Berlin

»Nicht normal, aber sehr intensiv«

Am Donnerstag wurde die Ausstellung »Israelis & Deutsche« im Bundestag eröffnet. Es sei eine »sehr persönliche und emotionale« Schau, lobt Bundestagspräsident Norbert Lammert in seinem Grußwort die Wanderausstellung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG).

Die DIG würdigt darin jene Menschen, die sich »abseits der Schlagzeilen um die Überwindung der Sprachlosigkeit nach der Schoa sowie die Annäherung zwischen Deutschland und Israel« bemüht haben. Gleichzeitig richtet sie den Blick auf die heutige Generation junger engagierter Israelis und Deutscher.

Entlang eines Zeitstrahls zeichnet die Ausstellung die Höhen und Tiefen der deutsch-israelischen Beziehungen seit den 1950er-Jahren in den sechs Themenbereichen »Prolog, Kluft, Annäherung, Wegbereiter, Verbindungen und Schieflage« nach. Im Fokus stehen dabei vor allem zwischenmenschliche Begegnungen – genau dieser Ansatz macht die Schau so sehenswert. Denn dabei präsentiert sie teils unveröffentlichte Fotos, Texte und Briefe sowie exklusive Videointerviews mit deutschen und israelischen Brückenbauern beider Zivilgesellschaften jenseits der offiziellen Politik.

begegnungen So begegnet man etwa einer israelischen Verehrerin von Marlene Dietrich, die der Diva nach ihrem Konzert in Jerusalem 1966 einen Brief schrieb – auf Deutsch. Eigentlich habe sie ihre Muttersprache nie mehr benutzen wollen, schreibt die Frau, doch nach Dietrichs auf Hebräisch gesungenen Liedern habe sie ihren Vorsatz geändert.

Auf einer weiteren Stelltafel erfährt man von Felix Burian. Im Alter von 13 Jahren floh er aus Wien nach Palästina, 1960 eröffnete er in Tel Aviv die erste VW-Werkstatt –fünf Jahre, bevor Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufnahmen.

In seiner Eröffnungsrede beschrieb Bundestagspräsident Lammert die deutsch-israelischen Beziehungen mit einem Zitat des Schriftstellers Amos Oz als »nicht normal, aber sehr intensiv«. So solle es auch bleiben, unterstrich Lammert, denn die Erinnerung an die Schoa bleibe im Bewusstsein beider Länder »für immer fest verankert«.

aktualität Die Ausstellung zeige »die Bausteine der deutsch-israelischen Beziehungen in eindrucksvollen Momenten«, sagte der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Sie reflektiere den »weiten Weg von der Schoa bis zu den vertrauensvollen Beziehungen beider Länder heute«. Zugleich wies der Botschafter dabei auch auf die aktuelle Gewaltwelle palästinensischer Attentäter in Israel hin. Das gehöre an so einem Abend dazu, sagte Hadas-Handelsman. Was ihm derzeit fehle, sei »Solidarität mit Israel in dieser prekären Situation«.

Der scheidende DIG-Präsident Reinhold Robbe griff die mahnenden Worte des israelischen Botschafters auf. Denn Israel befinde sich seit seiner Staatsgründung 1948 im Ausnahmezustand. »Was für uns Deutsche eine Selbstverständlichkeit bedeutet, nämlich Nachbarstaaten, die alle unsere Freunde sind und von denen keine Gefahren ausgehen – diese Selbstverständlichkeit ist für die Menschen in Israel eine vollkommen fremde, ja utopisch abwegige Vision, an die kaum noch einer zu glauben vermag.«

Umso wichtiger sei die Pflege der deutsch-israelischen Beziehungen auf allen Ebenen. Für die DIG sei »diese Freundschaftsarbeit eine Lebensaufgabe«, sagte Robbe.

premiere Der Dialog zwischen Deutschen und Israelis wurde auch im Rahmen der Ausstellungseröffnung weitergeführt. So moderierte der Journalist Werner Sonne eine Gesprächsrunde mit der Kuratorin der Ausstellung, Alexandra Nocke, sowie Hagar Levin und Lukas Welz, zwei jungen Teilnehmern eines Freiwilligenprogramms aus Israel und Deutschland.

Zum Ausklang des Abends begleitete der Klarinettist Giora Feidman das deutsch-israelische Orchester »Spring in the Negev – Friends in Music« unter der Leitung von Justus Frantz mit einer Uraufführung. Der in Berlin lebende israelische Komponist Gilad Hochman hatte das Stück Suspended Reality eigens für die Eröffnung am Donnerstagabend komponiert.

Die Ausstellung wurde vom Auswärtigen Amt gefördert und ist anschließend in verschiedenen israelischen und deutschen Städten zu sehen.

»Israelis & Deutsche«, 16. Oktober bis 13. November, Deutscher Bundestag, Paul-Löbe-Haus, Platz der Republik 1
www.israelis-und-deutsche.de

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025

München

»Das ganz Andere fremder Welten«

Die Volkshochschule und das IKG-Kulturzentrum gedachten des 130. Geburtstags der Dichterin Gertrud Kolmar

von Helen Richter  05.01.2025

Feier

Dem Herzen folgen

Die IKG München und Oberbayern bedankt sich bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihr Engagement

von Luis Gruhler  05.01.2025