Das hätte Lady Rebecca Sieff sicher gefallen: Rund 100 festlich gekleidete fröhliche Menschen jedes Alters versammelten sich im Park von Schloss Arff zu einem Picknick im englischen Stil. Elegante Klappstühle, Strohballen, über die mittig blütenweiße gestärkte Tischdecken gelegt waren, Kinder, die unbeschwert auf dem englischen Rasen unter mächtigen Bäumen spielen, dazu Sandwiches und Scones mit Clotted Cream und Erdbeermarmelade.
Was wie ein impressionistisches Gemälde wirkte, war ein Familienfest – nach langer Zeit. Denn die Frauen der Kölner Women’s International Zionist Organisation (WIZO) hatten etwas zu feiern: Rebecca Sieff, die 1920 die WIZO gegründet hatte. Und was passt zu einer britischen Lady? Ein Picknick in der Sonne.
SOZIALES Ob die auch gern als Rebellin apostrophierte Lady Rebecca Sieff wohl ahnte, was einmal aus der WIZO hervorgehen würde? Ausgangspunkt für die Gründung war die Unterstützung von sozial benachteiligten Frauen und Kindern im damaligen Palästina. Im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte wurde daraus die weltweit größte Frauenorganisation. In über 800 Einrichtungen in Israel wird intensive Sozialarbeit nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer, Familien, Senioren sowie Kinder und Jugendliche geleistet.
WIZO-Gründerin Rebecca Sieff galt zu ihrer Zeit als Rebellin.
Unterstützung bekommen die Einrichtungen vor Ort durch die weltweit auf Landes- und Regionalebene agierenden WIZO-Gruppierungen. Auch die Kölnerinnen tragen seit vielen Jahren erheblich dazu bei, dass WIZO Deutschland viele Projekte in Israel unterstützen kann. Das weiß auch Nicole Faktor, die Präsidentin der WIZO Deutschland. Sie war eigens aus Frankfurt gekommen und dankte für das mannigfaltige Engagement in diesen herausfordernden Zeiten: »Wir haben wirklich viel zu bewältigen, aber trotz Corona sind wir stärker geworden.«
Die Präsidentin berichtete anschaulich über die Situation und die Arbeit in Israel. Aufgrund der Pandemie litten insbesondere Frauen unter der Zunahme von häuslicher Gewalt. Ein Schwerpunkt in den zurückliegenden Monaten seien daher ganz besonders die Förderung von Frauen und deren Gleichstellung in der Gesellschaft gewesen. »Wir konnten viel erreichen und sind stärker zusammengerückt.« Projekte konnten mit Zustimmung der Regierung umgesetzt oder angestoßen werden.
GESELLSCHAFT Den Dank und auch Stolz auf den sichtbaren und nachhaltigen Erfolg dieser Bemühungen und des Einsatzes für sozial schwache Menschen gab Nicole Faktor an die Gäste der Festgesellschaft, die teilweise seit Jahren regelmäßig die WIZO unterstützen, mit der Aufforderung weiter: »Lasst es euch heute gut gehen, und denkt an unsere wichtige Arbeit!« Durch den Nachmittag führte Tali Rosenfeld. Sie ist eine der Kölner WIZO-Frauen, die seit Wochen die Veranstaltung vorbereitet und bis zuletzt an zahlreichen Details gearbeitet hatten. Dazu zählte beispielsweise auch das Bestücken von Picknicktaschen mit Geschirr, Servietten, Getränken und anderem mehr.
Unter den Gästen waren auch Repräsentanten der Synagogen-Gemeinde Köln.
Trude Lehrer kümmerte sich um die Einhaltung der behördlichen Auflagen und kontrollierte bei allen Gästen sorgfältig die entsprechenden Nachweise. Große Unterstützung für das Picknick erhielten die WIZO-Frauen vom Betreiber des Schlosses, der Kölner »Wolkenburg«. Unter den Gästen, denen die Freude und Erleichterung anzumerken war, dass überhaupt wieder ein solches Zusammensein möglich wurde, waren auch die Honorarkonsulin der Niederlande, Rafaela Wilde, der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, sowie Repräsentanten der Synagogen-Gemeinde Köln.
RECHERCHE Ein Höhepunkt des Nachmittags war der Auftritt von Matthias Fuchs. Zwei Jahre lang hat der Journalist und Publizist über die WIZO recherchiert. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat er mit Autorinnen in dem Buch Rebels with a cause – Denn sie wissen, was sie tun niedergeschrieben. Der Autor bewarb das über 200 Seiten starke Buch mit 30 Geschichten über starke WIZO-Frauen (und einige Männer) mit dem Hinweis: »Entdecken Sie die relevanten Geschichten im Buch! Es liegt im Idealfall aufgeschlagen irgendwo im Wohnzimmer auf einem Kaffeetisch. Schönheit und Inhalt verbinden sich.«
Und dann kam ein wirklicher Überraschungsgast: Rebecca Sieff. In sehenswerter Robe und mit einem großen Sonnenhut zeigte sich die Lady auf dem Balkon des Schlosses. Es war natürlich nicht Rebecca Sieff selbst, die sich nach diesem Auftritt unter die Gäste mischte. Die Tontechnikerin Marta Felberbaum-Schwarz war es, die mit Grandezza die Rolle der WIZO-Gründerin schauspielerte. »Der Pioniergeist von damals unterscheidet sich nicht von dem von heute«, sagte Marta alias Rebecca und ergänzte: »Israel, wir stehen auf deiner Seite!«
HUT Wie intensiv der Zusammenhalt der WIZO-Familie auch textil ist, betonte Orly Licht von der Kölner WIZO. »Alle sind gut behütet gekommen und haben sich an unsere Bitte auf der Einladung gehalten: ›Seien Sie kreativ! Ob Krone, Kippa, Ascot-Hut oder gerne auch Melone – Hauptsache mit Charme und ohne Schirm!‹«
Es war ein in jeder Hinsicht stilvoller Nachmittag, den die Kölner WIZO-Frauen ihren Gästen geschenkt haben – very british, very charming und absolutely fabulous.