Es sind nicht viele Menschen, die sich zu den Spielen der TSG Hoffenheim verirren. Zumindest nicht zu denen der zweiten Mannschaft, die U23 genannt wird, weil sie ein Sprungbrett für die jungen Talente Anfang 20 sein soll, die oft nur noch einen klitzekleinen Schritt brauchen, um bei den Profis mitspielen zu können. Ilay Elmkies ist eines dieser Talente, die im September im Heimspiel gegen den FC Homburg 08 aufgelaufen sind.
Der Unterschied zwischen beiden Mannschaften fällt sofort ins Auge: in Blau der Hoffenheimer Nachwuchs, jugendliche Gesichter, schmale Körper, technisch bestens ausgebildet, um vielleicht irgendwann den Sprung in die eigene Bundesliga-Mannschaft zu schaffen. In Grün der Traditionsverein, der möglichst schnell in die Dritte Liga aufsteigen will. Die Saarländer scheinen im Durchschnitt fünf Jahre älter zu sein und es auf fünf Kilo mehr an Muskelmasse zu bringen.
Bei den Blauen spielt Elmkies 90 Minuten lang durch, die 0:1-Niederlage kann aber auch er nicht verhindern. Für den 19-jährigen Israeli, der bis zum Sommer noch bei der U19 spielte, sind die Spiele in der Regionalliga Südwest dennoch ein großer Fortschritt – ein Schritt näher zu seinem nächsten Ziel: »Mein großer Traum«, sagt er, »ist es, in der Bundesliga für Hoffenheim zu spielen.«
BALLSICHER Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, obwohl Elmkies der einzige Nachwuchsspieler war, den Proficoach Alfred Schreuder im Sommer mit ins Trainingslager der Profis nahm. »Ilay ist ballsicher, beweglich und kreativ, er muss sich aber noch körperlich entwickeln. Es fehlt noch an Robustheit«, sagt sein Trainer Marco Wildersinn. Hin und wieder, hört man in seinem Umfeld, ist der 19-Jährige auch noch zu unbekümmert. Auf dem Platz wie außerhalb.
Dass er ein Riesentalent ist, bestreitet niemand. Statt vor 270 Zuschauern wie jetzt gegen Homburg will Elmkies möglichst bald vor 100-mal so vielen Fans im großen Stadion an der Autobahn spielen. Die »PreZero«-Arena liegt in der Gemeinde Sinsheim. Und damit dort, wo der in Naharija geborene israelische U-21-Nationalspieler wohnt, seit er vor fünf Jahren erstmals deutschen Boden betrat.
Durch seinen Lehrer erfuhr Elmkies vom Schicksal der beiden Brüder Manfred und Heinz Mayer.
2014, fast noch im Pubertätsalter, zog er zusammen mit seinem Vater David in den deutschen Südwesten. Ilay trainierte nach wenigen Wochen beim örtlichen SV Sinsheim schon bei der TSG mit, bei einer der besten Ausbildungsadressen im deutschen Fußball, wo mit Millionenaufwand versucht wird, möglichst auch Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in die erste Mannschaft zu bekommen. Wer ein fußballerisches Ausnahmetalent ist und fachlich hervorragende Trainer und den modernsten logistischen Standard sucht, findet ihn hier.
Elmkies schaffte zudem in der Sinsheimer Albert-Schweitzer-Schule den Realschulabschluss. Was niemanden wundert, der sich mit dem eloquenten 19-Jährigen in fließendem Deutsch unterhält.
GESCHICHTSLEHRER Sein Geschichtslehrer, Michael Heitz, war es auch, der den Teenager mit dem Schicksal der Hoffenheimer Juden vertraut machte, die im Dritten Reich verfolgt und umgebracht wurden. Daran beteiligt war auch der Vater des Hoffenheimer Gönners Dietmar Hopp, eine örtliche SA-Größe. Irgendwann fragte Heitz den wissbegierigen Jungfußballer, ob er sich vorstellen könne, an einem Filmprojekt mitzuarbeiten, das das Geschichtsinstitut Centropa zusammen mit der von Hopp finanzierten Stiftung »Anpfiff ins Leben« konzipiere.
Elmkies sagte sofort zu und wurde Sprecher und Darsteller in dem Kurzfilm Zahor – Erinnere dich. Durch seinen Lehrer erfuhr Elmkies vom Schicksal der beiden Brüder Manfred und Heinz Mayer, deren Eltern erst nach Gurs in Südfrankreich deportiert und später in Auschwitz ermordet wurden. Die beiden Söhne überlebten in einem Versteck und emigrierten nach Israel, wo sie sich in Menachem und Fred umbenannten.
Der Film wurde in einer deutschen, einer englischen und einer hebräischen Version produziert. Elmkies selbst betonte in mehreren Interviews, er selbst sei in Deutschland nie diskriminiert worden. »Ich habe bis heute keinen Rassismus erlebt«, berichtete er der »Welt«. »In meiner Umgebung gibt mir niemand das Gefühl, dass ich anders bin. Es gibt keinen Platz für Rassismus im Jahr 2019.« Damit das so bleibt, sei es aber wichtig, die Erinnerung an die Nazizeit wachzuhalten.