Mara Mednik

Musik als Lebensaufgabe

Zwei Pianistinnen: Mara Mednik und ihre Tochter Elisaveta Blumina, die nun ein Buch über das Leben ihrer Mutter schreiben möchte. Foto: Privat

Ich habe Mara Mednik kennengelernt, als ich beim Wettbewerb der Deutschen Stiftung Musikleben vorgespielt habe. Damals war ich Student in München, und es war ein schönes Erlebnis, mit ihr zu musizieren. Ihre Musikalität und Hilfe waren wunderbar. Mara war immer sehr nett zu mir und hat mich eingeladen, nach dem Wettbewerb ein paar Soloabende mit ihr zu spielen. Ein wichtiger Schritt für mich, als ich am Anfang meiner Karriere war», so beschreibt der amtierende Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Noah Bendix-Balgley, die Pianistin.

«Mara ist eine wunderbare Pianistin und Musikerin mit einem sehr großen Repertoire. Sie vermag, aus einer Prüfung wirklich ein Konzert zu machen. Es ist wunderbar, mit ihr zu arbeiten!», meint Kolja Blacher, ehemaliger Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, Geiger und Hochschulprofessor in Berlin. «Ich schulde Mara ganz herzlichen Dank für all ihre Zeit, Fürsorge und ihr Engagement für junge, aufstrebende Künstler», fasst die norwegische Geigerin Vilde Frang ihre Zeit mit Mara Mednik zusammen.

Das Rampenlicht hat Mara in ihrer aktiven Zeit anderen Musikern überlassen.

Elisaveta Blumina zeigt zufrieden auf die vielen Briefe, die bei ihr eingegangen sind. Sie möchte ein Buch über ihre Mutter Mara Mednik herausgeben. Deshalb hat sie Musiker weltweit angesprochen, die mit Mara zusammen auf den Konzert- und Wettbewerbsbühnen standen, mit der Bitte, ein paar Sätze über ihre Zusammenarbeit zu schreiben. Es gebe heute kaum ein großes Orchester, in dem nicht auch ihre Schützlinge sitzen. Und kaum eine Hochschule, an der nicht einer ihrer ehemaligen Studenten als Professor tätig ist.

Das Rampenlicht hat Mara in ihrer aktiven Zeit anderen Musikern überlassen, saß bei Konzerten stets bescheiden am Flügel, fühlte sich in die Solisten ein und begleitete sie dementsprechend. «Wenn die Musiker nicht zusammenspielen, hat immer der Pianist Schuld», sagt die ehemalige Professorin für Korrepetition und Kammermusik, die in Hamburg, Berlin und Rostock lehrte. «Man muss zusammen atmen, das ist das Geheimnis», so ihr Credo.

Nun hat die über 80-Jährige ihre Wohnung in Hamburg aufgegeben und ist nach Berlin gezogen, um näher bei ihrer Tochter und deren Familie zu leben. «Sie ist immer noch eine begeisterte Pianistin», sagt Blumina. Und eine großartige Pädagogin. Zwar unterrichtet sie heute nicht mehr, liebt es aber, mit ihren Enkelsöhnen Werke einzustudieren und einfach gemeinsam die Musik zu genießen.

Ohne Klavier geht es in ihrem Leben nicht. Schon als Zweijährige habe sie angefangen, sich für das Instrument zu interessieren, sagt Mara Mednik. Ihre Mutter, die aus der Ukraine stammte, wollte Opernsängerin werden, aber als die Pianistin ihres Geige spielenden Bruders während des Konzerts auf der Bühne ermordet wurde, floh die Familie vor den Pogromen nach Leningrad. «Meine Großmutter hatte eine phänomenale Stimme, wurde aber Erzieherin, als der Krieg begann», so Blumina.

Mit fünf saß sie als Solistin im großen Saal der Philharmonie und spielte Chopin.

Die Familie überlebte die Leningrader Blockade. Mit ihren beiden Töchtern Mara und Vera wohnten die Eltern in einem einzigen Zimmer in einer großen Wohnung in Leningrad, in der 70 Leute zusammenlebten. «Mara galt als Wunderkind mit absolutem Gehör und einem enormen Willen. Das Klavier war wie ein Magnet für sie. Meine Großmutter war fest davon überzeugt, meine Mutter sei ein Genie. Sie kaufte ihr einen Flügel und schützte sie vor allen Nachbarn, die in der Wohnung lebten», sagt Blumina.

