München

Mythos und Ikone

So viel »Kafka« gab es noch nie, obgleich der promovierte Versicherungsangestellte Franz Kafka als die literarische Stimme des 20. Jahrhunderts schlechthin gilt. 2024 wird er zum 100. Todestag gründlich gefeiert mit Blick auf sein Leben, seine Liebeleien, Freundschaften (von denen die mit Max Brod besonders wichtig werden sollte, weil man ihr den Erhalt seines Werkes verdankt), seine Krankheiten, seine Beziehung zum Vater, zur Weltgeschichte, zu Prag. In Form von Buchvorstellungen, Filmen, Ausstellungen inklusive der Darstellung seiner bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten drei Schwestern.

Die Münchner Volkshochschule, die auf Postern und Postkarten Kafka-Aphorismen in der Stadt verbreitete, und das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern wählten die Vortragsform für ihre elfte Zwiesprache, die aus dem Jahresprojekt von 2021 über »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« stammt und erfolgreich weitergeführt wird. Eingeladen war der Kafka-Spezialist Reiner Stach. Er sprach über »Franz Kafkas Identitäten« und setzte seinen Ausführungen dessen vielschichtiges Zitat »Was habe ich mit Juden gemeinsam?« voran.

Vater Kafka pflegte alle möglichen Anpassungsstrategien.

Vater Kafka pflegte alle möglichen Anpassungsstrategien, um sein Galanteriegeschäft unbeeinträchtigt von den Spannungen der deutsch-nichtdeutschen, antijüdischen Kreise in Prag führen zu können. Das Geschäft war samstags stets geöffnet, die Einladung zur Barmizwa des Sohnes lief unter der Bezeichnung »Konfirmation«. Bei der Wahl seiner denkbaren Lebenspartnerinnen kam es dem Vater nicht auf deren Jüdischsein an, sondern auf ihre Mitgift.

Etwas sein, nämlich jüdisch, ohne tiefere Verbundenheit, irritierte den Sohn zutiefst. Vermutlich gerade deshalb befasste er sich, im Bewusstsein seines eigenen Außenseitertums, intensiv damit. Der Auftritt einer ostjüdischen Theatergruppe aus Lemberg 1911 in Prag, den seine dem Zionismus verbundenen Freunde als Klamauk abtaten, begeisterte Kafka so sehr, dass er keine Vorstellung mehr ausließ. Ab 1916 lernte er sogar Hebräisch. Träumte mit seiner letzten Liebe Dora Diamant, die aus orthodox-jüdischem Haus stammte, davon, nach Palästina auszuwandern und ein Café zu eröffnen.

Kafkas Assimilationsparodie – ein Affe wird zum Menschen umerzogen, sodass er am Ende weder das eine noch das andere ist –, so erläuterte Stach, könne als jüdische Emanzipations-Assimilationsgeschichte gelesen werden. Max Brod kons­tatierte über den Freund: »Obwohl in seinen Werken niemals das Wort ›Jude‹ vorkommt, gehören sie zu den jüdischsten Dokumenten unserer Zeit.«

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025

Justiz

Vorbild und Zionist

Eine neue Gedenktafel erinnert an den Richter Joseph Schäler, der bis 1943 stellvertretender IKG-Vorsitzender war

von Luis Gruhler  18.02.2025

Emanzipation

»Die neu erlangte Freiheit währte nur kurz«

Im Münchner Wirtschaftsreferat ist eine Ausstellung über »Jüdische Juristinnen« zu sehen

von Luis Gruhler  18.02.2025

Portät der Woche

Magische Momente

German Nemirovski lehrt Informatik und erforscht den Einsatz Künstlicher Intelligenz

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.02.2025