Reportage

»Nicht einschüchtern lassen«

Doron Bruck in Aktion (blaues Trikot) Foto: picture alliance / contrastphoto

Doron Bruck wäre jetzt eigentlich bei seiner Familie in Israel. Der Kapitän des jüdischen Fußballvereins Makkabi Berlin war auf dem Weg zu seinen Verwandten, als der Terrorangriff der islamistischen Hamas begann.

»Wir sind in der Türkei zwischengelandet. Ich habe dann mit meinen Eltern gesprochen und entschieden, dass ich im Krieg nicht helfen kann und bin zurückgeflogen«, berichtete Bruck nach dem Spiel im Berliner Landespokal am Sonntag.

Viele seiner Familienmitglieder sitzen im Bunker. Bruck versucht, sich auf den Fußball zu konzentrieren. »Um zu zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen«, sagte der 28-Jährige und nannte die zurückliegenden Tage einen »Alptraum«.

Der Angriff der Hamas auf Israel mit bislang über 1400 Toten und die harte israelische Reaktion im Gazastreifen haben auch den internationalen Sport in Israel stillgelegt. »Jetzt ist es rübergeschwappt und wirkt sich auf das Empfinden der jüdischen Sportler hier aus«, sagte Bruck.

Im Fokus

Die jüdischen Sportvereine in Deutschland stehen in diesen Tagen ganz besonders im Fokus. Der Dachverband Makkabi Deutschland warnte »eindringlich vor einem erneuten Anstieg des israelbezogenen Antisemitismus und Judenhasses in Deutschland und auf unseren Sportplätzen«. Insbesondere in den unteren Spielklassen sei in den vergangenen Jahren »eine neue Qualität von Aggressivität und Hass« zu beobachten gewesen.

Spielmacher Bruck spricht von einem unguten Gefühl, wenn er Videos von pro-palästinensischen Demonstrationen sieht, in denen Israel-Flaggen verbrannt werden. Oder wenn er Berichte liest, dass Wohnhäuser von Juden mit einem Davidstern markiert werden. »Angst ist der falsche Ratgeber, aber ich nehme die Situation sehr ernst.«

Bruck ist selbst Jude. Er wirkt gefasst, wenn er über die schlimmen Geschehnisse der letzten Tage spricht. Die Sorge vor einer ungewissen Zukunft ist ihm dennoch anzumerken. Dass sein Verein Makkabi Berlin den Spielbetrieb nicht eingestellt hat, bewertet der Kapitän als richtig. »Es ist schon mal vor 80 Jahren passiert, dass wir uns haben durch Antisemitismus verdrängen lassen. Wir sollten der Bevölkerung hier und in Israel zeigen, dass sich die Geschichte nicht wiederholen lässt.«

Andere Qualität

Auf den ersten Blick schien das Landespokalspiel gegen Berolina Stralau am Sonntag auch eine ganz normale Fußballpartie. Der Grillmeister verteilte Würstchen, die Fans tranken Bier und immer wieder schimpften Zuschauer über die Entscheidungen des Schiedsrichters. Doch zwei Polizeiwagen vor dem Eingang, Taschenkontrollen und die Schweigeminute vor dem Anpfiff verdeutlichten die Brisanz des Spiels.

»Man guckt schon nochmal ein bisschen mehr um sich, weil es eine andere Qualität hat, was gerade in Israel passiert. Deswegen bin ich auch hier in Deutschland alarmiert«, sagte Bruck mit Blick auf antisemitische Anfeindungen.

Auch andere jüdische Vereine in Deutschland spielten am Wochenende unter besonderen Voraussetzungen. Das Duell zwischen dem TuS Makkabi Köln und Ditib Chorweiler - dem Verein einer Moscheegemeinde aus dem Kölner Norden - verlief ohne besondere Zwischenfälle. Die Partie der Kreisliga D wurde als Vorsichtsmaßnahme aber von einem Schiedsrichtergespann anstatt von einem einzelnen Referee geleitet.

Im Gespräch

Die deutsche Nationalmannschaft hielt vor dem Länderspiel gegen die USA eine Schweigeminute ab, das empfiehlt die Deutsche Fußball Liga und der Deutsche Fußball-Bund auch für die Partien in den höchsten deutschen Ligen am nächsten Spieltag. Dennoch wünscht sich der Präsident von Makkabi Deutschland, Alon Meyer, deutlich mehr Solidarität - vor allem von den großen Verbänden wie dem DFB oder dem Deutschen Olympischen Sportbund.

Im Deutschlandfunk beklagte Meyer, dass bilaterale Gespräche nicht reichten. Vielmehr bedürfe es einer Task Force, um »Hass- und Hetzparolen« zu vermeiden.

Der DFB teilte auf Anfrage am mit, er verurteile »jeglichen Antisemitismus in Deutschland. Wir beobachten das Geschehen auf und neben den Sportplätzen und sind mit Makkabi Deutschland weiterhin im Gespräch.«

Wie Alltag

Wie gefährlich die Lage für jüdische Sportler in Deutschland aktuell ist, lässt sich schwer abschätzen. Meyer nannte sie »gefährlicher als sonst«. Er sieht die Gefährdungslage »vor allem im Fußballbereich, bei unterklassigen Mannschaften und A-, B-Jugendbereich, von Gegnern mit muslimisch-arabischem Hintergrund«.

Bruck rechnet daher damit, auch die nächsten Spiele mit Makkabi Berlin unter Polizeischutz zu bestreiten. »Ich glaube, es wird leider zur Normalität«, sagte der 28-Jährige, für den die Erfahrungen nicht neu sind. »Es ist fast wie Alltag für uns. Das gab es schon bei Spielen in meiner Kindheit oder in den letzten Jahren bei Makkabi Berlin«. Die Umstände machten ihm keine Angst. »Es ist ja so, dass man sich sehr schnell an Sachen im Alltag gewöhnt.«

Berlin

Wenn Hass real wird

Die Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich mit dem gesellschaftlichen Einfluss sozialer Medien

von Alicia Rust  23.12.2024

Interview

»Wir sind neugierig aufeinander«

Amnon Seelig über die erste Konferenz des Kantorenverbandes, Lampenfieber und das Projekt Call a Kantor

von Christine Schmitt  22.12.2024

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024

Chabad

Einweihung des größten Chanukka-Leuchters Europas in Berlin

Der Leuchter wird auf dem Pariser Platz in Berlin-Mitte vor dem Brandenburger Tor aufgebaut

 18.12.2024