Das Fazit war überwältigend: »Das macht Hoffnung für ein gutes Zusammenleben«, lautete einer der Kommentare am Ende der Veranstaltung, »ein inspirierendes Event und Gespräch« oder »Dank und Bewunderung an die jungen engagierten Menschen, die alle auf ihre Weise einen nachhaltigen Beitrag für den Erhalt demokratischer Werte in unserer Gesellschaft leisten«.
Mit ihrer pandemiebedingten Verschiebung der eigentlich für 2020 geplanten Abschlussveranstaltung zum 100-jährigen Bestehen der Women’s International Zionist Organization (WIZO) sowie zum Auftakt in das neue Jahr unter dem Motto »Mut« hat die WIZO Deutschland sich beeindruckend zu Wort gemeldet.
Nicole Faktor, die Präsidentin der WIZO Deutschland, ist mehr als zufrieden: »Ein guter Start ins neue Jahr mit einer qualitativ hochwertigen Veranstaltung ist gelungen. Es freut uns, dass wir damit auch einen neuen Kreis von Interessentinnen und Interessenten gewinnen konnten, das spornt uns an und ermutigt uns.«
Engagement Ermutigung und Mut waren Begriffe, die sich durch diesen Abend ebenso wie ein roter Faden zogen wie der Begriff des Empowerments, genauer des Frauen-Empowerments – also das Bemühen, bürgerschaftliches Engagement zu verfestigen und die Mündigkeit sowie Kompetenzen und Stärken von Frauen zu fördern. »Mutig sein … Damals wie heute« lautete der programmatische Titel der Gesprächsrunde im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main, die auf unterhaltsame und eindringliche Weise einen weiten Bogen von 100 Jahren spannte.
Mutig, das waren jene Frauen, die 1920 in Großbritannien die WIZO gründeten, die seit 1949 ihren Hauptsitz in Israel hat. Mutig waren jene Männer und Frauen, denen das Museum in der kürzlich beendeten Ausstellung Unser Mut eine bewegende Würdigung widmete. Auf einem kurzen virtuellen Rundgang schritt die Moderatorin und Schauspielerin Susan Sideropoulos mit Museumsdirektorin Mirjam Wenzel einige Stationen der Schau ab, die einen Einblick in die Vielfalt jüdischer Erfahrungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus einer europäischen, transnationalen Perspektive gab.
Wenzel erinnerte dabei an die vielen Leistungen jüdischer Emigranten und Emigrantinnen und betonte deren »Gestaltungswillen zum Weiterleben«. Mut zeigte auch jene Frau, von der die zugeschaltete Vorsitzende der WIZO Israel, Ora Korazim, berichtete: Einer von häuslicher Gewalt gezeichneten jungen Frau gelang es, ermutigt durch die soziale Betreuung von WIZO, sich gegen eine erneute Attacke ihres Mannes zu wehren und die Polizei zu rufen. Die Spenden des Abends gehen an die »Safety Net«-Zentren in Israel für Opfer häuslicher Gewalt.
Empowerment Das gemeinsame Empowerment für Frauen zeichnet die WIZO aus. Die nach eigenen Angaben weltweit größte Frauenorganisation mit rund 250.000 Mitgliedern ist weltweit in 50 Föderationen aktiv. Diese unterstützen etwa 800 Projekte, die die WIZO in Israel insbesondere für benachteiligte und sozial schwache Frauen und Kinder betreibt.
Die seit 1960 bestehende deutsche Sektion konzentriert sich aktuell auf die Unterstützung von 15 Projekten. Mittlerweile sind auch spezifische Angebote und Hotlines für Männer ein fester Bestandteil der vielfältigen karitativen Arbeit.
WIZO hat jetzt auch spezifische Angebote und Hotlines für Männer.
