»Antisemitismus ist nur im Kopf des Antisemiten und hat nichts mit Juden zu tun«, leitet Moderator Jörg Rensmann (Mideast Freedom Forum Berlin) die Podiumsdiskussion im Gemeindehaus Fasanenstraße ein. Das Thema »Antisemitismus bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund – Was können Schule und Gesellschaft dagegen tun?« hat viele Interessierte angelockt.
Rensmann unterstrich, dass Antisemitismus ein Problem der gesamten Gesellschaft und nicht nur Jugendlicher mit Migrationshintergrund ist. Dies wisse man spätestens seit dem ersten Antisemitismusbericht des Bundestages. Tatsache sei, dass sich vermehrt aggressive Übergriffe aus dieser Bevölkerungsschicht zutragen.
Laut Rabbiner Daniel Alter (Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin) wirke gelebter Antisemitismus für viele dieser Jugendlichen als ein identitätsstiftendes Element. Ahmad Mansour, der sich selbst als palästinensischen Israeli definiert und in vielen Projekten gegen Extremismus und Radikalisierung unter muslimischen Jugendlichen engagiert ist, zeigte dem Publikum anhand eines Anti-Israel-Videos die Macht, die das Internet auf diese Jugendlichen habe.
Drei Arten Mansour, durch seinen persönlichen Hintergrund bestens mit dieser Kultur vertraut, unterschied zwischen drei verschiedenen Arten von Antisemitismus: dem islamisch-motivierten Antisemitismus, der hauptsächlich von den Moscheen und dem Internet aus betrieben wird; des Weiteren dem antizionistisch motivierten Antisemitismus, der in breiten Teilen der arabischen Welt dominant ist; und drittens dem verschwörungstheoretischen Antisemitismus, der vor allem unter türkischstämmigen Menschen zu beobachten ist. Diese Vorurteile würden unreflektiert an die Kinder weitergegeben.
Mark Rackles, Staatssekretär für Bildung, betonte, dass es in einer Demokratie dafür keinen Platz geben dürfe. Aber die Hoffnung bestehe, dass man derart vorbelastete Kinder in den Schulen gezielter erreichen und zum Andersdenken animieren könne. Etwa durch ein geschultes Lehrpersonal sowie Projekte und Workshops. Man versuche deshalb, Lehrpersonal mit Migrantionshintergrund einzustellen, um so mit besserem Kulturverständnis auf diese jungen Leuten eingehen zu können.
Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, meinte, dass generell mehr getan werden müsse, um solchen Tendenzen besser entgegenwirken zu können. Das Ziel wäre, eine heterogenere Gesellschaft zu schaffen. Tören forderte Null-Toleranz gegenüber Antisemitismus, er müsse konsequent bestraft werden.
Selbstkritik Für Mansour ist einer der Hauptgründe von Antisemitismus unter jungen Muslimen darauf zurückzuführen, dass sie in ihrer Gesellschaft nicht gelernt haben, ihre eigene Meinung zu äußern oder sich gar selbstkritisch zu hinterfragen. Respekt gegenüber ihren Vätern und Onkeln gelte vielen muslimischen Jugendliche als das oberste Gebot, kritisches Denken werde nicht zugelassen, ergänzte Tören.
Staatssekretär Rackles unterstrich die Bemühungen, im Unterricht gezielt demokratische Werte und ein wahrheitsgerechtes Bild von Israel zu vermitteln. Idealerweise versuche man schon in der Grundschule, den Rassismusanfängen entgegenzuwirken. Rabbiner Alter wünschte sich eine bessere finanzielle Unterstützung für die gemeinnützigen Einrichtungen, die sich gezielt diesen Themen widmen.
Wie wichtig die Diskussion ist, zeigten die Publikumsreaktionen. So betonte ein arabischstämmiger Mann, wie toll die Hisbollah sei, woraufhin Tören und Alter unter lautem Beifall deren Verbot in Deutschland forderten. Ein älterer deutscher Herr meinte, dass Israel-Kritik endlich zugelassen werden müsse. »Kennen Sie auch eine ›Kanada-Kritik‹?«, konterte Tören.