In Ulm ist am Sonntag die neue Synagoge und zugleich das Gemeindezentrum der Israelitischen Religionsgemeinschaft eröffnet worden. Neben Bundespräsident Joachim Gauck nahmen der Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann, und Bundesbildungsministerin Annette Schavan an der Feier teil. Dabei sagte Gauck: »Ich möchte mit Ihnen ein neues Miteinander feiern, das trotz der Schatten der unsäglichen Vergangenheit einfach existiert.« Er freue sich, dass Juden wieder in diesem Land leben und beten und sie nach »all diesem himmelschreienden Unrecht wieder in Deutschland Heimat gefunden haben«. Der Bundespräsident betonte, die Eröffnung des jüdischen Gotteshauses sei »ein Zeichen, weit über diesen Ort hinaus«.
Beschneidungsdebatte In seiner Rede nahm Gauck auch auf die aktuelle Situation Bezug: Er wisse, dass in den vergangenen Monaten wieder Sorgen und Ängste aufgekommen seien, ob jüdisches Leben in Deutschland überhaupt noch möglich sei. Anlass seien Angriffe auf Juden gewesen, aber auch die Beschneidungsdebatte, »die sehr schnell Töne bekam, die auch mich erschreckt haben«.
Dabei seien antisemitische und antimuslimische Einstellungen sichtbar geworden. Zwar müsse eine säkulare Gesellschaft Debatten über Religionsfreiheit und über religiöse Bräuche führen, so Gauck, doch dürfe nicht vergessen werden, welche Verbrechen begangen worden sind, als dem Glauben dessen Existenzberechtigung abgesprochen wurde.
Von judenfeindlichen Beiträgen zur Beschneidungsdebatte »in jeder Dimension und Schärfe« sprach auch Dieter Graumann. »Diese Beiträge haben meine schlimmsten Albträume übertroffen«, so der Präsident des Zentralrats der Juden. Umso mehr sei der Tag, an dem mit der Eröffnung und Einweihung der Ulmer Synagoge ein neues Licht des Judentums entzündet werde, ein Bekenntnis zur Zukunft. »Wir wollen unser Judentum nicht im Hinterzimmer leben, die Synagoge ist ein pulsierender Ort, das Judentum eine Kraftquelle besonderer Art«, so Graumann. Auch wenn es nicht alle Rabbiner gern hörten, modernes Judentum sei flirrende, temperamentvolle Kommunikation, je lauter, desto besser. Die düstere Vergangenheit sei trotzdem nicht vergessen. »Die Schoa ist immer in unseren Herzen«, betonte Graumann.
gebäude Zur Eröffnung der neuen Synagoge am Weinhof gab es einen feierlichen Zug mit den Torarollen durch die Innenstadt. Anschließend brachte Rabbiner Shneur Trebnik die Mesusa am Eingang des Gebäudes an, ein Band zum Synagogenraum wurde zerschnitten, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Barbara Traub, begrüßte die rund 300 Gäste.
Der 17 Meter hohe quaderförmige Neubau beherbergt einen Gebetsraum mit Platz für 125 Beter, einen Versammlungssaal, Schul- und Verwaltungsräume, einen Kindergarten sowie eine Mikwe. Damit kehrte die jüdische Gemeinde in Ulm nach 74 Jahren wieder an ihren angestammten Platz zurück. Der neue Standort befindet sich gegenüber der Stelle, an welcher sich die alte Synagoge befand, die 1938 in der Pogromnacht zerstört wurde. (ja, Brigitte Jähnigen)
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