Das Lamm kommt erst Mitte der Woche, die Mazze ist schon längst da, der Kühlschrank muss noch vorbereitet werden – Tamara, die bei »Lampari« arbeitet, hat noch so einiges zu tun, bis Pessach beginnt. Aber jetzt muss die 59-Jährige erst einmal die Einkäufe der Kundin aus dem Regal auf den Tresen stellen. Mazze möchte sie, ein Kilo oder lieber gleich zweieinhalb? Die Dame überlegt kurz: ein Kilo. Aber Wein braucht sie noch; ob der »koscher le Pessach« ist? Ja, da oben, Tamara greift ins Regal.
Die Bestellungen, die im Familienunternehmen Lampari nun so kurz vor den Feiertagen gekauft werden, hat ihr Sohn bereits im Dezember geordert. Deswegen haben die Kundinnen und Kunden in dem Charlottenburger Geschäft nun auch eine große Auswahl an Ungesäuertem.
Suppennudeln, Puddingpulver – seit Monaten bereiten sich Läden auf Pessach vor.
Cerealien mit Vanillegeschmack, Schokoladentafeln aus Jerusalem, Mazze mit Schokolade überzogen, Puddingpulver mit Schokolade, Vollkornmazzen, Mazzen mit Zwiebeln und Eiern und – das ist neu – dreifarbige Spirelli, alles koscher für Pessach versteht sich. Einige Container sind noch unterwegs nach Berlin, aber die kommen pünktlich an, sagt Tamara, die nach langen Jahren in der Modebranche seit etwa vier Jahren bei Lampari arbeitet.
Offene Lieferungen
Trotz einiger offener Lieferungen freut sie sich auf die Feiertage. »Ach, Pessach, wissen Sie, das ist eine ganz besondere Atmosphäre«, schwärmt sie. Die ganze Familie komme zusammen, es ist immer sehr feierlich. Vergessen ist dann bei allen der Stress des Bestellens, des Einkaufens – vergessen sind auch die Kosten, die selbst vor dem Pessacheinkauf nicht haltmachen.
Ein halbes Kilo Ei-Mazze für sieben Euro oder 7,50 Euro, Schmura Mazze ist teurer, selbst online kosten 450 Gramm Mazze fast sechs Euro. Fleisch und Käse sind noch einmal ein ganz anderes Preissegment. Hinzu kommen Croûtons, frisches Gemüse, Wein. Keine Frage: Pessach geht ins Geld.
Vier große Plastiktragetaschen hat die Kundin im »Kosher Daily Markt« bis oben hineingepackt: Mazzot, süßer Aufstrich, Fleisch, Cracker – fast der gesamte Einkauf zu Pessach für weit über 250 Euro. Nur noch ein Produkt fehle ihr, dann habe sie alles. Eine andere Kundin hat drei Packungen Kneidl-Mix gekauft, aber sie steht noch so ziemlich am Anfang der Besorgungen.
Andrey vom Kosher Daily Markt hat unterdessen gut zu tun an der Kasse, denn die Schlange ist lang in seinem kleinen Laden. Sorgsam, aber zügig scannt er alle Einkäufe ein. Bei Doppelt- oder Dreifachkäufen piepst es mehrere Male kurz hintereinander.
Zwischendurch ein kurzes Gespräch auf Russisch, Hebräisch
Es geht schnell. Zwischendurch ein kurzes Gespräch auf Russisch, Hebräisch – alles gefunden? Vor sechs Monaten hat der Besitzer des Kosher Daily Marktes die Bestellungen aufgegeben. Das Regal mit koscheren Lebensmitteln für Pessach ist gefüllt. Sollte sich ein Produkt schneller verkaufen, kann direkt nachgefüllt werden.
Am Ende eines Regals, in der Nähe der Kasse und wieder daneben stapeln sich die Mazzepackungen – in Dunkelblau, Hellblau, große orange Packungen aus den Niederlanden versprechen »Niks is zo lekker!«. Kartons mit Bamba stehen an der anderen Ecke – für alle, die Kitniot essen dürfen, sind die glutenfreien Snacks gedacht, so steht es auf der Verpackung. Ende der Woche kommt die Schmura Mazze. 2020 eröffnete der Kosher Daily Markt in der Nähe des Adenauerplatzes. Angeschlossen an den kleinen Supermarkt ist ein Café, in dem am frühen Montagmittag viele Menschen über Kaffee und Gebäck sitzen, bei manchen stehen bereits kleine Tüten mit Mazze am Tisch.
300 Gramm Ei-Mazze für sieben Euro, online ist es noch teurer.
Auch neun Kilometer weiter nordöstlich stehen Mazzepackungen auf dem Tisch. Eine Kundin nimmt sie von der Kasse und legt sie nacheinander in ihren Einkaufskorb, während Jonathan Dashevsky von »Kosher Life« in Richtung der Kühlregale geht. Was essen Sie denn gern zu Pessach zum Frühstück? Er überlegt: vielleicht Käse, Frischkäse, alles hier. Und er zeigt auf die vielen Sorten.
»Pessach, das ist ein Geburtstag für das jüdische Volk«, sagt Dashevsky. Über etwaige gestiegene Preise will er eigentlich nicht reden. Zu Rosch Haschana gebe es einen Eintrag für das bevorstehende Jahr, und darin seien Dinge wie zum Beispiel Preise mit eingefasst.
Im Mittelpunkt stehe das Fest, das er mit seiner Familie feiert. Bis es so weit ist, werden sicherlich noch viele Mazzepackungen über den Scanner im Kosher Life gezogen werden. Die Nachfrage ist so groß, dass der Laden wohl auch am Sonntag geöffnet haben wird.
Und wenn dann Wein, Saft, Mazze, Aufstriche, Obst, Gemüse, Käse in der großen Einkaufstasche verstaut sind, wenn der Bon in der Tasche landet und der Korb weggeschoben wird, dann wünschen die Verkäufer den Kunden einfach nur noch eines, nämlich »Chag Sameach!«.