Ritus, gab beim Umzug aus Frankreich nach Frankfurt Anfang November 2002 beim Einwohnermeldeamt als Religionszugehörigkeit »mosaisch« an, woraufhin die Jüdische Gemeinde sie schriftlich als Mitglieder willkommen hieß. Die Ehefrau hatte – wie ihre Eltern – früher der Jüdischen Gemeinde Frankfurt angehört und nie ihren Austritt erklärt.

Die Ehegatten wandten ein, dass sie noch Gemeindemitglieder in Frankreich seien und sich als liberale Juden verstünden. Mit Wirkung zum 31. Oktober 2003 traten sie aus der Einheitsgemeinde aus. Diese erhob dennoch Steuern für ein Jahr, weil laut Satzung ein Widerspruch gegen die Mitgliedschaft innerhalb von drei Monaten schriftlich zu erklären war.

Das Ehepaar zog dagegen vor Gericht und verlor 2005 und 2009 in den ersten beiden Instanzen. Doch 2010 hatte es vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zunächst Erfolg. Dieses entschied am 23. September 2010, dass die Religionszugehörigkeit ohne ausdrückliche Willensbekundung keine Folgen haben dürfe.

verfassungsgericht Die Jüdische Gemeinde brachte den Fall daraufhin vor das Bundesverfassungsgericht, das am 17. Dezember 2014 einstimmig die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 2010 aufhob (2 BvR 278/11). Zum einen »vereinige« die Einheitsgemeinde Frankfurt nach der Satzung »Personen jüdischen Glaubens«, zum anderen sei »mosaisch« nicht ausschließlich als Zugehörigkeit zum liberalen Judentum zu interpretieren gewesen, entschieden die Karlsruher Richter. Der Wille, einer Religionsgemeinschaft anzugehören, könne in vielfältiger Weise zum Ausdruck gebracht werden. Angaben gegenüber Meldebehörden seien als Bekenntnisangabe und damit als voluntative Grundlage einer Mitgliedschaft geeignet.

Im September 2016 entschied das Bundesverwaltungsgericht im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 2014, wies aber auf Zweifel an der Vereinbarkeit des Urteils der Karlsruher Richter mit Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention hin. Laut diesem Urteil der Leipziger Richter müsste das Paar mehr als 114.000 Euro Gemeindesteuer nachzahlen (BVerwG 6 C 2.15).

Gegenstand des Rechtsstreits ist einerseits das Steuererhebungsrecht der Religionsgemeinschaften, andererseits die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit, die auch das Recht umfasst, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Ob nach der ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erneut Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht wird, bleibt abzuwarten.

München

Ein Gebäude von Worten

Die preisgekrönte israelische Dichterin Agi Mishol war zu Gast im Lyrik Kabinett

von Nora Niemann  03.12.2024

Gemeindebarometer

So geht es uns

Eine Umfrage des Zentralrats zeigt, wie sich Jüdinnen und Juden fühlen und was ihnen wichtiger geworden ist.

von Christine Schmitt  03.12.2024

Berlin

Anne Frank Zentrum feiert 30. Jubiläum

Anlässlich seines 30-jährigen Bestehens lädt das Anne Frank Zentrum in Berlin am Wochenende in die Ausstellung »Alles über Anne« ein. Der Eintritt ist frei

von Stefan Meetschen  02.12.2024

Berlin

Koscher übernachten

lan Oraizer renovierte eine Villa und baute sie zu einem Hotel um, das religiösen Standards genügt. Sein Haus ist auf Wochen ausgebucht. Ein Ortsbesuch

von Christine Schmitt  01.12.2024

Köln

Für die Zukunft der Kinder

Bei der WIZO-Gala konnten 529 neue Patenschaften gewonnen werden

von Ulrike Gräfin Hoensbroech  01.12.2024

Porträt der Woche

Angst lässt sich lindern

Lisa Strelkowa studiert Psychologie und macht ein Praktikum in einer Tagesklinik

von Brigitte Jähnigen  01.12.2024

Interview

»Damit ihr Schicksal nicht vergessen wird«

Die Schauspielerin Uschi Glas setzt sich für die Befreiung der israelischen Geiseln ein. Ein Gespräch über Menschlichkeit, Solidarität und Gegenwind

von Louis Lewitan  01.12.2024

Berlin

75 Jahre Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit

Am Sonntag wird gefeiert und auch ein neues Buch präsentiert

 30.11.2024

Potsdam

In der Tradition des liberalen deutschen Judentums

Die Nathan Peter Levinson Stiftung erinnerte an ihren Namensgeber

 28.11.2024