Wenn es auf allen Etagen des Stuttgarter Gemeindehauses singt und klingt, dann präsentieren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene einer fachkundigen Jury wieder, wie viel ihnen die Musik bedeutet. Am 18. und 25. Juni fand zum 17. Mal der Internationale Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb in der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) statt.
Unter dem Motto »So gut klingt Zukunft!« hatten sich 74 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemeldet, die im Gemeindesaal auftraten. Die Preisverleihung findet am 2. Juli statt. In verschiedenen Kategorien wurden zahlreiche erste Plätze vergeben.
ENSEMBLE Mehr Ensembles als in den vergangenen Jahren waren in die baden-württembergische Landeshauptstadt gekommen: Klavierduos, ein Trompetenquintett, Streicherduos und -quartette, ein Trio zweier Akkordeons und Klavier. Valerie Anz (Querflöte), Emily Kalislamova (Fagott) und Luise Kierspel (Oboe) trafen sich vor dem Wettbewerb viermal in der Woche, um ihr Programm mit Werken von Giuseppe Cambini, Konstantinos Sifakis, Anyssa Morris und George Gershwin zu verfeinern.
Nicht so einfach, wenn viele Kilometer zwischen den Wohnorten liegen. Doch der Spaß am Musizieren dominiert. Die Ensemblemitglieder müssen gut aufeinander hören. »Das übt sich, es ist, wie wenn man in einer Kleingruppe nebeneinander läuft«, sagt Luise Kierspel. Und diese Übung sei auch für das solistische Spiel gut.
Mit den Söhnen Fredrik, Elias und Endrick hat Familie Schmidt gleich drei talentierte Pianisten. Neben den anspruchsvollen Solodarbietungen mit Duovorträgen kam zuweilen sogar Kaffeehausstimmung auf. Dann trat Oskar Verbov ins Rampenlicht des Gemeindesaals. Der Zehnjährige hatte schon erfolgreich an anderen Musikwettbewerben teilgenommen; die Jury des Internationalen Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerbs 2023 sah den Pianisten zum ersten Mal.
»Ob ein Kind Talent hat, hört man schon mit dem ersten Ton.«
Margarita Volkova-Mendzelevskaya
Nach einer gefühlvollen Interpretation der Wiener Sonate von Wolfgang Amadeus Mozart präsentierte Oskar die »Hommage an Tschaikowsky« des zeitgenössischen Komponisten György Kurtág, ein betont dissonantes und voluminöses Klangwerk, das der Komponist einst als Parodie in die Musikwelt brachte.
Margarita Volkova-Mendzelevskaya, Initiatorin, künstlerische Leiterin des Wettbewerbs und zugleich Jurymitglied, sagt: »Ob ein Kind Talent hat, hört man eigentlich schon mit dem ersten Ton.« Doch bei einer Fülle an Talenten kostet es die Jurymitglieder viel Energie, die jeweils mindestens 15-minütigen Vorträge konzentriert zu verfolgen und später in langen Abendsitzungen die Preisträger zu ermitteln. Mit Preisträger-Fonds und Förder- und Sonderpreisen ist der Internationale Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb inzwischen gut aufgestellt. Doch um junge Talente zu fördern – und das ist das Hauptanliegen des zweitägigen Musikmarathons –, dafür reichen die Mittel nie.
NAMENSGEBER Karl Adler sel. A. (1890–1973), der Namensgeber des Musikwettbewerbs, war eine wichtige Persönlichkeit im jüdischen Kulturleben Württembergs. 1890 in Buttenhausen in einer schwäbischen Landjudenfamilie geboren, genoss er eine Lehrer- und Kantorenausbildung und studierte am Konservatorium in Stuttgart Gesang. 1921 wurde er Leiter des Neuen Konservatoriums für Musik. Diese Einrichtung verfolgte in der Erwachsenenbildung vor allem, deutsche Juden durch Kulturveranstaltungen, Vorträge und Diskussionen an ihre religiösen Quellen zu führen.
1933 verlor Adler seine Stelle am Konservatorium. Er gründete die Stuttgarter Jüdische Kunstgemeinschaft. 1940 wanderte er in die USA aus. Maßgeblich war er an der Einrichtung der Musikabteilung an der Yeshiva-Universität in New York beteiligt. Karl Adler starb 1973 in New York.
Adler gründete auch die Stuttgarter Jüdische Kunstgemeinschaft.
35 Jahre später wurde in New York Maor Sivan geboren. 15 weitere Jahre später ist Maor beim 17. Internationalen Karl-Adler-Jugendmusikwettbewerb dabei, wo er die Jury besonders auf sich aufmerksam macht. Und er, der mit Frédéric Chopins Ballade in f-moll Nr. 4 genauso brilliert wie mit Johann Sebastian Bachs »Contrapunktus« aus der Kunst der Fuge sowie einer eigenen Improvisation des ersten Satzes von Beethovens Klaviersonate Nr. 17, gibt sich dennoch bescheiden, wenn er nach seiner musikalischen Zukunft gefragt wird.
»Ich bin nicht einer, der so früh entscheidet«, sagt er. Vielleicht auch deshalb, weil in der Familie alle musizieren und Maors Bruder Zohar (Violoncello) und seine Schwester Noga (Violine) ebenfalls am Stuttgarter Wettbewerb teilnehmen. Die Familie lebt mittlerweile in Stuttgart.
Das Preisträgerkonzert und die Preisverleihung finden am 2. Juli um 15 Uhr im großen Saal der IRGW statt, das Preisträgerkonzert im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen am 12. November (14 Uhr).