Es war ein Projekt, das den Verantwortlichen in der Jüdischen Gemeinde Hamburg unter den Nägeln brannte. Lange gab es in der Hansestadt kein passendes Altersheim, trotz der wachsenden Zahl an Gemeindemitgliedern und damit auch einer größeren Anzahl von jüdischen Senioren. Der vor gut einem Jahr neu angetretene Vorstand hatte das Projekt ganz oben auf seine Prioritätenliste gesetzt. Seit vergangener Woche gibt es nun eine Lösung. Anstatt den langwierigen und schwer zu stemmenden Weg einer eigenen Einrichtung einzuschlagen, ist die Jüdische Gemeinde einen Kooperationsvertrag mit der Caritas eingegangen.
Sowohl die katholische Gemeinde als auch der Vorstand der jüdischen Gemeinde zeigen sich begeistert über dieses Pilotprojekt. »Bis vor etwa 15 Jahren gab es noch ein jüdisches Altersheim in Hamburg auf einem ehemaligen Gemeindegelände«, erzählt Ulrich Lohse aus dem Gemeindevorstand.
Verhandlung Doch dann seien Bestimmungen und Baurecht so kompliziert geworden, dass ein Umbau nicht machbar gewesen sei. »Das Kapital und das Know-how für ein eigenes Heim haben wir einfach nicht«, so Lohse. Doch der Wunsch nach einer guten Unterbringungsmöglichkeit blieb bestehen. Schließlich war es der koschere Schulcaterer, der den Vorstand auf die Idee brachte, die Caritas anzusprechen. Ein knappes Jahr hätten die Verhandlungen gedauert, die, so Lohse, »sehr angenehm und harmonisch« verlaufen seien.
Es ist ein bisher einmaliges Projekt, das dort im Norden Hamburgs entstehen wird. In einer grünen Parkanlage im Stadtteil Schnelsen steht das Bischof-Ketteler-Haus, in dem 100 Mitarbeiter sich um die Bedürfnisse älterer Menschen kümmern. Es wird betrieben von der »Caritas Hamburg – Wohnen und Soziale Dienstleistungen«, und bisher gibt es 33 seniorengerechte Wohnungen, die vom selbstständigen Wohnen bis hin zur umfassenden Pflege verschiedenste Stufen der Eigenständigkeit ermöglichen. Dort werden nun künftig auch die jüdischen Hamburger, die sich für einen Lebensabend in diesem Heim entscheiden, unterkommen.
Anpassung Auf längere Sicht könnten vertragsgemäß bis zu vier Wohngruppen gegründet werden, von denen jede zwölf jüdische Bewohner und Bewohnerinnen beherbergen kann. Für diese Wohngruppen wird das Leben im Altersheim entsprechend angepasst, das heißt, es wird koschere Mahlzeiten geben, und jüdische Bräuche und Rituale werden ihren festen Platz im Leben der Bewohner haben. Einmal in der Woche wird ein Vertreter des Gemeinderabbinats im Bischof-Ketteler-Haus zu Gast sein, zudem sind sogar bauliche Änderungen geplant, die eine Nutzung unter Einhaltung des Schabbats ermöglichen. Beispielsweise Wärmeplatten für Speisen oder die Abschaltung der Bewegungsmelder an den automatischen Türen.
Ab dem 1. August könnten die Wohngruppen bereits bezogen werden, bisher hat die Gemeinde bereits zweimal Gruppen mit Interessenten zu Besichtigungsterminen eingeladen und auch benachbarte Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein angeschrieben.
»Ab der ersten Anmeldung geht es los«, sagt Lohse, der immer wieder die offene und kooperative Zusammenarbeit mit der Caritas lobt. »Wir hoffen dann, dass es schnell wächst und wir eine komplette Wohngruppe belegen können.« Schließlich sei auch in Hamburg die zunehmende Überalterung der Gemeinden ein Problem, etwa die Hälfte der Mitglieder sei über 60, ein Viertel habe die 80 Jahre schon überschritten.