In der Karnevalshochburg Düsseldorf stehen Schnapszahlen hoch im Kurs: Der 66. Unabhängigkeitstag des Staates Israel wurde am Montag dementsprechend in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt gefeiert. Die Jüdische Gemeinde hatte ihre Räumlichkeiten für den Abend in Weiß und Blau geschmückt.
Die überwiegende Zahl derjenigen, die an den reich gedeckten Tischen im Leo-Baeck-Saal der Gemeinde Platz genommen hatten, konnte sich noch an den Tag der Staatsgründung erinnern. Denn der Club Shelanu, der Seniorenclub der Düsseldorfer Gemeinde, hatte zum Fest eingeladen. Er wurde vor mehr als 40 Jahren ins Leben gerufen. »Damals waren wir als 25- bis 40-Jährige kaum in der Gemeinde vertreten«, erzählt Herbert Rubinstein rückblickend, der sich seit vielen Jahren als Vertreter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein engagiert.
Club Shelanu Seit mehr als 20 Jahren leitet Ruth Rubinstein aus dem Vorstand der Gemeinde den Club Shelanu. Ihr Mann Herbert hatte ihn seinerzeit mitgegründet. Und eines hat man immer beibehalten: Die Ansprache bei Veranstaltungen, hebt Herbert Rubinstein hervor, erfolge – trotz vieler Zuwanderer, die im Laufe der Jahre hinzugekommen sind – immer auf Deutsch. Wie zum Beweis greift gerade der Vorstandsvorsitzende Oded Horowitz zum Mikrofon und begrüßt die Mitglieder im Saal zur Feier – bevor er Israel »Happy Birthday« wünscht.
Dass die Verbindung zum jüdischen Staat nicht nur darin besteht, dessen Geburtstag zum Anlass für eine Feier zu nehmen, betont Horowitz später im Gespräch. »Die Düsseldorfer Gemeinde ist eng mit Israel verbunden. Vor sechs Wochen war ich mit der Ministerpräsidentin dort, und es wurden Gespräche mit politischen Größen geführt. Damit wollten wir Projekte anstoßen, die einerseits den Frieden, aber auch Israels Sicherheit fördern«, erklärt Horowitz.
Erst vor zwei Wochen reisten eine Bar- und Batmizwa-Gruppe aus Düsseldorf nach Israel, um unter anderem die Gedenkstätte Yad Vashem zu besuchen. Die Kinder hatten Patenschaften für Menschen übernommen, die wegen des Holocausts ihre eigene Barmizwa nicht feiern konnten. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf unterstützt noch zahlreiche weitere Austauschprojekte. »Denn Israel«, sagt Horowitz, »bleibt immer unsere zweite Heimat.«
alkoholfrei Während sie an Israel denken, schwelgen viele Alt- und Neumitglieder in Erinnerungen, die sie mit ihrem Club verbinden. Herbert Rubinstein erzählt, dass sie ursprünglich eine Plattform für die mittlere Generation schaffen wollten. »Im Gemeinderat haben wir durchgesetzt, dass wir eine eigene Etage im Gemeindezentrum bekommen. Danach sind wir losgefahren und haben die Möbel ausgesucht«, erzählt Rubinstein. Den Bar-Raum hat er noch deutlich in Erinnerung. »Da gab es eine Theke, an der wir meist nichtalkoholische Getränke ausgeschenkt haben.« Hin und wieder habe es auch schon mal ein Glas Wein gegeben.
In ihren Anfängen hieß die Plattform noch Junioren-Club. Doch die Junioren kamen mit der Zeit in die Jahre. Als die meisten Mitglieder ungefähr so alt waren wie der jüdische Staat heute, wählte man einen neuen Namen: Club Shelanu, »unser Club«. Mit der Zuwanderung von russischsprachigen Juden wurde die Sprachbarriere zum Problem. »Und wer sein ganzes Leben hier verbracht hatte, der hatte auch andere Probleme, über die er sprechen wollte, als die Neuzuwanderer.«
Bald machten Vorträge und Veranstaltungen auf Russisch den Großteil der Veranstaltungen aus, gleichzeitig sei der Club Shelanu »zum Mittelpunkt der Integration und Sozialarbeit auf zwischenmenschlicher Ebene« geworden, sagt Herbert Rubinstein. Er wurde zu einem Familienclub, »wo die Leute gern hinkommen«, fügt Ruth Rubinstein hinzu. So habe man eine Brücke schlagen können von den Neuzuwanderern zum Judentum und zu Israel, stimmt ihr Mann Herbert zu. An diesem Montag feierten sie zusammen den Staat Israel.
Stolz und Bedrohung Die Location war schick und dem Anlass angemessen: Auch die Jüdische Gemeinde Frankfurt feierte am Montag den 66. Geburtstag des Staates Israel im erst jüngst im alten Glanz wiedereröffneten Gesellschaftshaus des Palmengartens. Zentralratspräsident Dieter Graumann sagte in seiner Ansprache, so könne er die Gäste »im schönsten Saal in ganz Frankfurt zur schönsten Feier« begrüßen.
Die lokale Prominenz war zahlreich erschienen – unter ihnen auch Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. Die Feier selbst war ausgelassen, ganz so, wie es sich für einen 66-Jährigen gehört: So verlasen Jugendliche des Jugendzentrums Amichai die israelische Unabhängigkeitserklärung. Und Dieter Graumann betonte in seiner kurzen Rede, wie wichtig es sei, als Jude in Deutschland hinter Israel zu stehen.
