Wenige Tage vor der Eröffnung und nach 117 Jahren jüdischem Sport diskutierten Sportexperten und Politiker am Donnerstag die Frage »Die European Maccabi Games in Deutschland selbstverständlich (!)?«. Die Veranstaltung, die von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) im Verbund mit den Organisatoren der EMG und dem Verein Demokratische Kultur (VDK) initiiert wurde, fand im Rathaus Charlottenburg statt.
Dass die EMG in Berlin sind, ist für Barbara Loth, Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, eine »unglaubliche Ehre«, sie wies aber auch darauf hin, dass »nicht alles gut ist in Berlin 2015«, wie beispielsweise der zunehmende Antisemitismus oder ganz konkret der »unsägliche Al-Quds-Tag«, der am Samstag wieder auf Berliner Straßen begangen wurde.
Sport Auch Deidre Berger, Direktorin des Berliner American Jewish Committee, lobte die EMG. Aus den USA erhielte sie immer viele Fragen zu dem Event. Die Entscheidung, das jüdische Sportfest in Berlin auszutragen, sei zum einen eine Anerkennung für die Bemühungen, die Geschichte aufzuarbeiten. Zum anderen werde versucht, Anschluss an das jüdische Leben und die jüdische Sportkultur, die es vor 1933 in Berlin gab, zu finden. Die EMG könnten gut als »Motor« fungieren, um jüdisches Leben besser sichtbar zu machen, sagte Berger. »Wir können viele Themen durch den Spiegel des Sports betrachten«, das gelte etwa auch, wenn man Antisemitismus beobachte.
Zur Diskussion, welchen Stellenwert jüdischer Sport mittlerweile in Deutschland hat, waren mehrere Experten geladen: der Sporthistoriker Lorenz Peiffer, Fußballtrainer Claudio Offenberg, der im Vorstand des TuS Makkabi ist, oder Oren Osterer, EMG-Organisationschef. Peiffer erinnerte daran, dass organisierter jüdischer Sport aus Berlin kommt: 1898 wurde mit Bar Kochba der erste jüdische Turnverein in der deutschen Hauptstadt gegründet, und auch die Maccabi World Union wurde in Berlin beschlossen.
»Blütezeit« Zugleich verwies der Historiker darauf, dass organisierter jüdischer Sport in der Weimarer Republik eine marginale Größe blieb. Viele Juden trieben Sport, es gab auch etliche jüdische Weltklassesportler, aber die trainierten in den bürgerlichen Vereinen. Eine »Blütezeit«– Peiffer legte Wert auf die Anführungszeichen – erlebte der jüdische Sport nach 1933.
Der Rauswurf von Juden aus dem bürgerlichen Sport (den die Vereine freiwillig durchführten, er kam nicht auf Verlangen der NS-Oberen) zwang jüdische Athleten in die jüdischen Klubs. Nach den Novemberpogromen 1938 wurde jegliches jüdisches Leben verboten, die Deportationen begannen, auf die meisten Menschen wartete der Tod.
anfänge Auch wie es nach 1945 mit dem jüdischen Sport weiterging – von den Anfängen in den Camps für »Displaced Persons« über die Gründung von Makkabi Deutschland und den Zuzug vieler Juden aus den Republiken der früheren Sowjetunion –, war Thema der Diskussionsrunde. Der Sportjournalist Martin Krauß, auch Redakteur dieser Zeitung, berichtete davon.
Claudio Offenberg, Kind Schoa-Überlebender, berichtete, welch emotionale Bedeutung Sport haben kann: Beispielsweise, dass sein Vater noch im hohen Alter von fast 90 Jahren, noch einmal ein Makkabi-Fußballspiel sehen wollte – und ihm dies auch kurz vor seinem Tod noch gelang.
Offenberg sprach auch vom antisemitischen Alltag, dem Makkabi-Sportler, auch nichtjüdische, oft ausgesetzt sind. »Es ist für unsere Spieler nicht leicht, bei TuS Makkabi zu spielen.« Gerade muslimische Kicker in seiner Mannschaft müssten sich oft in ihrer Community für ihre Vereinswahl rechtfertigen.
ignoranz Dazu passe auch eine große Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft, die jahrelang den TuS Makkabi immer zu »Integrationstreffen« zusammen mit Vertretern von türkischen, arabischen oder kroatischen Klubs eingeladen habe. »Wir haben dann immer freundlich darauf hingewiesen, dass es einen jüdischen Sportverein schon seit 1898 gibt.«
Oren Osterer berichtete vom Stand der Vorbereitungen auf die EMG. Es habe zwar auch Bedenken gegeben, ob man mit einem jüdischen Fest ausgerechnet nach Berlin – und ausgerechnet auf das Olympiagelände von 1936 – gehen könne. Aber das sei auch eine Generationenfrage. Ältere hätten Bedenken, »aber die junge jüdische Generation, zu der ich mich zähle, ist anderer Meinung«.
Er betonte, dass sich mit der Berliner Veranstaltung auch die EMG veränderten: Es seien schon die 14. Europäischen Makkabi-Spiele, was kaum jemandem bewusst sei, weil es bislang oft mehr ein »jüdisches Familienfest« gewesen sei. Nun wolle man ganz selbstbewusst seinen Platz in der Sportkultur dieses Landes reklamieren. Für diesen Gedanken erhielt Osterer lang anhaltenden Beifall.