Berlin

Neue Gedenkstätte für NS-Opfer in Berlin

Klaus Leutner setzte sich für die Gedenkstätte auf dem Friedhof Altglienicke ein. Foto: imago images/tagesspiegel

»Marian Adamczyk 4.1.1922 - 11.12.1940« hebt es sich hell auf einer dunkelgrünen Glaswand ab. Es ist eine von rund 1370 Inschriften, die auf dem Städtischen Friedhof Altglienicke in Treptow-Köpenick nun an dort bestattete Opfer der Nationalsozialisten erinnern. Am kommenden Montag wird die Gedenkstätte feierlich eingeweiht.

URNEN In der Hauptstadt ist es der jüngste unter den vielen Gedenkorten für die Verbrechen des NS-Regimes. Er befindet sich bei einem Massengrab von Menschen vieler Nationalitäten und Glaubensrichtungen, deren sterblichen Überreste ab 1940 unter anderem im Treptower Krematorium eingeäschert wurden. Sie stammten von Häftlingen aus den Konzentrationslagern Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen, zudem waren es »Euthanasie«-Opfer aus den Tötungsanstalten Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Pirna-Sonnenstein sowie Regimegegner, die in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurden.

Knapp zwei Drittel von ihnen waren Deutsche und ein Drittel Polen, weitere aus der damaligen Sowjetunion und Tschechoslowakei. Es waren Juden sowie Sinti und Roma, Zwangsarbeiter und behinderte Menschen. Bei den deutschen Opfern waren die Urnen von Verwandten nicht angefordert worden, oder es gab keine Angehörigen. Urnen ausländischer Opfer durften auf Anordnung der NS-Behörden nicht in ihr Heimatland überstellt werden.

INITIATIVE Nach Kriegsende fristete das Grabfeld im Südosten der Stadt buchstäblich eine Randexistenz, nur ein Gedenkstein aus DDR-Zeiten erinnerte pauschal an die dort ruhenden »Antifaschisten«. Das sollte sich erst mit dem pensionierten Eisenbahn-Ingenieur Klaus Leutner ändern.

Im Jahr 2004 entdeckte er die fast vergessene Grabstätte und machte sich gemeinsam mit Pawel Wozniak von der polnischsprachigen katholischen Kirchengemeinde in Berlin für ein würdigeres Gedenken stark. So erinnerte bereits vor fünf Jahren eine Feier an die 18 polnischen Priester, die nach ihrem Tod im KZ Sachsenhausen auf dem Friedhof beigesetzt wurden.

Doch auch die anderen Opfer sollten soweit möglich nicht mehr anonym bleiben. Ende 2018 lobten die Senatsverwaltungen für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie für Stadtentwicklung und Wohnen einen Wettbewerb zur Neugestaltung aus, den die Künstlerin Katharina Struber und der Architekt Klaus Gruber (beide Wien) gewannen. Von ihnen stammt das Konzept der grünen, L-förmigen Glaswand, die bei der nun bepflanzten Grabstätte steht. Zudem ist auf einem Streifen aus Baubronze um das Grabfeld auf Polnisch, Deutsch und Englisch zu lesen, wo die Bestatteten ermordet wurden.

BETEILIGUNG Noch ungewöhnlicher ist die breite gesellschaftliche Beteiligung an der Ausführung des Projekts. Allein am 27. Januar 2020, dem Holocaust-Gedenktag, kamen 895 Menschen ins Rathaus Köpenick, um die Lebensdaten jeweils eines Toten per Hand aufzuschreiben und ihn damit ganz persönlich in Erinnerung zu rufen. Bei der Aktion war dies auch für alle anderen Opfer der Fall. Auf technischem Wege wurden diese Aufzeichnungen dann in Reih‹ und Glied auf die Glaswand übertragen.

Am kommenden Montag wird die Gedenkstätte feierlich eingeweiht. Es beginnt um 12 Uhr mit einem Festakt und interreligiösen Ritus auf dem Friedhof. Dazu werden Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD), der Rabbiner Andreas Nachama, der katholische Erzbischof Heiner Koch und der evangelische Landesbischof Christian Stäblein erwartet.

Bei einem einmaligen Akt soll es aber nicht bleiben, wie Pfarrer Lutz Nehk betont. Der Beauftragte für Erinnerungskultur und Gedenkstättenarbeit im Erzbistum Berlin tritt dafür ein, dass die Kirchen den Ort auf Dauer in ihr Gemeindeleben und ihre Gedenkkultur für die NS-Opfer einbeziehen.

Berlin

Hommage an Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024