Am vergangenen Dienstag hatte die jüdische Fraueninitiative Bet Debora nach Berlin-Mitte zu einer Diskussionsrunde vor der Bundestagswahl eingeladen.
Fünf politisch engagierte Frauen sprachen miteinander über gesellschaftlich relevante Themen aus weiblicher Perspektive, darunter Nikoline Hansen, FDP-Mitglied und erste stellvertretende Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, Lala Süsskind, ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Mitinitiatorin des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, Petra Somberg-Romanski, SPD-Mitglied und Vorsitzende des bundesweiten Zusammenschlusses »Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten«, Debora Antmann, Bloggerin und Kolumnistin, sowie die LGBT-Aktivistin Halina Bendkowski, die sich seit vielen Jahrzehnten für die Gleichheit von Lesben und Schwulen einsetzt.
gesellschaft Gemeinsam fragten sie, wo Juden heute in der deutschen Gesellschaft stehen, wo sie aktiv werden sollten, und welche Ziele und Aufgaben sie sich für die nahe Zukunft stellen. Dass die Themen aus rein weiblicher Sicht diskutiert wurden, sei ursprünglich nicht geplant gewesen, sagte Esther Hirsch, die durch den Abend führte. Doch aufgrund einer kurzfristigen Absage von Sergey Lagodinsky vom Bündnis 90/Die Grünen ergab sich diese Perspektive dann von selbst. Auch im Publikum hatten sich vorwiegend Frauen versammelt.
Die Diskussion ging lebhaft vonstatten. Gleich zu Beginn machte die Moderatorin deutlich, dass es sich trotz der anwesenden Lokalpolitikerinnen nicht um eine Wahlveranstaltung handle, weshalb auch keine Wahlempfehlungen zu erwarten seien. Einige Zuhörer waren davon etwas enttäuscht. Lala Süsskind gab allerdings jedem Besucher mit auf den Weg: Das Wichtigste sei, seine Stimme am 24. September tatsächlich abzugeben.
Wie antisemitisch die Gesellschaft heute sei und was aus politischer Sicht dagegen unternommen werde, wollte Esther Hirsch zu Beginn des Gesprächs wissen. Antisemitismus sei noch immer latent vorhanden, sagte Lala Süsskind, »er wird leider nicht weniger«. Seit der Gründung des Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, das die Entwicklungen genau beobachte, habe sich an der Situation nichts geändert. In allen Parteien sei er vorhanden, »bei rechts und links ebenso wie bei CDU und SPD«.
Petra Somberg-Romanski wünschte sich, dass Juden offener mit ihrem Judentum umgehen. Auch in der SPD beobachte sie, dass nicht jeder dazu öffentlich Stellung nehmen wolle. Der bundesweite Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten sei deshalb nicht in allen Ländern gleichmäßig aktiv. Lediglich in Berlin, Frankfurt am Main und Stuttgart hätten sich Juden aus der SPD zusammengeschlossen.
aufklärung Auf der Agenda des Arbeitskreises stehe nicht nur die Bekämpfung von Antisemitismus, sondern jede Form von Intolleranz. »Und das geht nur mit Aufklärung«, stellte Petra Somberg-Romanski fest. »Wir arbeiten dafür auch viel mit unserem Arbeitskreis muslimischer Sozialdemokraten zusammen.«
Dass auch Nichtjuden den Kampf gegen Antisemitismus mitgestalten sollten, bekräftigte Lala Süsskind. In ihrem Forum dürfe sich jeder engagieren, egal ob Muslim, Jude, Christ oder Atheist. »Antisemitismus betrifft ja die ganze Gesellschaft.«
Debora Antmann, die unter anderem als Frauenbeauftragte an der Alice Salomon Hochschule in Berlin arbeitet, berichtete, dass ihr Büro oftmals auch von jüdischen Studierenden aufgesucht werde, die sich bei ihr über diskriminierende Äußerungen im Hochschulbetrieb beschweren würden. Sie plädierte dafür, an Hochschulen ein Antidiskriminierungsmanagement einzuführen. »Das ist keine neue Idee.« Doch es fehle bisher ein bundesweiter Anschub.
israelbild Ob es konkrete Handlungsideen gebe, wollte Esther Hirsch von den Gästen zum Abschluss wissen. LGBT-Aktivistin Halina Bendkowski forderte, antisemitische Äußerungen stets öffentlich zu kritisieren, und FDP-Mitglied Nikoline Hansen kritisierte die Darstellung Israels in deutschen Schulbüchern. Diese würden häufig den Nahostkonflikt in den Fokus rücken. Damit entstehe ein »schiefes Israel-Bild«.
Darüber hinaus beobachte sie die vermehrte Gleichsetzung von Israel und Juden. Die anderen Podiumsdiskusionteilnehmer stimmten ihr zu. Alle Frauen waren sich außerdem darin einig: Das Engagement gegen Antisemitismus dürfe nicht nachlassen.