Abstandsmarkierungen auf dem Boden, bargeldloses Bezahlen, Mundschutz und Einmalhandschuhe für die Kassierer: Der »Daily Markt« in der Wilmersdorfer Straße in Berlin hat auf Corona-Modus umgestellt. »Mit den neuen Sicherheitsregeln wollen wir zur Eindämmung der Virus-Pandemie beitragen und unsere Mitarbeiter und Kunden so gut wie möglich vor Ansteckungen schützen«, sagt Inhaberin Olga Sloniuk.
Rewe Der 2016 gegründete Supermarkt hat als Partnerunternehmen der Kette »REWE Nahkauf« neben einem umfangreichen koscheren Angebot auch eine nichtkoschere Abteilung. Die gebürtige Ukrainerin Sloniuk betreibt die koschere Lebensmittelhandlung zusammen mit ihrem Partner Andrey Mints seit Februar 2019. »Wir sind Deutschlands größter Koscher-Supermarkt«, sagt die 27-Jährige stolz.
Wie derzeit in praktisch allen Supermärkten in Berlin zu beobachten, tragen auch im Daily Markt viele der Kunden einen Mundschutz. In den Gängen wird verstärkt auf den persönlichen Abstand von mindestens eineinhalb Metern geachtet. Der Einkaufswagen wird nur mit Handschuhen geschoben.
NACHFRAGE »Ich achte in diesen Tagen ganz genau darauf, wo ich was anfasse«, sagt Jeremy Borowitz. Der junge Mann hat sich einen Schal über die Nase gezogen und trägt Gummihandschuhe. Borowitz und seine Familie ernähren sich strikt koscher, er ist regelmäßiger Kunde im Daily Markt.
Von seiner Wohnung in Kreuzberg ist er mit dem Fahrrad in die Wilmersdorfer Straße gefahren, um die Einkäufe für Pessach zu erledigen. »Es gibt hier alles, was ich brauche«, sagt Borowitz. »Das Angebot ist wirklich gut.«
Auch wenn er sich Sorgen darüber macht, wie sich die Corona-Pandemie weiterentwickeln wird, kaufe er nicht viel mehr ein als sonst, sagt er. »Ich halte Hamsterkäufe für unnötig«, meint Borowitz.
Den Pessacheinkauf erledigt er per Fahrrad, auch wenn der Weg von Kreuzberg weit ist.
So wie der junge Mann scheinen die meisten Kunden des Daily Markts in diesen Tagen zu denken. »Bislang mussten wir keine Maximalmengen oder Zugangsbeschränkungen für die Kunden einführen«, sagt Inhaberin Sloniuk. Man hat allerdings die Öffnungszeiten ausgedehnt. Auch an den Sonntagen ist der Daily Markt in den nächsten Wochen von zwölf bis 18 Uhr geöffnet.
Hamsterkauf Von Hamsterkäufen könne keine Rede sein, sagt Sloniuk. Dennoch stellt sie fest, dass einige Kunden in bestimmten Sortimentsbereichen größere Mengen als üblich einkaufen. »In der nichtkoscheren Abteilung ist das Toilettenpapier der absolute Renner«, sagt die Supermarktbetreiberin. »Das Phänomen kennt man ja aus dem Fernsehen.«
Außerdem sei die Nachfrage nach Konserven, Nudeln und haltbaren Produkten sowohl im koscheren als auch im nichtkoscheren Segment groß. Bei Lebensmitteln wie Eiern, Kräutern, Wein oder Gemüse, die bei einem traditionellen Sederabend nicht fehlen dürfen, gibt es ebenfalls eine verstärkte Nachfrage, stellt Sloniuk fest.
MAZZE »Pessachbesuche der Verwandten im Ausland fallen für die Berliner Juden dieses Jahr notgedrungen ins Wasser, und da man auch nicht in der Synagoge zum gemeinsamen Seder zusammenkommen kann, muss eben jeder für sich zu Hause kochen und feiern.« Trotz der verstärkten Nachfrage sei die tägliche Belieferung des Marktes über die Zulieferer gesichert, betont Sloniuk. Wer seine Einkäufe für Pessach noch nicht erledigt hat, könne im Daily Markt alle Produkte wie gewohnt vorfinden.
»Die Lieferung der Mazze-Pakete aus Israel kam zwar etwas verspätet im Februar bei uns an, aber sie kam schließlich doch in der üblichen Menge«, sagt Sloniuk. Lediglich bei frischem und tiefgefrorenem koscheren Fleisch gebe es derzeit einige Lieferschwierigkeiten. »Das liegt daran, dass die Produktionsstätten in Frankreich, Ungarn und Polen entweder komplett geschlossen sind, nur in kleineren Mengen produzieren oder die Lieferketten durch gesperrte Grenzen unterbrochen werden«, erklärt die Kauffrau.
Lieferengpässe gibt es derzeit lediglich bei koscherem Fleisch.
Zu welchen Lieferproblemen die wegen der Corona-Pandemie geschlossenen Grenzen in Europa in diesen Wochen führen können, weiß Mishel Menasherov nur zu gut. Der Unternehmer leitet seit zwölf Jahren den koscheren Berliner Lebensmittelhandel »Lampari« und hat sich auf Großhandel und Event-Catering spezialisiert. Auch der Daily Markt gehört zu Menasherovs Kunden, die er regelmäßig mit Waren beliefert. Zusätzlich dazu betreibt der Lebensmittelhändler noch ein eigenes koscheres Geschäft in der Damaschkestraße.
»Die geschlossenen Grenzen bringen Hindernisse für meinen Betrieb mit sich«, sagt Menasherov. Grundsätzlich bekomme er noch alle seine georderten Bestellungen geliefert, wenn auch manchmal in kleineren Mengen oder verzögert – wie etwa beim Fleisch. »Die Regale in meinem Geschäft sind voll, das Pessachgeschäft läuft gut«, sagt der Unternehmer, der in seinem Laden verstärkte Hygieneregeln eingeführt hat.
CATERING Ganz anders als im Einzelhandel sehe es bei den Catering-Aufträgen aus, sagt Menasherov. »Alle Hotels, Restaurants, Schulen und Gemeinden haben wegen der Krise ihre Veranstaltungen abgeblasen«, klagt der Lebensmittelhändler. »Das bedeutet für meinen Catering-Betrieb einen Umsatzeinbruch von satten 100 Prozent.«
Menasherov hat sich ausgerechnet: Für alle abgesagten Events, für die sein Catering-Service im Februar, März und April ursprünglich gebucht worden war, verliert er jetzt insgesamt 150.000 Euro. »Für manche kurzfristig gecancelten Veranstaltungen konnte ich die Bestellungen nicht mehr stornieren«, erzählt der Unternehmer. Die Lebensmittel stapeln sich in seinem Warenlager bis unter die Decke.
»Ich befürchte, dass ich viele der schnell verderblichen Produkte einfach nur noch wegwerfen kann.« Damit er wenigstens nicht auf den gesamten Kosten sitzen bleibt, hofft Menasherov auf die Unterstützung der Bundesregierung. Die hat angekündigt, nicht nur große, sondern auch mittelständische und kleine Unternehmen mit Finanzspritzen in der Krise aufzufangen. »Ich bin derzeit im Gespräch mit meinen Rechtsberatern, wie und für welchen Fördertopf ich einen Antrag stellen kann«, sagt der Unternehmer.