»Ich musste die Violinen wieder zum Klingen bringen – auch als Zeichen gegen das Vergessen«, sagte Amnon Weinstein. Mit seinem ungewöhnlichen Projekt »Violins of Hope« (»Violinen der Hoffnung«) tourte der Sohn des jüdischen Geigenbauers Moshe Weinstein, der 1938 aus Polen nach Palästina emigriert war, vor Jahren um die Welt. 15 Geigen und ein Cello, die in Konzentrationslagern – meistens unter Zwang - von Juden gespielt wurden, hatte er dabei. Nun ist der Geigenbauer im Alter von 84 Jahren in Israel gestorben.
Weinstein hatte die besonderen Instrumente restauriert und ließ sie mehrere Jahrzehnte lang wieder öffentlich erklingen. Die Musik sollte Hoffnung geben. Mit dem Projekt war er unter anderem in Jerusalem, Paris, Madrid, Cleveland und Berlin zu Gast. Er sagte, die Erinnerung habe sich zwar nicht in den Korpus der Violinen eingeschrieben, aber die Musiker spielten dennoch anders auf ihnen – »irgendwie intensiver«.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Weinstein nun als einen »großen Kämpfer für den Erhalt der Erinnerung an die Schoa« gewürdigt. »Die Violins of Hope sind Symbole großartiger jüdischer Musikgeschichte und gleichzeitig eine Mahnung an uns und nachfolgende Generationen, die Vergangenheit nicht zu vergessen.«
Staubige Instrumente im Schrank des Vaters
Angefangen hatte alles in den 80er-Jahren mit einem neugierigen Blick in den Schrank seines Vaters. Amnon Weinstein fand darin eingelagerte verstaubte Instrumente. Ihm fielen edle Gravuren auf, darunter ein Davidstern. Jüdische Musiker wurden von den Nazis gezwungen, in den Konzentrationslagern zu musizieren. Sie spielten neben den Gaskammern, bei der Ankunft neuer Insassen oder auf den Feiern der SS-Leute. Allein in Auschwitz soll es acht Orchester gegeben haben, darunter ein Mädchenorchester.
Viele von den Musikern, die die Schoa überlebten, hätten nie wieder ein Instrument in die Hand nehmen können, so Amnon Weinstein. Einige Geigen gelangten in die Werkstatt von Moshe Weinstein, der sie aufbewahrte. Sein eigener Schmerz über den Verlust der Familie – mehr als 300 Angehörige wurden ermordet - war so groß, dass er sich nicht mit ihnen beschäftigen wollte. Schließlich aber fing sein Sohn an, sie zu restaurieren.
Der sächsische Bogenbauer Daniel Schmidt kam Mitte der 90er-Jahre mit den Instrumenten in Berührung, als er sich in der Werkstatt Weinsteins in Tel Aviv ausbilden ließ. Er inspirierte Weinstein, sich mit der Herkunft der Geigen zu beschäftigen. Später ermunterte er seinen Ausbilder, die tragischen Geschichten zu den Instrumenten einem breiten Publikum bekannt zu machen. Bei einem Treffen von Geigenbauern und Bogenmachern 1999 in Dresden wurde das Projekt von Schmidt und Weinstein auf die Beine gestellt. Auch Weinsteins Sohn Avshalom ist Geigenbauer und unterstützte das Projekt seines Vaters. Mehr als 70 Instrumente gehören inzwischen zur Sammlung »Geigen der Hoffnung«. Fast alle Violinen hatte Weinstein selbst repariert. Nur zwei hatte er bewusst im desolaten Zustand gelassen, sagt er.
»Diese Geigen sagen: Wir sind hier. Für immer!«
Hinter den Instrumenten stünden sechs Millionen Menschen, zitierte Bundespräsident Franz Walter Steinmeier den Geigenbauer bei dem Konzert in der Berliner Philharmonie anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz 2015. Ihre Besitzer wurden vertrieben und ermordet. Somit erzähle jedes Instrument eine schmerzvolle Geschichte.
Guy Braunstein, ehemaliger Konzertmeister der Philharmoniker und Initiator des Konzertes, wählte an diesem Abend ein Instrument, das ein unbekannter Häftling in Auschwitz gespielt hatte. Dieser unbekannte Geigenbesitzer wollte nie wieder auf diesem Instrument spielen und tauschte es nach der Befreiung gegen Essen ein. Über Umwege gelangte es nach Tel Aviv in die Werkstatt Weinsteins.
Dass diese Instrumente von den Berliner Philharmonikern gespielt wurden, sei für ihn Glück und Triumph, hatte Amnon Weinstein damals gesagt. »Die Nazis wollten nicht nur Menschen töten, sie wollten die jüdische Kultur auslöschen. Und diese Geigen würden nun sagen: Wir sind hier. Für immer!«
Der 1939 vor Gründung des Staats Israel im damaligen Palästina geborene
Weinstein wurde für seine Erinnerungsarbeit vielfach geehrt,
darunter 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz. »Ich versichere Ihnen,
dass mein Land und ich Ihrem Vater ein ehrendes Andenken bewahren
werden«, schrieb Steinmeier in seinem Kondolenzbrief an den Sohn.
Die aus der Erinnerung an den Holocaust erwachsene Forderung des
»Nie Wieder« sei ein »dringender Appell«.