In die Stellengesuche der Tageszeitungen zu schauen, dürfte keine große Hilfe sein. In einem regionalen Blatt eine Anzeige zu schalten, wird ebenfalls kaum etwas bringen. Auch die Jobcenter werden sicher keine geeigneten Bewerber präsentieren können. Wenn jüdische Gemeinden nach einem neuen Rabbiner suchen, ist das meist ein langwieriger Prozess.
Vor knapp vier Monaten gab die Jüdische Gemeinde Düsseldorf bekannt, dass sie einen Nachfolger für Aharon Ran Vernikovsky sucht. »Das war gleich nach Pessach im April«, erzählt Verwaltungsdirektor Michael Szentei-Heise. »Wir haben Anzeigen in der Jüdischen Allgemeinen, außerdem einer österreichischen und einer Schweizer Zeitung geschaltet.«
Bewerbungen Die Reaktion darauf: sieben oder acht Bewerbungen, schätzt Szentei-Heise. Sieben oder acht Bewerbungen auf eine Stelle bei der drittgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland. »Das ist ein wirklich gutes Ergebnis«, betont Szentei-Heise. »Ich kann mich an Zeiten erinnern, da wurden Anzeigen geschaltet, und es kam nicht eine einzige Rückmeldung darauf.«
Arbeitsproben In den vergangenen Monaten wurden einige der Rabbiner bereits in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt eingeladen, Vorstellungsgespräche fanden statt. Doch die Kandidaten müssen auch Arbeitsproben abliefern. »Sie amtieren ein Wochenende lang hier«, erklärt der Düsseldorfer Verwaltungsdirektor. Gottesdienst, Predigt, Kontakt zu den Gemeindemitgliedern, und eine Rabbinerfindungskommission sowie der Vorstand können über die Anstellung entscheiden.
»Die Kommission besteht aus Gemeinderäten, aber auch aus anderen Mitgliedern. Sie können Empfehlungen abgeben, üblicherweise entscheidet dann der Vorstand. Das sind dann aber keine Kampfabstimmungen«, erklärt Szentei-Heise, »jedenfalls hatten wir so etwas in der Vergangenheit nie.«
Kommunikation Die Auswahl scheint dabei groß zu sein, trotz der im Vergleich zu anderen Stellenausschreibungen geringen Bewerberzahl. »Es sind Rabbiner aus Deutschland dabei, aus dem Ausland, in Deutschland Ausgebildete oder auch in einem anderen Land«, erzählt Michael Szentei-Heise. Wichtig ist den Düsseldorfern dabei vor allem eines: Der neue Gemeinderabbiner muss die deutsche Sprache perfekt beherrschen. »Er sollte in der Lage sein, sowohl mit den nicht russischsprachigen Gemeindemitgliedern sowie mit der nichtjüdischen Öffentlichkeit kommunizieren zu können«, sagt der Verwaltungsdirektor.
Außerdem beschäftigt die Düsseldorfer Gemeinde bereits zwei russischsprachige Kollegen. Dies mindert während der Suche nach einem neuen Gemeinderabbiner den Druck auf die Entscheidungsträger. »Der wäre ungleich höher, wenn wir gar keinen Rabbiner hätten. So können intern noch alle rabbinischen Aufgaben erfüllt werden.«
Vor einem halben Jahr hat man in Mainz mit der Suche begonnen, derzeit hat die Gemeinde keinen Rabbiner angestellt. Doch unter Personaldruck gerät man auch hier nicht. »Es gibt viele Gemeinden, die keinen Rabbiner haben. In Rheinland-Pfalz ist das sogar eher die Regel«, erzählt Stella Schindler-Siegreich. »Wir haben Vorbeter, die sich abwechseln, und wir hatten auch mal Wanderrabbiner hier. Außerdem wissen wir, an wen wir uns wenden können, wenn es Fragen gibt, die nur ein Rabbiner beantworten kann«, betont die Gemeindevorsitzende. So sei es möglich, eine rabbinerlose Zeit zu überbrücken. »Selbstverständlich ist es viel schöner, wenn man einen Rabbiner hat«, sagt Schindler-Siegreich, »aber nach den Phasen ohne Rabbiner wissen wir, dass ein Alltag trotzdem lebbar ist«.
