Herr Marx, Sie haben sich entschlossen, nicht erneut für den Gemeindevorsitz in Duisburg zu kandidieren. Warum?
Es geht einfach darum, dass ich nach 40 Jahren Tätigkeit im Gemeinderat und 38 als Vorsitzender irgendwann aufhören möchte. Ich habe das erreicht, was ich wollte. Jetzt soll ein anderer neue Ideen bringen.
Gehört zu diesen Zielen auch der Kindergarten?
Ich habe eine neue Gemeinde gegründet, vor zehn Jahren einen neuen Bau eingeweiht, eine neue Verwaltung aufgebaut, einen neuen Rabbiner eingestellt und jetzt zum Schluss auch noch den schönen Kindergarten eröffnet.
Kann man sagen, Sie haben sich Ihre Lebenswünsche erfüllen können?
Was die Gemeinde betrifft, ja. Ich habe etwas geschafft, von dem ich anfangs nie im Leben glaubte, dass es möglich sei.
Sie haben das Haus bestellt. Wird es jetzt einen Generationswechsel geben?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt 17 Kandidaten, die sich zur Wahl für neun Vorstandssitze stellen, darunter sind auch einige meiner Mitstreiter, die weitermachen wollen. Es wird acht neue Kandidaten geben, von ihnen sind die Hälfte Zuwanderer.
Haben Sie sich in den vergangenen Jahren einen Nachfolger ausgeguckt?
Ich habe vor vier Jahren, bei der letzten Wahl schon gesagt, ich höre auf. Da ich aber niemanden sah, der wirklich mit neuen Ideen kam, habe ich mich damals noch einmal breitschlagen lassen, ein letztes Mal zu kandidieren. Und das Bild hat sich in der Zwischenzeit nicht verändert.
Ist das Rennen dann vollkommen offen?
Meiner Ansicht nach ja. Ich sehe so in etwa drei Kandidaten, die für den Gemeindevorsitz in Frage kommen.
Ist unter ihnen ein Zuwanderer?
Unter denen nicht. Aber es kann ja auch ganz anders ausgehen.
Was wünschen Sie ihrem Nachfolger?
Ich wünsche ihm, dass er eine genauso glückliche Hand hat, wie ich sie hatte. Und dass er für unsere Großgemeinde vor allem eine ausgleichende Hand hat. Es muss weiterhin eine demokratisch geführte Partei die Geschicke der Gemeinde bestimmen. Das ist ganz wichtig. Einige Zuwanderer verstehen nicht, dass die Gemeinde auch nach außen wirken muss. Es gibt Kandidaten, die sich zur Wahl stellen, die kaum einen deutschen Satz formulieren können. Das ist nicht im Sinne einer Gemeinde, der die Öffentlichkeit sehr viel bedeutet.
Und die sich dort auch zeigen muss?
Ja. Wir sind sehr abhängig von der öffentlichen Meinung. Ich habe heute Morgen im Auftrag des Gemeinderates den Vertrag zum Kauf des Geländes und des Kindergartens unterschrieben. Dabei konnte ich auch den Preis noch einmal runterhandeln. Das sind alles Dinge, die nur dann gelingen, wenn man in der Öffentlichkeit unverkrampft und ehrlich reden kann.
Was muss der neue Vorsitzende leisten?
Er muss mit der nichtjüdischen Öffentlichkeit kommunizieren können. Dabei geht es nicht nur allein um das Religiöse, sondern auch um das Politische. Wir müssen Juden sein, wir müssen uns aber auch ganz klar politisch ausdrücken und nicht nur Kritik üben. Es ist auch wichtig, dass wir positiv eingestellt sind. Mein Nachfolger wird es schwer haben, ich wünsche ihm viel Glück und Erfolg.
Mit dem scheidenden Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen sprach Heide Sobotka.