Schon im Alter von zwei Jahren versuchte Mara, stehend an der Tastatur, ihren Onkel, der Violine spielte, am Klavier zu begleiten. Mit fünf saß sie als Solistin im großen Saal der Philharmonie und spielte Chopin. Mit sieben wurde sie an einer Spezialschule für Musik aufgenommen. Später studierte sie am Leningrader Konservatorium und absolvierte das Konzertexamen mit Auszeichnung in Nischni Nowgorod bei Berta Marants, die eine Schülerin des legendären Heinrich Neuhaus war.

Nach dem Studium wollte Mara Mednik ihre Karriere als Solistin starten, «der Wunschtraum eines jeden Pianisten», wie sie sagt. Erst einmal blieb sie aber als Korrepetitorin in einer Violinklasse des Konservatoriums. «›Möchtest du irgendwann mal in der Carnegie Hall spielen?‹, fragte mich der Geigen-Professor. ›Als Solistin wirst du große Konkurrenz haben, als Begleiterin gibt es kaum jemanden wie dich. Geh in diese Richtung!‹», erzählt Mara Mednik.

Genau das wurde ihr Leben. Nicht im Mittelpunkt stehen, sondern im Hintergrund agieren. Das entspreche ihrem Naturell, denn sie beschreibt sich selbst als eher schüchtern. «Ich mochte nie in der Kantine sitzen, um mit den anderen zu essen oder mich zu unterhalten. Ich hatte immer das Gefühl, ich verliere Zeit, müsse aber üben», sagt sie. Sie habe sich lieber auf die Stunden vorbereitet, denn es wäre ihr peinlich gewesen, nur eine einzige falsche Note zu spielen.

Nachdem sie sich für das Begleiten und für die Kammermusik entschieden hatte, wurde sie innerhalb weniger Jahre zu einer bekannten Ensemblepartnerin in der ehemaligen Sowjetunion. Sie gewann etliche Preise für die beste Klavierbegleitung bei nationalen und internationalen Violinwettbewerben. Am Leningrader Konservatorium erhielt sie eine Professur für Korrepetition und Kammermusik. Ihrer Tochter, die eigentlich Geige spielen wollte, sagte sie: «Eine Geige ist teuer, aber ein Flügel ist ja schon da. Also spiel Klavier!». Als die Pianistin und Malerin Elisaveta Blumina in den 90er-Jahren dann ein Musik-Stipendium in Hamburg bekam, entschied sich Mara Mednik, ebenfalls von St. Petersburg nach Deutschland zu emigrieren.

Da sie am Anfang keine Wohnung hatte, zog sie für einen Monat zu ihrer Tochter ins Studentenwohnheim – sie lebten zu zweit auf neun Quadratmetern. «Da haben wir uns immer abgewechselt, wer im Bett oder auf den Kissen auf dem Boden, die nachts immer auseinandergingen, schlafen darf.» Doch dann erhielt Mara Mednik eine Anstellung an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater und konnte eine eigene Wohnung beziehen.

Um näher bei ihrer Tochter zu sein, zog Mara nach Berlin.

Mehr als 25 Jahre begleitete Mednik in Deutschland Geiger, Cellisten und Bratscher. Sie gründete eine Reihe von Hauskonzerten für junge Musiker, damit diese die Möglichkeit hatten, Auftrittserfahrungen zu sammeln und vielleicht auch ein Taschengeld zu verdienen. Ab 1995 war sie für Jahrzehnte die offizielle Pianistin des Wettbewerbs des Deutschen Musikinstrumentenfonds (Deutsche Stiftung Musikleben) und wirkte bei internationalen Violin- und Cellowettbewerben.

Mara Medniks Ehemann Wladimir Blumin, Flugzeug- und Weltraumingenieur, war mit nur 48 Jahren gestorben.

Auf diese Weise begleitete sie etliche heute weltbekannte Solisten, die sie nicht nur musikalisch großgezogen hatte: Sie kochte für sie, übte mit ihnen in ihrer Wohnung, begleitete sie auf ihren Fahrten zu Wettbewerben und unterstützte sie, wo immer sie nur konnte. Unter ihnen auch Vilde Frang. Sie arbeitete intensiv mit Mara und schrieb ihr oft. «Am Anfang noch ›Liebe Frau Mednik‹, später ›Liebe Mara‹», sagt Elisaveta Blumina. Boris Pergamenschikov, Professor für Cello, holte Mara Mednik an die Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.

Mit 65 Jahren ging Mednik in Hamburg in Rente. Sie bekam einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik und Theater Rostock, denn ohne Klavier und Unterrichten ging es nicht. Das passte gut, da in Rostock auch ihr Lebensgefährte, der Althistoriker Professor Rainer Bernhardt, unterrichtete. Heute spielt sie gern solistische Stücke von Chopin und Schubert. Musik bleibt ihre Lebensaufgabe.

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