Zweisprachigkeit Für den regelmäßigen Religionsunterricht hat die Mainzer Gemeinde eine Lehrerin, bewährte Vorbeter leiten die Gottesdienste. »Durch diese Strukturen ist eine Kontinuität gewährleistet«, erklärt Schindler-Siegreich. »Wenn der Rabbiner zum Beispiel auch Religionsunterricht gegeben hätte, wäre die Situation schwieriger.«
Die Jüdische Gemeinde Mainz sucht für ihre rund 1000 Mitglieder einen Rabbiner, der sowohl Russisch als auch Deutsch spricht. »Er muss mit den Gemeindemitgliedern direkt kommunizieren können«, sagt die Vorsitzende. Doch es gibt noch eine andere wichtige Aufgabe in naher Zukunft: Mainz möchte gemeinsam mit Speyer und Worms erreichen, dass sie als SCHUM-Städte (hebräisches Akronym Schpira-Warmaisa-Magenza – Speyer, Worms und Mainz) in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen werden. »Dafür wird auch der Rabbiner oft mit Menschen außerhalb der Gemeinde sprechen und Inhalte kommunizieren müssen«, erklärt Schindler-Siegreich. »Und er muss sicher auch über Anträge gucken.«
Doch bevor es an diese Aufgabe geht, muss der Rabbiner auch die Gemeindemitglieder überzeugen. Wenn sich ein neuer Kandidat in Mainz vorstellt, wird oft auch kurzfristig zum Telefonhörer gegriffen, um die regelmäßigen Gottesdienstbesucher über den Gast zu informieren.
»Wenn wir genügend Zeit haben, schreiben wir diese Termine in unser Infoblatt. Aber die Menschen, die regelmäßig in die Gottesdienste kommen, rufen wir auch vorher an«, erzählt die Gemeindevorsitzende. »Wir können die Entscheidung zwar nicht basisdemokratisch fällen, aber wir fragen nach dem Gottesdienst schon, wie der Kandidat bei den Besuchern angekommen ist und wie er ihnen gefallen hat. Denn die Mitglieder, die noch regelmäßig zum Gottesdienst kommen und ihn aufrechterhalten, die sollen auch weiterhin gerne kommen.«
Kennenlernen Um auch die Mitglieder, die nicht regelmäßig am Gottesdienst teilnehmen, mit dem potenziellen neuen Rabbiner zusammenzubringen, hat man in Duisburg spontan ein Kinderfest sowie ein Grillfest veranstaltet. »Da konnte er ganz ungezwungen mit den Gemeinderäten und den Menschen ins Gespräch kommen«, erklärt Geschäftsführer Michael Rubinstein.
Die Ruhrgebietsgemeinde hatte nach kurzer Suche schnell einen Kandidaten ins Auge gefasst, von dem der Vorstand angetan war. »Eine Besonderheit unserer Satzung ist, dass letztlich allerdings der Gemeinderat den neuen Rabbiner auswählt«, erklärt Rubinstein. Das ist inzwischen geschehen, Mitte August beginnt sein Vertrag. Mit der offiziellen Vorstellung möchte man daher in Duisburg noch etwas warten.
Eineinhalb Monate wird die Gemeinde dann ohne Rabbiner gewesen sein. »Während der Sommerferien ist das auch nicht ganz so problematisch«, erklärt Rubinstein. »Aber trotzdem gibt es zum Beispiel die Gottesdienste oder Beerdigungen, für die wir jemanden haben.« Eine längere Vakanz wäre allerdings eine zu große Belastung gewesen.
»Viel Zeit, uns gegenseitig kennenzulernen, hatten wir also nicht. Aber so ist das doch auch bei jedem anderen leitenden Mitarbeiter. Es wird auf die Unterlagen geschaut, dann gibt es ein Vorstellungsgespräch. Nur haben wir hier noch weniger Interesse daran, diese Stelle bald wieder neu zu besetzen. Ständig neue Bezugspersonen und religiöse Leitfiguren für die Mitglieder – das schafft kein Vertrauen.«