Hunderte Veranstaltungen von Aachen bis Wuppertal verteilt auf rund vier Wochen. Ein solches Angebot an geballter jüdischer Kunst und Kultur hat es bislang wohl noch nie in Deutschland gegeben. Ob Ausstellungen, Begegnungsprojekte, Bildende Kunst, Film, Literatur, Musik, Tanz/Theater und Vorträge, die Entscheidung, wohin das Augenmerk zu lenken ist, fällt schwer. 14 jüdische Gemeinden beteiligen sich an dem Projekt, das Herbert Rubinstein aus Düsseldorf leitet.
Die Schirmherrschaft haben die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, übernommen. Inzwischen ist Halbzeit bei »Einblicke in das jüdische (er)leben«. Wir haben fünf Beispiele ausgesucht, die zeitgleich am vergangenen Sonntag Gäste und Zuschauer anlockten:
Film Das Who is Who der deutschen Schauspielzunft ist in der neuesten Komödie von Dany Levy um den glücklosen und suizidgefährdeten Regisseur Alfi (Alfred) Seliger (Markus Herling) versammelt. 24 zahlende Zuschauer konnte die VHS Mönchengladbach im Carl-Orff-Saal begrüßen. »Das ist wohl so ein normaler Besucherdurchschnitt«, sagt Wilfried van Wingerden. Die Zuschauern hatten jedenfalls an der Komödie Das Leben ist zu lang ihren Spaß und reagierten auf die Gags mit spontanen Lachern. Neben Meret Becker, Veronica Ferres, Yvonne Catterfield, Heino Ferch und Elke Sommer hatte Levy auch den aktuellen Grimme-Preisträger, Kurt Krömer, in seinem Staraufgebot.
Der Mönchengladbacher Beitrag zu den Kulturtagen lief in der Filmreihe »Juden: Unbekannt!?«, die am 7. April im Sonnendeck, Ludwigstraße 2, um 19 Uhr fortgesetzt wird. Dann ist der dokumentarische Zeichentrickfilm Waltz with Bashir zu sehen. In ihm verarbeitet Regisseur Ari Folmanber das Trauma des ersten Libanonkrieges 1982, an dem er selbst als israelischer Soldat teilnahm. Ebenfalls im Sonnendeck laufen am 17. April um 19 Uhr die politischen und menschlichen Verwicklungen zwischen einer palästinensischen Witwe und der Familie des israelischen Verteidigungsministers um einen Zitronenhain: Lemon Tree.
Begegnung Wegen einer Parallelveranstaltung war es nur 21 Leverkusenern vergönnt, in Köln die Synagoge anzuschauen und sich anschließend in der koscheren Kantine Weiß ein Drei-Gänge-Menue munden zu lassen. »Wir hätten viel mehr Interessierte mitnehmen können«, sagt Annette Lorey von der Volkshochschule Leverkusen. Diejenigen, die mitfahren durften, waren jedenfalls begeistert. »Die Leute schwärmen immer wieder davon«, sagt Lorey, denn schon seit einigen Jahren bietet die Volkshochschule die Fahrten an. Mit der Familie Weiß in Köln ist inzwischen ein enger Kontakt entstanden. »Und die Kombination von Synagogenbesichtigung, Theorie über koschere Speisen und die Möglichkeit, sie dann auch probieren zu können, ist einfach gut«, sagt Lorey.
Koschere Mahlzeiten waren auch in der Nachbarstadt Düsseldorf im Angebot. »25 Stunden Offline« hieß die Devise im Tanzhaus nrw. Einmal rund um den Schabbat konnten sich Neugierige mit dem jüdischen Ruhetag beschäftigen: Abschalten vom Alltag, einmal kein Fernsehen, einmal keine Hektik. In Tanz, Geschichten- und Märchenerzählungen visualisiert und erzählt. Abendessen, Frühstück und Mittagessen inklusive.
Vortrag Im Gemeindezentrum Krefeld entführte die Kunsthistorikern Sabine Röder die Besucher in die Zeit unmittelbar vor dem »Dritten Reich«, mitten in die Auseinandersetzung um die moderne Kunst. Jüdische Förderer und Sammler bestimmten damals die Kunstszene. Mit dem systematischen Aussortieren der angeblich »entarteten Kunst«, so Röder, wurden die Sammlungsbestände des Kaiser-Wilhelm-Museums vollkommen dezimiert. Wo die einzelnen Kunstwerke geblieben sind, die damals als nicht vorzeigbar verfemt waren, ist teils heute noch nicht geklärt.
Ihre dunkle warme Stimme setzte Emotionen frei. Vivian Kanner sang am Sonntag im Gelsenkirchener Gemeindezentrum aus ihrem Repertoire Lebenslieder. »Schade, dass es an diesem Abend so geregnet hat«, sagt Judith Neuwald-Tasbach, »vielleicht wären sonst mehr Leute gekommen.« Aber auf den nächsten Sonntag freut sich die Gemeindevorsitzende schon sehr. Ab 17 Uhr führen die Kinder der Gemeinde das extra für die Kulturtage kreierte Musical Pause muss sein auf, in dem die jüdischen Feiertage vorgestellt werden.
Das Besondere daran: Das Singspiel wird im Marriott-Hotel in der Parkallee gezeigt. Das Hotel bietet seinen Hausgästen und den Kulturtagsbesuchern darüber hinaus jüdische kulinarische Tage: traditionelle jüdische Gerichte, modern zubereitet, wie etwa Leberhäckerle als Praline auf Feldsalat mit Himbeerdressing oder König-David-Plinsen mit süßer Quarkfüllung sowie Chili-Hummus auf Pumpernickel. Neuwald-Tasbach ist überzeugt von dem Erfolg der Kulturtage. »Auch wenn jetzt nicht alle Veranstaltungen die Rekordbesucherzahlen aufweisen, wir zeigen Judentum von einer anderen Seite: lebendig, schwungvoll mit leckerem Essen, schönen Bildern, tollen Texten und moderner Musik.« Bei der Vorbereitung seien zudem so viele neue Kontakte entstanden, die für künftige gemeinsame Unternehmungen hoffen lassen. Es müssen ja nicht immer Kulturtage in 52 Städten gleichzeitig sein.