Porträt

Mit der Geschichte groß geworden

Carmen Reichert wird neue Direktorin des Jüdischen Museums Augsburg

von Katrin Diehl  09.12.2021 10:52 Uhr

Gebürtige Augsburgerin: Carmen Reichert Foto: Silvio Wyszengrad

Carmen Reichert wird neue Direktorin des Jüdischen Museums Augsburg

von Katrin Diehl  09.12.2021 10:52 Uhr

Carmen Reichert freut sich sehr auf das, was da auf sie zukommt. Ab dem 1. Mai 2022 wird sie neue Direktorin des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben sein. »Da passt einfach sehr, sehr vieles«, sagt die Historikerin, Literaturwissenschaftlerin, Pädagogin und Journalistin.

Da wäre zum Beispiel der Punkt, dass Augsburg die Stadt ist, aus der sie kommt, in der sie geboren wurde, an deren Uni sie neben der Ludwig-Maximilians-Universität in München gelernt wie gelehrt hat. »Ich bin quasi mit der Augsburger jüdischen Geschichte groß geworden, habe mich dafür schon immer, auch schon als Jugendliche, interessiert«, sagt die 36-Jährige. Sie bringt ein Gespür mit für die Augsburger, ein Gefühl dafür, was in dieser bayerischen, etwa 300.000 Einwohner zählenden Stadt geht und was nicht.

Zudem könne sie, was den gewissen Überblick, was Vorgänge in der Stadt, auch, was Netzwerke oder Kooperationen anbelangt, auf einiges zurückgreifen. »Da muss ich nicht bei null anfangen«, sagt sie.

Haus Gegründet wurde das Augsburger jüdische Museum 1985, womit es zu den älteren jüdischen Museen in der Bundesrepublik gehört. Finanziert wird es vom Freistaat Bayern, dem Bezirk Schwaben und der Stadt Augsburg. Seine Betreiberin ist die Stiftung Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben. Das Museum liegt mitten in der Stadt, dort – und das ist schon etwas Besonderes – im Westtrakt der 1917 fertiggestellten, vom Jugendstil geprägten, nie zerstörten, monumentalen Synagoge. Ein echtes Juwel.

Reichert schätzt sowohl diese Nähe zur Synagoge – »in der habe ich mich schon immer sehr wohlgefühlt« – als auch die zur Augsburger Israelitischen Kultusgemeinde, zu der sie bei ihrer Arbeit als Direktorin unbedingt engen Kontakt halten will. »Das ist mir total wichtig«, sagt Reichert, denn durch so ein Museum präsentiere man auch die heutige jüdische Gemeinschaft nach außen, und das gehe nur, wenn es da einen engen Austausch gibt.

Dass es vom Museum aus einen direkten Zugang zur Frauenempore in der Synagoge gibt, bezeichnet Reichert als einen »großen Schatz«.

Dass es vom Museum aus einen direkten Zugang zur Frauenempore in der Synagoge gibt, bezeichnet Reichert als einen »großen Schatz«. »Die Synagoge ist damit sozusagen unser schönstes Ausstellungsobjekt«, freut sie sich. Was die Dauerausstellung des Museums anbelangt, plant Reichert, auf der einen Seite deren »Textlastigkeit« ein wenig zu korrigieren und sie auch den heutigen Hör- und Sehgewohnheiten anzupassen.

Auf der anderen Seite möchte sie für genauere Erklärungen zum einzelnen Objekt und dessen demonstrierte Geschichte sorgen. »Sowohl die Person ohne Vorkenntnisse soll sich gut angesprochen und versorgt fühlen als auch Experten oder Menschen, die im Judentum zu Hause sind«, erklärt sie.

Gemeinde Zudem möchte sie in der Dauerausstellung einen sichtbaren Bezug zur heutigen Gemeinde Schwaben-Augsburg herstellen und aufzeigen. Zum Beispiel ginge das gut über das Jiddische, meint sie. Von den zwischen 1000 und 1500 Mitgliedern der Gemeinde kämen die meisten aus der ehemaligen Sowjetunion, darunter viele, die noch Jiddisch gehört hätten von ihren Eltern oder Großeltern – hier sieht Reichert eine Verbindung zur Geschichte des Augsburger Judentums.

Überhaupt sei das »jiddische und hebräische Erbe Augsburgs«, von dem viele überhaupt nichts ahnten, weiter nach vorne zu bringen, fügt sie hinzu. Zum Beispiel gelte es da, die Entwicklung des hebräischen und jiddischen Buchdrucks in Augsburg wiederzuentdecken.

Im Moment lehrt Carmen Reichert noch an der LMU München jiddische Literatur und arbeitet bei der Europäischen Janusz Korczak Akademie als Medienreferentin. Demnächst wird sie zum ersten Mal das gesamte Team des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben kennenlernen. »Darauf freue ich mich«, sagt sie, »denn das ist ja das Allerwichtigste, dass das funktioniert und wir uns gut verstehen.«

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