»Wir wollen stärker dazu übergehen, dass wir das Helle, das Lebendige im Judentum zeigen«, sagt Elisabeth Fuckel. Sie ist für das Themenjahr »Jüdisches Leben in Thüringen« bei der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung angestellt, das mit dem Jahr 5781 am 1. Oktober beginnt. Diese Absicht findet große Zustimmung sowohl in der Thüringer Staatskanzlei, die dafür Gelder bereitstellt, als auch bei der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen in Erfurt.
Die ist nun in der Lage, eine zusätzliche Stelle zu besetzen – mit dem international agierenden Klezmer-Geiger Johannes Paul Gräßer als Projektmanager. »Ich denke, wir sollten jüdisches Leben unter anderen Aspekten als bisher gewohnt beschreiben«, sagt Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde. Längst reiche es nicht mehr aus, Judentum aus der Sicht des Holocaust zu zeigen, so notwendig das natürlich auch künftig sei.
Festakt Die Pläne für das Themenjahr sind beeindruckend. Schon der feierliche Festakt, bei dem Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, den Festvortrag halten wird, zeigt die Bedeutung des Jahres für Thüringen. Das kleine Land, in dem die drei großen jüdischen Festivals, der Yiddish Summer Weimar, die ACHAVA-Festspiele und die Thüringer Tage der jüdisch-israelischen Kultur, fest etabliert sind, bietet ein Konzert der Extraklasse.
Es widmet sich dem jüdischen musikalischen Erbe. Die neun Jahrhunderte jüdischer Musikgeschichte werden jiddische Musik aus der Barockzeit, Synagogalmusik aus dem 19. Jahrhundert, jüdische Kunstmusik Thüringer Komponisten aus dem 20. Jahrhundert vor der Schoa sowie heutige Klezmermusik vereinen.
Der Musikprofessor Jascha Nemtsov übernimmt die künstlerische Leitung zum Programmpunkt: 900 Jahre jüdische Musikgeschichte.
Ermöglichen wird das Jascha Nemtsov, Professor für Musikwissenschaft am Lehrstuhl für die Geschichte der jüdischen Musik der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Er übernimmt die künstlerische Leitung. Auch Alan Bern, künstlerischer Leiter des Yiddish Summer Weimar, wird dabei sein.
Kinderstadtführer Bereits begonnen hat die Erarbeitung eines jüdischen Kinderstadtführers. Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren erarbeiten gemeinsam mit Franziska Bracharz als Kinderstadtführerin und Julia Kluge als Illustratorin ein 54 Seiten umfassendes Magazin für die 34 Grundschulen der Landeshauptstadt Erfurt. Die Kinder der Stadtführer-Redaktion gehören unterschiedlichen Konfessionen an. Fachlich beraten werden sie von der Historikerin Claudia Bergmann.
»Wir möchten, dass die Kinder sagen, was sie an jüdischem Leben interessiert«, sagt Elisabeth Fuckel. Denn der geplante Stadtführer soll eine Grundlage für den Lehrplan der dritten und vierten Klassen bilden, in dem erstes Wissen über das Judentum festgeschrieben ist – und das möglichst spannend. Am 1. Oktober soll der Stadtführer bereits in den Schulen verwendet werden.
Für Jugendliche wird ein Musterprojekt gestartet, in dem vor allem für das Netz Informationen vorbereitet werden. Kooperationspartnerin ist Sarah Borowik-Frank, jüdische Filmemacherin und Theaterfrau aus Konstanz. Sie wird mit Jugendlichen einer Erfurter Schule zusammenarbeiten und während einer Projektwoche deren Filme und Clips produzieren, die die Sicht der Heranwachsenden auf das Judentum zeigen. Jugendliche werden auf diese Weise von Konsumenten zu Produzenten. Das Projekt findet im September statt und ist so konzipiert, dass Schulen in ganz Thüringen es als Grundlage für eigene Recherchen zu jüdischem Leben in ihrer Region nutzen können. Es wird auf der projekteigenen Plattform »Youpedia Thüringen« zu sehen sein.
schatzsuche Auch die Vorbereitung des Themenjahres »900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen« wurde von Corona ausgebremst. Viele Schulen wollten Forschungsprojekte über jüdisches Leben in der eigenen Region starten. »Jetzt herrscht bei den Lehrerinnen und Lehrern die Sorge, dass ein weiterer Lockdown kommt«, sagt Elisabeth Fuckel. Sie setzt auf das neue Schuljahr.
Geplant sind die Entwicklung einer App als eine Art Schatzsuche zu jüdischem Leben, ein Theaterstück über die in Eisenach geborene Frau von Rabbiner Schalom ben Chorin, Erika Fackenheim, der Bau einer Laubhütte auf dem Schulhof sowie eine Menora-Website.
Den Abschluss des Themenjahres wird die feierliche Übergabe der neuen Tora bilden.
Den Abschluss des Themenjahres wird die feierliche Übergabe der neuen Tora bilden. Die evangelische Kirche Mitteldeutschlands und das Bistum Erfurt haben im vergangenen Jahr eine Tora in Auftrag gegeben. Der Sofer Rabbiner Reuven Yaacobov hat bereits im vergangenen Jahr mit dem Schreiben begonnen.
Das Gelingen des Themenjahres soll ein Kuratorium gewährleisten, zu dem neben Reinhard Schramm Vertreter der Kirchen, der Universität Erfurt, Künstler wie der Schauspieler Dominique Horwitz und der Musiker Jascha Nemtsov sowie Experten gehören. Eine von ihnen ist Maria Stürzebecher, UNESCO-Beauftragte der Stadt. Erfurt gibt im kommenden Jahr die Bewerbung um die Aufnahme für das Weltkulturerbe ab.