Rendsburg

Mikwe, Malen, Multimedia

»Die Kacheln sind nicht original«, sagt Christian Walda, Leiter des Jüdischen Museums Rendsburg an der Prinzessinstraße 7. Die Mikwe im Keller ist trotz dieser Zweifel ein Solitär in dem Gebäude der ehemaligen Synagoge.

Eine jüdische Gemeinde gibt es in der Stadt mit ihren knapp 27.500 Einwohnern heute nicht mehr. Einst war die Synagoge ein prächtiger Bau. Auch sie wurde 1938 in der Pogromnacht geschändet. Ein Jahr später musste die Jüdische Gemeinde ihr Zentrum mit der Talmud-Tora-Schule an das NS-Regime abgeben. 1933 lebten noch 30 Jüdinnen und Juden in Rendsburg, 1942 meldeten die Nazis, auch Rendsburg sei »judenfrei«.

Vom Zuzug der Kontingentflüchtlinge nach der Wende der 90er-Jahre konnte Rendsburg nicht profitieren, und so wurde die ehemalige Synagoge mit der Talmud-Tora-Schule ein Museum. »Und das haben wir jetzt völlig umgestaltet«, sagt Walda.

Dem Leiter des Jüdischen Museums ging es bei der Neugestaltung um eine gezielte, didaktisch sich sofort erschließende Information über das Judentum, vor allem im Alltag. »Dazu haben wir die neuen Medien genutzt«, sagt Walda. Die Besucher finden an jeder Station Tablets, mit deren Hilfe sie sich informieren können.

Kinder Für Kinder gibt es einen Button mit einer Kinderfigur, der darauf hinweist, dass Schubladen geöffnet werden können, um beispielsweise Malutensilien zu finden und damit auf Entdeckungsreise zu gehen, um rituelle Gegenstände wie Kinder-Kippot, Rasseln zu Purim, Würfel zu Chanukka zu finden und so spielerisch den jüdischen Glauben zu entdecken.

Walda und Museumspädagogin Silke Ettling haben das neue Museumskonzept gemeinsam mit dem Berliner Gestalterbüro gewerkdesign umgesetzt. »Unsere Fragestellung war: Wie machen wir einerseits die Bedeutung des Baudenkmals, der ehemaligen Synagoge von 1845 mit ihren Funktionsräumen, klar, und wie bringen wir unseren Besuchern gleichzeitig die jüdische Religion näher?«, umreißt Walda den immens aufwendigen Prozess.

Fassade Beide Aspekte werden bereits an der Fassade des Museums aufgefangen. Wer genau hinguckt, entdeckt im Innenhof auf der Außenwand Schriftzüge, die im zweiten Stockwerk mit »Frauenempore« beginnen, über »Versammlungszimmer«, »Talmud-Tora-Schule« und »Betsaal« führen und am Sockel mit »Mikwe« enden.

Diese Bezugspunkte werden in den Innenräumen konsequent fortgesetzt und machen historisch authentische Orte wie beispielsweise die Frauenempore erlebbar, weisen aber gleichzeitig auf den historischen Kontext und auf Feste und Alltag des Judentums hin.

Viel Wert legt Walda auf die Tora, auf der alles basiert, auch das Christentum und der Islam, und auf die jüdische Identität, vor allem in ihren Fragestellungen. So bietet das Rendsburger Museum den Besuchern an jeder dieser Erfahrungsstationen Bücher zum Stöbern und Nachlesen an, darunter beispielsweise die Mischna und die hebräische Bibel.

fischräucherei Die Synagoge wurde in der Pogromnacht 1938 nur erhalten, weil sie direkt in einem Ensemble von Wohnhäusern stand. Eine Dokumentation im Erdgeschoss, zwischen Frauenempore, Versammlungszimmer und den Ausstellungsräumen der ehemaligen Talmud-Tora-Schule, beschreibt den Weg eindrucksvoll: erst Synagoge, ab 1939 dann 40 Jahre lang Fischräucherei, 1985 Kulturzentrum und 1988 endlich Museum.

Bis 2018 soll das gesamte Museum nach dem neuesten wissenschaftlichen Stand eingerichtet sein. Bis jetzt wurden für eine Fläche von 100 Quadratmetern 240.000 Euro in die Renovierung der ehemaligen Synagoge und 200.000 Euro in die Inhalte und die Gestaltung der Dauerausstellung investiert. In den nächsten vier Jahren wird die Dauerausstellung »Geschichte und Kunst des jüdischen Lebens in Norddeutschland« erneuert.

Gemälde
Vor allem soll auch der Reichtum an Gemälden von Max Liebermann, Felix Nussbaum, Ludwig Meidner, Rudolf Levy bis Anita Rée präsentiert werden. »Wir haben große Schätze im Magazin, allein von Max Liebermann«, sagt Walda.

Ein Schatz ist auch die aktuelle Sonderausstellung »Gebauter Glaube – Synagogenarchitektur durch die Jahrhunderte«, die bis 14. September gezeigt wird. Die Wanderausstellung, die nach Untersuchungen von Bet Tfila, der Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa an der Technischen Universität Braunschweig, entstand, startete in Berlin und wandert über Rendsburg nach Halle.

Historische Synagogen von Amsterdam über Breslau, Berlin, Essen, München, Trier bis Warschau sind in exakten, wundervollen Holzminiaturen dokumentiert und zeigen die ganze Pracht der Sakralbauten und das Selbstbewusstsein des Judentums im 19. Jahrhundert. Die Schau mit 16 Modellen, die im ehemaligen Betsaal der alten Synagoge gezeigt wird, ist chronologisch vom Ende des 17. bis ins 20. Jahrhundert gegliedert.

Die Dokumentation »Synagogenarchitektur in Deutschland« von Aliza Cohen-Mushlin und Harmen H. Thies, Band 5 der Schriftenreihe der Bet Tfila, aus dem Michael Imhof Verlag, 19,95 Euro, ist sowohl im Jüdischen Museum Rendsburg als auch im Buchhandel erhältlich.

Öffnungszeiten und Begleitveranstaltungen sind im Internet unter www.jmrd.de nachzulesen.

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025

Porträt der Woche

Eigene Choreografie

Galyna Kapitanova ist IT-Expertin, Madricha und leitet eine Tanzgruppe

von Alicia Rust  14.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Kaiserslautern

»Jetzt beginnt etwas Neues«

Mehr als fünf Jahre hat sich die Sanierung des Gemeindehauses der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz in Kaiserslautern hingezogen. Am Sonntag wurde das Zentrum mit der neu gestalteten Synagoge seiner Bestimmung übergeben

von Joachim Schwitalla  11.04.2025 Aktualisiert

Feiertage

Pessach ist das jüdische Fest der Freiheit - und der Frauen

Die Rolle und Verdienste von Frauen würdigen - dafür ist Pessach eine gute Gelegenheit, sagen Rabbinerinnen. Warum sie das meinen und welchen Ausdruck diese Perspektive findet

von Leticia Witte  11.04.2025

Erinnerungen

Als Charlotte Knobloch ihren ersten Kaugummi aß

Als jüdisches Mädchen überlebte sie die Nazizeit in einem Versteck, bis die Amerikaner ins Dorf kamen. Für Charlotte Knobloch ist das Kriegsende mit süßen und dramatischen Erinnerungen verbunden

 11.04.2025