»Das Empowerment der Frauen ist über all die Jahre stärker geworden«, betont Nicole Faktor und weist darauf hin, dass die Sozialarbeit oft auch auf das Ziel gerichtet ist, die Karrieren von Frauen zu befördern oder Frauenrechte zu stärken – unabhängig von Religion und Herkunft. Zukünftig werde zwar ein besonderer Fokus auf die Stärkung von Frauen aus Randgruppen gelegt. Aber, so hebt Faktor hervor: »Wir wollen in Zusammenarbeit mit der Regierung Israels die gesamte Bandbreite der israelischen Gesellschaft bedienen.«
Befähigung »Ich bewundere dieses Engagement, das aus dem Herzen kommt«, äußerte anerkennend Podiumsteilnehmerin Dalia Grinfeld und fügte hinzu: »Es geht darum, Menschen zu einer Haltung zu befähigen, sie in ihren Überzeugungen zu festigen.«
Das zeichnet Grinfeld auch selbst aus: Das Gründungsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) arbeitet heute als stellvertretende Direktorin für Europäische Angelegenheiten bei der Anti-Defamation League (ADL), deren Aufgabe es ist, die Diffamierung von Juden zu stoppen, Gerechtigkeit und faire Behandlung sicherzustellen und jüdische Gemeinschaften in ihrer politischen Arbeit zu unterstützen.
»Wir wollen dabei aber nicht nur über uns und unsere Realität sprechen, sondern über den Tellerrand hinaussehen und dabei unser reales jüdisches Leben in all seiner Komplexität leben.« Aus ihrer Sicht ließen sich durch Engagement solch nachhaltige Koalitionen für die Gesellschaft bilden, bei denen es wirkliche Solidarität gebe und gelebt werde.
Die heutige Generation lebt in einer großen Diversität, sagt Laura Cazés
Laura Cazés, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Digitalisierung bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), wies darauf hin, dass die heutige Generation in einer großen Diversität lebt: »Wir haben beispielsweise die dritte Generation nach der Schoa, wir haben zudem die von der ehemaligen Sowjetunion geprägten Menschen und deren Nachkommen.«
Gerade weil alle Teil der demokratischen Gesellschaft seien und einen Anspruch haben, diese mitzugestalten, komme es darauf an, »Formen der Sprachfähigkeit« zu finden, die dazu beitragen, die Perspektiven auf die Gesellschaft und die verschiedenen Erfahrungen einzubringen. »Denn nicht jeder und jede kann die eigenen Erfahrungen und Ansprüche verbalisieren.«
Netzwerke Schließlich setze der Einsatz dafür, dass sich jüdisches Leben ungeschützter entfalten könne, Kräfte frei. »Das erfordert oftmals Mut, bereichert dadurch jüdische Gemeinschaften ebenso wie auch die demokratische Gemeinschaft.« Aus ihrer Sicht komme es darauf an, das Jüdischsein sagen zu können oder Menschen zu ermutigen, sich zu dieser Haltung zu bekennen, ohne dabei jene Schwere oder ein Anecken zu spüren, das oftmals damit erfahrbar werde.
Das Empowerment in dieser Hinsicht entstehe aus ihrer Erfahrung insbesondere durch das Knüpfen von Netzwerken im privaten sowie beruflichen Bereich.
»Anecken ist in unserer Gesellschaft und in unseren Diskussionen wohl unvermeidbar«, stellte Michael Okrob fest. Der Geschäftsführer der »zfoundation«, einer Plattform, die Projekte fördert, um Chancengleichheit zu erreichen, damit vor allem junge Menschen unabhängig von ihrer Herkunft ihre eigenen Stärken erkennen und ermutigt werden, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, betonte: »Auch der Widerspruch erfordert Mut, und wer Widerspruch sucht oder wagt, setzt sich mit dem Gegenüber auseinander.«
vernunft Das sei aus seiner Sicht ein relevanter Ansatz, der zeigen könne, auf dem richtigen Weg zu sein und ernst genommen zu werden. »Es ist wichtiger denn je, für die eigene Überzeugung einzustehen. Mut und Vernunft gehören dabei zusammen.«
Eine Aussage, die auch für die WIZO kennzeichnend ist. Seit über 100 Jahren steht die Frauenorganisation erfolgreich für ihre Überzeugungen ein und geht mutig in das neue Jahr.