Berlin-Besuch

Mit Goethe zu Big Brother

Mag deutsche Schlager und Klassiker: Ram Preiß Sitton Foto: Marco Limberg

Etwas schüchtern geht der junge Mann im unauffälligen grauen Pullover auf die bunt bemalten Mauerreste am Potsdamer Platz zu, vorbei an einer Traube Touristen. Der 26-jährige Ram Preiß Sitton wirkt, als wolle er sich vor der Menschenmenge ducken. »Ich habe meinen Platz im Flugzeug extra in der Business-Klasse gebucht«, sagt er mit stolzem Ton in der weichen Stimme.

Denn Ram war einer von 22 Teilnehmern der letzten Big-Brother-Staffel in Israel. Seitdem wird er, wie er betont, sehr oft erkannt und von Leuten angesprochen. Ram ist zum ersten Mal in Berlin und hat Glück, denn hier entdeckt ihn keiner. »Ich wollte schon immer mal hierherkommen, denn hier ist alles so offen und lebendig.« Außerdem könne er hier den ganzen Tag seine Lieblingssprache hören – Deutsch.

Romantik Wenn der studierte Jurist, dessen Mutter aus Süddeutschland kommt, über das Deutsche spricht, gerät er ins Schwärmen. »Ich lese sehr gern Goethe. Besonders Die Leiden des jungen Werther.« Aber eigentlich, meint Ram, müsse man das Ende des fast 240 Jahre alten Romans über den unglücklich verliebten Werther neu schreiben, denn es sei viel zu schrecklich. Überhaupt liebt Ram das Romantische, ja fast Schmalzige. Wenn andere Mittzwanziger bei Katja Ebstein oder Nana Mouskouri die Augen rollen, dann öffnet sich Rams Herz.

Die Leidenschaft für deutsche 70er-Jahre-Songs nahm er auch mit in den Container, den er Anfang Februar mit einem Tirolerhut betrat. »Ich durfte mir einen Song aussuchen und das war Guten Morgen Sonnenschein. Das Lied ist so schön und harmonisch.« Ram strahlt, und seine Finger malen die Melodie in die Luft, wenn er das Lied der Griechin Mouskouri anstimmt.

Seine Bemühungen, deutsche Begriffe wie »Danke« oder »Guten Tag« ins Haus einzuführen, davon ist Ram überzeugt, haben eine neue Begeisterung für die deutsche Sprache in Israel losgetreten. »Natürlich gab es schon vor meinem Einzug gut besuchte Deutschkurse, aber ich denke, ich habe diese Sprache, die in Israel bei einigen immer noch umstritten ist, wieder etwas bekannter gemacht.«

Im Haus, wie der Container von den Bewohnern genannt wurde, gab es dann auch viele Diskussionen um sein Faible für das Deutsche. »Mit einer Bewohnerin habe ich oft diskutiert.« Doch Ram bleibt dabei, dass man eine Sprache nicht für die Geschichte verantwortlich machen könne.

Coming-Out Das war nicht der einzige Reibepunkt bei Big Brother, dessen Sendekonzept es auch ist, mögliche Konfliktpartner aufeinandertreffen zu lassen, was der Sendung eine hohe Einschaltquote beschert. Ram ist ein aktiver Umwelt- und Tierschützer.

Als Vorsitzender der Grünen Partei der nordisraelischen Stadt Netanya war es ihm wichtig, auch bei Big Brother auf grüne Themen aufmerksam zu machen. »Ich habe darauf bestanden, dass ich Shampoo im Haus benutzen kann, das nicht an Tieren getestet wurde. Das war nur unwesentlich teurer, aber ich musste dafür lange mit den Bewohnern diskutieren, die lieber Zigaretten kaufen wollten.« Rams leise Stimme wird laut, wenn er über dieses Thema spricht.

Aber der Aufenthalt, der bei Big Brother für ihn nach 74 Tagen endete, war nicht nur ein Plädoyer für die deutsche Sprache oder die Umwelt. Der schüchtern wirkende Ram hatte vor den Kameras sein Coming-out. »Es war gar nicht schlimm, die Resonanz darauf war positiv. Alle umarmten mich und waren sehr nett zu mir.« Obwohl er seinen Eltern, die über seinen Gang ins Big-Brother-Haus nicht allzu begeistert waren, versprochen hatte, er würde nichts sagen. »Sie haben aber ganz gut reagiert«, meint Ram erleichtert.

Wenn er gewonnen hätte, hätte er sich ein umweltschonendes Auto gekauft. »Denn das ist hier sehr teuer, wie alles andere auch – das Leben, das Wohnen, sogar der Hüttenkäse.« Deswegen unterstützt Ram die sozialen Proteste, die seit über vier Wochen in Israel andauern. »Es kann nicht sein, dass man für Wohnungen so viel Geld bezahlt und sich das Leben kaum noch leisten kann.«

Und wenn die israelische Regierung ins Big-Brother-Haus einziehen würde? »Dann würde ich Bibi rauswählen. Er hatte seine Zeit.«

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025