Zum ewigen Gedenken. Die heiligen Bücher in diesem Grab zeugen vom Tod jüdischer Menschen als Opfer des Nationalsozialismus. Die heiligen Bücher berichten von den Millionen Männern, Frauen und Kindern, ermordet in Ghettos, Konzentrationslagern und Massenerschießungen. Nie werden wir die Kämpfer gegen die Gewaltherrschaft im Zweiten Weltkrieg vergessen.»
Diese Sätze sind in den Gedenkstein graviert, den die Jüdische Gemeinde im Lande Bremen am Sonntag auf dem neuen jüdischen Friedhof an der Beckfeldstraße im Stadtteil Riensberg eingeweiht hat. Eigens aus diesem Anlass kam Shlomo Moshe Amar, den Gemeindevorsitzende Elvira Noa als Oberrabbiner von Israel und Jerusalem begrüßte.
Alliierte Nach drei Davidsternen folgt der Text auf Russisch. Denn der Gedenkstein soll auch an die jüdischen Soldaten erinnern, die im Zweiten Weltkrieg in den alliierten Verbänden, vor allem in der Sowjetarmee, gegen Mord und Terror des deutschen NS-Regimes gekämpft haben. So sprach auch ein russischer Zuwanderer, der vor Jahren als Kontingentflüchtling nach Deutschland gekommen war, voll Trauer in der Stimme das Seelengebet für die jüdischen Soldaten, bevor Oberrabbiner Shlomo Moshe Amar das Kaddisch sprach.
Mehr als 1,5 Millionen Juden aus vielen Nationen haben im Zweiten Weltkrieg gegen Nazideutschland gekämpft, 25.000 jüdische Soldaten sind gefallen. «Viele von ihnen haben sich in einem doppelten Kampf befunden, zum einen gegen Nazideutschland, zum anderen gegen den Antisemitismus, beispielsweise in der sowjetischen Armee. Aber die Juden haben sich nach langer Zeit auch endlich wieder kämpferisch gezeigt», sagte der israelische Politiker Roni Avisar, in seiner Ansprache vor mehr als 300 Gästen in der Trauerkapelle des neuen jüdischen Friedhofs.
Mit den Gemeindemitgliedern und Bremens Landesrabbiner Netanel Teitelbaum nahmen auch Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky, Bremens Alt-Bürgermeister Henning Scherf und Christian Weber, Präsident der Bremer Bürgerschaft, an der Feier auf dem neuen jüdischen Friedhof teil.
Elvira Noa erinnerte an die Vertreibung, Demütigung und Ermordung der Bremer Jüdinnen und Juden. 1933 zählte die Israelitische Gemeinde Bremen 13.114 Mitglieder. 440 Bremer Juden verschleppten die NS-Schergen im November 1941 in die Ghettos Minsk und Riga. 1942 deportierten sie 114 jüdische Bremer in die KZ Auschwitz und Theresienstadt und ermordeten sie. 165 Juden zwängten sie ins Arbeitslager Bremen Farge, und noch im Februar 1945 deportierten die Nazis 90 Bremer Juden ins Konzentrationslager Theresienstadt. Bis 1939 konnten 930 jüdische Bremer in die USA, Niederlande, nach Großbritannien und ins britische Mandatsgebiet Palästina emigrieren.
Neugründung Doch am 16. August 1945 gründete sich bereits wieder eine Israelitische Gemeinde in der Hansestadt an der Weser. Am 3. August 1961 konnten die 150 Mitglieder eine neue Synagoge an der Schwachhauser Heerstraße eröffnen und nennen sich seitdem Jüdische Gemeinde im Lande Bremen. 2004, nachdem viele Jüdinnen und Juden aus den ehemaligen Ländern der Sowjetunion als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren –, hatte die Gemeinde 1200 Mitglieder.
«Die russischen Juden brachten auch ihre Erinnerungen mit, es sind traurige Erinnerungen, die nie vergessen werden, die weitergegeben werden an die Kinder und Enkel, und auch deshalb ist unser Gedenkstein wichtig, denn jetzt haben die Erinnerungen einen Ort», sagte Elvira Noa. «Die Einweihung des Gedenksteins ist ein bewegender Anlass auf diesem neuen jüdischen Friedhof. Möge er nie geschändet werden», sagte Christian Weber und verwies damit auf die Schändung des alten Friedhofs am
3. August 2010, bei der zwölf Grabsteine beschädigt wurden.
Pogromnacht Der Präsident der Bürgerschaft erinnerte auch an die Ermordung von fünf jüdischen Bürgern in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 und daran, dass die Nationalsozialisten 178 jüdische Männer in einem langen Marsch ins Zuchthaus Oslebshausen getrieben hatten. Die Bremer hatten dabei zugeschaut, geschwiegen und sogar Beifall geklatscht.
Die Männer wurden weiter ins KZ Oranienburg, dann ins KZ Sachsenhausen deportiert. Unter den fünf in der Pogromnacht Ermordeten war auch das Ehepaar Martha und Adolph Goldberg, die auf dem stillgelegten jüdischen Friedhof Lesum neben Ritterhude begraben liegen. Die beiden wurden am Morgen des 10. November in ihrem Haus von der SA erschossen.
Der wieder offen aufkeimende Antisemitismus bildete das Grundthema aller Reden. «Das Denkmal ist nicht nur für die Toten, es ist auch für das Leben, es ist ein Mahnmal für uns alle, wachsam zu bleiben», sagte der Präsident der Bremer Bürgerschaft. Für das Denkmal hatte Gemeindemitglied Nisson Faizulaev unermüdlich Spenden gesammelt.
«Es ist nicht möglich, das Leid der Schoa zu ermessen, und je mehr wir forschen, desto mehr entfernen sich die Erkenntnisse von unserem Verstand», sagte Shlomo Moshe Amar. Ein Mensch, der einen Kopf und ein Herz habe, könne die Tiefe und Weite dieser Katastrophe nicht ermessen, die das jüdische Volk erleiden musste. Dass es jetzt aber wieder Antisemitismus gebe, sei wie ein böser Traum. «Die Wirklichkeit zeigt, dass es viele Menschen gibt, die Juden hassen, nur, weil sie Juden sind. Sie haben die Lehren nicht gelernt», sagte Amar.
Der Oberrabbiner ging auch auf den Krieg in Syrien ein, und kritisierte, dass die ganze Welt dem Morden zusehe. Wieder einmal. «Wenn wir aus der Schoa lernen wollen, müssen wir endlich aufwachen», forderte Amar. Es gelte für jeden, der ein Gewissen habe, aufzustehen und gegen den Hass anzugehen.