In das »grandiose, fröhliche und rundum beschwingte« Fest streute er jedoch auch nachdenkliche Töne ein. Stolz sei man auf Israel, »das sich erfolgreich behauptet und das trotz aller Bedrohungen demokratisch ist und zuversichtlich bleibt«. Eine wesentliche Bedrohung, so der Zentralratspräsident, sei das Regime im Iran, das »laut und rabiat« täglich verkünde, Israel auslöschen zu wollen. »Scheinheilig« nannte Graumann den neuen »Friedenspräsidenten« Hassan Rohani. Der Iran sei definitiv das »Terror-Zentrum«.
Ideen und Ideale Israel bezeichnete Graumann als das »Land der Ideale und Ideen, sprudelnd von Erfindungen und Initiativen«, und das wolle man feiern, ermunterte der Zentralratspräsident die Mitglieder und Gäste. »Diesem wunderbaren Land und seinen wunderbaren Menschen fühlen wir alle hier uns immer von ganzem Herzen verbunden.« Auf das Programm verweisend, sagte Graumann: »Made in Frankfurt am Main – wie wunderschön.«
Musikalisch kam der Chor der Lichtigfeld-Schule groß raus: Unter der Leitung von Martina Georgi und Lea Wolff und von Manfred Hofmann am Klavier begleitet, brachten die Jungen und Mädchen die Zuhörer singend und trommelnd in Schwung. Die Tanzgruppen »Nizanej Machol« des Jugendzentrums und »Shalom« des Seniorenclubs sorgten dafür, dass die Schwingungen nicht nachließen. Abgelöst wurden sie von den beiden Elevinnen der Akrobatikgruppe des Jugendzentrums. Unter der Leitung von Michael Zinger stellten Joelle und Hanna unter Beweis, zu welchen Höchstleistungen der menschliche Körper imstande ist. Den letzten Programmpunkt gestaltete allerdings kein Frankfurter Eigengewächs, sondern die israelische Sängerin Nourith mit ihrer Band.
Verbundenheit »Es ist etwas so Schönes, bei dieser Feier dabei zu sein«, sprudelt es aus Judith Steinhauer heraus. Für die 16 Jahre alte Gymnasiastin aus Köln ist die Teilnahme an der Jom-Hasikaron- und der Jom-Haazmaut-Feier in der Roonstraße sehr bewegend. »Ich habe zahlreiche Familienangehörige in Israel, von denen viele bei der Armee waren oder noch sind.« Auch für den 17-jährigen Radion Zhyliakov geht es an diesem Tag darum, seine Verbundenheit mit Israel auszudrücken: »Als ich die Einladung bekommen habe, einen Text vorzutragen, habe ich mit Freuden zugesagt.« Die beiden 16-Jährigen Judith Radion und Naomi Bennett gestalteten mit bewegenden Texten das Gedenken an die gefallenen Soldaten und die Opfer des Terrors. Anschließend erhoben sich die rund 100 Besucher im großen Gemeindesaal und sangen gemeinsam die Hatikwa.
Als danach das Licht den Saal erhellte, wurde aus der Gedenkfeier ein Freudenfest zum Geburtstag des Staates Israel. Gekennzeichnet nicht zuletzt durch die fröhliche und lebensbejahende Hora. Der Tanz symbolisierte den Übergang von der Trauer zur Feier. »Wir haben dieses Fest seit Wochen vorbereitet«, berichtet Isabella Farkas vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln.
In ihrer bewegenden Rede erinnerte sie daran, dass in Friedenszeiten mehr Israelis getötet wurden als in den Zeiten der Kriege. Vor allem aber sei sie dankbar dafür, dass derzeit »jeder nach Israel fahren kann. Israel ist unsere Garantie, dass wir sicher leben können«. Das sei rückblickend alles andere als selbstverständlich, denn vor 66 Jahren wurde dieses Land »in einem Stückchen Wüste gegründet und ist heute ein Land mit großer Wirtschaftskraft und auf vielen Gebieten weltweit führend«.
Visionäre Kraft In Anlehnung an ein Zitat des ehemaligen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy rief sie aus: »Fragen Sie nicht, was Israel für uns tun kann, sondern: Was kann ich für Israel tun?« Rabbiner Jaron Engelmayer rief nochmals den Mut und die visionäre Kraft der Gründungsväter in Erinnerung. »Sie haben die Gunst der Stunde genutzt und kurz nach der Schoa gesagt: ›Jetzt erst recht!‹« Er unterstrich, dass es auch 66 Jahre nach der Staatsgründung mehr denn je gilt, dies zu feiern. »Israel steht oft alleine in der Welt da, umso mehr ist es auf jeden Juden in der Welt angewiesen.«
Für das festliche Abendessen war insbesondere Elisabeta Weiss verantwortlich. Die mittlerweile 64 Jahre alte Leiterin des Restaurants der Synagogen-Gemeinde Köln hat dieses Fest in den vergangenen 36 Jahren stets mit vorbereitet. »Ich liebe meine Arbeit in dieser Gemeinde, die immer größer und größer geworden ist. Und extra für heute gibt es israelische Spezialitäten«, sagte die Mutter von drei Töchtern, die alle in Israel leben. Mit einem Konzert des Pianisten Oren Klein wurde der Abend beschlossen. Das Fazit der Schülerin Judith Steinhauer lautet: »Auch wenn ich keine Angehörigen in Israel hätte: Diese Menschen verdienen es, dass sie nicht in Vergessenheit geraten.«
Mitarbeit: Rivka Kibel