Wunden des Gehwegs» werden wieder sichtbar – dank der gleichnamigen Spendenaktion der Jüdischen Studierendenunion (JSUD). Nachdem im November 2017 bekannt wurde, dass mehrere Stolpersteine in Berlin entwendet oder beschädigt worden waren, starteten die jüdischen Studentenvertreter kurzerhand einen Sammelaufruf im Rahmen des Mitzvah Day, des «Tags der guten Tat».
Dank der JSUD-Initiative konnten nun am Donnerstag in der Linienstraße 44 und 45 die ersten sechs Stolpersteine wiederverlegt werden – zwei vor dem Hausnummer 45, vier im Gehweg vor der Nummer 44. «Das war dank der Spenden möglich», freut sich Mary Bianchi, Mitglied der Stolperstein-Initiative Mitte. Es sind die ersten Steine, die aus diesem Fonds finanziert wurden.
«In Neukölln waren im vergangenen Jahr 16 Stolpersteine gestohlen worden, deshalb finden wir die Spendenaktion dringend notwendig, damit keine Erinnerung mehr aus unserem Boden gerissen wird und die Wunde lange offen bleibt», meint Mike Delberg, Initiator der Aktion und JSUD-Vizepräsident, zum Hintergrund der Initiative.
andenken Mehr als 2500 Euro an Spenden seien seit November bereits zusammengekommen, berichtet Oleg Pronitschew, JSUD-Geschäftsführer, am Rande der Stolpersteinverlegung. Mitglieder jüdischer Gemeinden, Politiker, Nachbarn, Freunde und Menschen, die anonym bleiben wollen, würden sich laut Delberg beteiligen. In Neukölln hatten sich Nachbarn zusammengetan, um die Steine zu bezahlen und wieder einsetzen zu lassen.
Doch in der Linienstraße war das nicht zu schaffen. «Wahrscheinlich sind bei einer Sanierungsmaßnahme die Steine abhandengekommen», sagte Mary Bianchi verärgert. Es zeige, wie unaufmerksam mit ihnen umgegangen werde.
Mehr als 63.000 Stolpersteine sind europaweit verlegt. Hunderte werden vermisst. «Berlin, Köln und Döbeln – immer wieder vergehen sich Übeltäter an dem Andenken der Opfer des Holocaust», sagt Mike Delberg. 20 dieser beschädigten oder gestohlenen Stolpersteine können nun mithilfe der JSUD-Spenden wiedereingesetzt werden.
familien Zur Familie Kessler, an die in der Linienstraße Nummer 45 seit Donnerstag wieder zwei neue Stolpersteine erinnern, gehörten neben den Eltern Israel und Maria die Kinder Adolf, Oskar, Betti und Moritz. Die sechsköpfige Familie wohnte seit April 1933 in dem vorderen Mietshaus in Berlin-Mitte. Sämtliche Familienmitglieder wurden über das Sammellager Große Hamburger Straße 26 mit dem «28. Osttransport» im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Die Steine, die an die Kinder erinnern, waren unbeschadet von den Baumaßnahmen geblieben. Nun wurden die Stolpersteine mit den Daten der Eltern wieder der Öffentlichkeit übergeben. Über die Familie Szydlo im Nachbarhaus Linienstraße 44, für die ebenfalls Stolpersteine verlegt wurden, gibt es außer den Lebensdaten keine weiteren Informationen.