Eigentlich hätte die Galerie Omanut in Berlin-Tempelhof ihr zehnjähriges Jubiläum im vergangenen Jahr feiern sollen, da aber teilte der kleine Ausstellungsort das Schicksal auch der großen Kulturinstitu-tionen. Das Coronavirus sorgte dafür, dass die Galerie geschlossen blieb. Nun wurde der Jahrestag nachgeholt, und die bunte, aus Papierschnipseln gebastelte Zehn im Schaufenster gibt einen optischen Hinweis auf das Thema der Jubiläumsausstellung: Mosaiken. Viele jüdische Künstlerinnen und Künstler haben in diesem Jahrzehnt hier ausgestellt – vom Künstlerkollektiv des Frankfurter Eastend bis zu Alisa Poplavska mit ihren meditativen, vielfach in Nepal entstandenen Bildern.
Nun aber wurde die Galerie Omanut mal wieder ihrem ursprünglichen Zweck gerecht, nämlich dem einer Außenstelle des gleichnamigen Ateliers in der Nähe des Kurfürstendamms. Dort in der Joachimsthaler Straße werden in Trägerschaft der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) behinderte Menschen in einer Tagesbetreuung von Dienstag bis Freitag unter Anleitung der Kunsttherapeutin Judith Tarazi zu kreativen Tätigkeiten motiviert.
Viele jüdische Künstlerinnen und Künstler haben in diesem Jahrzehnt hier ausgestellt.
Vor einiger Zeit war man auf Boris Di Lizio aufmerksam geworden, der einst in einer integrativen Freizeiteinrichtung für Menschen mit und ohne Behinderung in Friedrichshain mit den Mosaiktechniken in Berührung gekommen war und darin einige Meisterschaft entwickelt hat. Der Italiener opferte mehrfach seinen Urlaub, um die Teilnehmer in der Werkstatt von Omanut mit seinen Erfahrungen anzuleiten.
VIELFALT Dabei werden fertig gekaufte Steine aus Glas oder Plastik ebenso verwendet wie solche, die man aus großen Keramikkacheln geschnitten hat. Seither lautet auf die Frage, welcher Kunsttechnik man sich gerne widmen würde, die Antwort bei Omanut immer wieder: »Mosaiken«.
Judith Tarazi erklärt, warum das so ist: »Es gibt sehr unterschiedliche Arbeitsschritte, wie das Vormalen, das Heraussuchen der Mosaiksteine, das langsame Kleben. Das alles dauert eine Weile, ist sehr kontemplativ und wirkt äußerst beruhigend. Wenn die Arbeiten dann vergipst sind und als Ergebnis vorliegen, machen diese Kunstwerke unheimlich viel her.«
Die auf die beiden kleinen Galerieräume verteilten Arbeiten zeigen technisch wie thematisch eine große Vielfalt. Ilka Winkler hat ein Mosaik mit einem Notenschlüssel erstellt und versteht das als Hinweis auf jene Kunst, der sie sich als Sängerin ursprünglich verbunden fühlt: die Musik. Anton Krüger schätzt an Mosaiken das konzentrierte Arbeiten, bei dem Schritt für Schritt ein Bild entsteht. Er hat sich der Darstellung von Tierbildern wie etwa einem Kamel oder einem Flamingo zugewandt.
HOMMAGE Als Hommage an die von ihr verehrte Stadt Jerusalem versteht Sabine Kuntze die große und beeindruckende Totalansicht der Kotel. Leo Stein, gebürtig in Litauen, lebte zunächst eine Weile in Israel, ehe er nach Berlin und ins Atelier von Omanut kam. Als Hobby-Gitarrist hat er sich auf die Kompositionen von Django Reinhardt spezialisiert. So lag es nahe, als Motiv seines Mosaiks eine einsam wirkende, irgendwo abgestellte Gitarre zu wählen. Das Foto seines impressionistisch anmutenden Werks hat er auf ein T-Shirt drucken lassen. So ist ein dekoratives Kleidungsstück entstanden. Und der jungen Danielle Kritschmar gelingt es, auf die Frage, was ihr das Arbeiten mit den Mosaiksteinen gebe, nonverbal eine überwältigende Begeisterung auszudrücken. Freude pur!
Die Kunstwerke haben auch einen praktischen Nutzen für die Besucher.
Der Besuch der Jubiläumsausstellung lohnt sich aber nicht nur, um die kreativen Möglichkeiten zu entdecken, zu denen behinderte Menschen fähig sind. Die Kunsttherapeutin Judith Tarazi sieht in den entstandenen Kunstwerken durchaus auch einen praktischen Nutzen für die Besucher. »Ein Mosaik ist immer ein ideales Geschenk, und zwar sowohl ein Untersetzer mit einem geometrischen Muster als auch ein großes jüdisches Motiv.«
Am Rande der Ausstellung ist dann die Idee entstanden, Leo Steins dekoratives T-Shirt in größerer Zahl herzustellen und zum Verkauf anzubieten. Möglichkeiten, die das Omanut-Team während des kreativen Prozesses noch gar nicht im Blick hatte.