Freiburg

Nach 14 Jahren vollendet

Zurzeit sind Torarollen in Freiburg ein großes Thema: Mitte November hatte die Israelitische Gemeinde eine restaurierte Torarolle eingebracht, einen Monat später empfing Chabad eine neue Sefer. Und auch diese ist etwas ganz Besonderes. Besonders war aber auch, dass der fröhlich-mitreißende Umzug zum Einstand der Torarolle zum neuen Zentrum führte, das mit dem Fest ebenfalls feierlich eröffnet wurde.

Ein größerer Kontrast ist an einem verregneten Sonntagnachmittag kaum vorstellbar: Erst liegt der Freiburger Münsterplatz still, verlassen und fast menschenleer da. Dann öffnen sich die Türen des Historischen Kaufhauses, in das Chabad zur Einweihung ihrer neuen Tora geladen hatte. Mit zahlreichen jungen Männern schwappt plötzlich jede Menge Musik und gute Stimmung nach draußen. Als sich irgendwann ein Auto mit Musikanlage an die Spitze des Zuges setzt, gibt es kein Halten mehr: Immer mehr Menschen tanzen mit, auch einige der Gäste. Alle zusammen ziehen zum neuen Zentrum.

Erfolgsgeschichte Dass es diese Räume gibt, ist die zweite Erfolgsgeschichte, die an diesem Tag gefeiert wird. Bisher konnten sich die rund 90 Beter nur bei Yakov Gitler und seiner Familie zu Hause treffen. Der junge Rabbiner kam vor vier Jahren nach Freiburg und hat dort neben der Israelitischen Gemeinde und der liberalen Chawurah Gescher eine dritte jüdische Gemeinschaft gegründet.

Vor dem Umzug steht er im Historischen Kaufhaus am Mikrofon, kurz fehlen ihm die Worte. »Ich bin jetzt sehr emotional«, sagt er. Dann aber erzählt er von einer Gruppe Studierender, die von New York nach Israel reisten. Einer der Studenten begegnete einem weinenden Paar am Grab seines Sohnes. Er sei mit 20 Jahren als Soldat getötet worden, erzählte die Mutter. Sie habe sich so sehr gewünscht, bei der Hochzeit ihres Sohnes mit ihm zu tanzen.

Die Studenten sammelten Geld für eine Torarolle in Erinnerung an einen getöteten jungen Soldaten.

Die Studierenden sammelten Geld für eine Torarolle – und als bei ihrer Einweihung alle zusammen tanzten, kam es der Mutter vor, als wäre ihr Sohn mit dabei gewesen.

Anschlag »Als ich das hörte, wurde mir die Stärke der Torarolle bewusst«, sagt Yakov Gitler. Das gilt besonders auch für die neue Torarolle, die jetzt Chabad Freiburg gehört. Bei der Barmizwa eines Jungen, dessen Vater bei einem Anschlag in Israel getötet wurde, entstand die Idee, eine Torarolle allen zu widmen, die bei Terroranschlägen ums Leben kamen oder Angehörige verloren haben.

Der Sofer, der die 304.805 Buchstaben mit einer Feder und Tinte auf Pergament schrieb, beteiligte überlebende Opfer und Angehörige, die beim Schreiben neben ihm saßen, teils schrieb er auch an Orten von Terroranschlägen. So kam es, dass diese besondere Torarolle 14 Jahre bis zur Vollendung brauchte.

Zur Einweihung ist der Sofer aus Israel angereist. Rabbiner Menachem Kutner sitzt vorne am Tisch, und als alle aufgerufen werden, die etwas für die Torarolle gespendet haben, setzen sie sich kurz einzeln neben ihn, während er einen Buchstaben schreibt.

Mitglieder Auch Vorstandsmitglied Eli Kligler ist dabei. Er freut sich über die Feier: »Es ist schön, dass man sehen kann, dass Freiburg keine judenfreie Stadt ist!« Durch das Fest führt Samuel K., der Student, dem vor wenigen Wochen in einem Fitnesscenter bei einem antisemitischen Angriff die Kippa vom Kopf gerissen wurde. Er gehört der orthodoxen Gemeinschaft an, so wie etliche andere Studierende.

Unter den Gästen waren Rabbiner aus vielen Städten, darüber hinaus aus Frankreich und der Schweiz.

Unter den rund 200 Gästen sind Rabbiner aus vielen Städten, ebenso aus Frankreich und der Schweiz. Auch der Holocaust-Überlebende Felix Rottberger, der zu fast allen jüdischen Veranstaltungen kommt, und Mitglieder der beiden anderen jüdischen Gemeinden in Freiburg sind ebenfalls erschienen. Bei der Einweihung einer Torarolle sollen alle Grenzen fallen, betont Yakov Gitler – er träumt von einem gemeinsamen Ort für Freiburgs Juden.

Weil es den nicht gibt, freuen sich die Chabad-Mitglieder, dass sie nun das Zentrum haben. Die Adresse wird nicht öffentlich genannt – dazu habe die Polizei geraten, sagt Yakov Gitler.

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