Pessach findet nun schon zum zweiten Mal unter Corona-Bedingungen statt. Musste im vergangenen Jahr in den Gemeinden angesichts der damals neuen und unbekannten Situation noch viel improvisiert werden, hat sich nun schon eine gewisse Routine eingestellt. Das Hauptziel ist es, einerseits vor allem bedürftigen Menschen zu Hause Pessachfeiern zu ermöglichen und andererseits dafür zu sorgen, dass lange Warteschlangen und Ansammlungen von Menschenmassen vermieden werden.
»Wir als Gemeinde wollen zeigen: Wir sind da, auch wenn wir uns wegen Corona nicht sehen können«, umschreibt David Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Hamburg, das Pessach-Angebot. Gerade im Moment sei man dabei, den Inhalt der Pessachpakete zusammenzustellen, »einen Seder wird es nach dem augenblicklichen Stand der Dinge ja leider nicht geben können«.
MENÜANGEBOT Für die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf gibt es in diesem Jahr ein ganz besonderes Angebot: Pessach@Home. Für 20 Euro pro Person kann ein koscheres Seder-Menü – inklusive einer Flasche Wein – vorbestellt werden, das zu Hause nur noch aufgewärmt werden muss. Kreiert hat es der Chefkoch der Gemeinde, Vladimir Alexeev. Es umfasst Gefilte Fisch mit hausgemachtem Rote-Beete-Meerrettich, Charosset mit Zimt und Rosinen, Kalbsbraten mit Rosmarinkartoffeln und mediterranem Gemüse sowie einen Cupcake mit Apfelrosinen und Zimt.
Einen Tag vor Pessach können die Bestellungen dann im Gemeindezentrum abgeholt werden, natürlich gelten dabei die Corona-Schutzvorschriften. »Der Hintergrund war, dass es vor Corona natürlich immer Gemeindeseder gab, an denen man für eine geringe Gebühr teilnehmen konnte, da lag die Überlegung, ob und wie man ein ausgetüfteltes Menü in die Haushalte bekommen könnte, natürlich nahe«, erklärt Zeev Reichard, Referent für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Düsseldorfer Gemeinde.
Das Menü-Angebot war zum Zeitpunkt des Gesprächs mit der Jüdischen Allgemeinen gerade erst veröffentlicht worden, Reichard ist aufgrund der ersten Reaktionen aber bereits sicher, »dass es sehr gut angenommen wird, es ist ja auch etwas Besonderes«.
LEBENSMITTEL Außerdem bietet die Gemeinde »vor allem für unsere bedürftigen Mitglieder« wichtige Pessach-Lebensmittel kostenlos an. Für die Gemeinde sei es »eben wichtig, in diesen Zeiten die Älteren und Bedürftigen nicht zu vergessen, die normalerweise sehr gern an solchen Feiern teilnehmen. Lösungsansätze anzubieten, um sie zu versorgen und sie zu unterstützen, ist uns ein großes Anliegen«, betont Zeev Reichard.
Worin die Arbeit von Svetlana Moroz von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) in Stuttgart derzeit besteht, lässt sich mit zwei Worten beschreiben: Pessachpakete packen. »Wir haben bis jetzt zwischen 700 und 800 Bestellungen, fast die Hälfte davon wurde bereits ausgeliefert«, sagt sie. Und ständig gehen noch telefonisch und schriftlich weitere Aufträge ein.
In der letzten Gemeindezeitung waren Bestellformulare für die Pessachpakete abgedruckt, inklusive einem Extra: Jedes Gemeindemitglied erhält eine Gutschrift von zehn Euro. Außerdem werden die Waren kostenfrei an die Besteller geliefert.
Seder werden nur in kleinem, nach den Corona-Regeln erlaubten Rahmen lediglich in der Schule und im Altersheim stattfinden.
»Wir packen im Moment in einer Früh- und einer Spätschicht, jeweils nur zu zweit, denn wir halten uns natürlich an die Corona-Schutzverordnungen«, berichtet Sevtlana Moroz. Eigentlich ist sie unter normalen Umständen in der Gemeinde für die Event- und Kulturarbeit zuständig, »aber nun ist eben das unser Highlight im Jahr«.
Die Liste der zu Pessach angebotenen Lebensmittel sei »ziemlich lang«, sagt sie. »Allein sechs verschiedene Weine, unterschiedliche Mazzot, Gefilte Fisch − alles, was das Herz begehrt.« Früher wurden die vom Rabbinat zuvor wie immer in Israel bestellten Waren in der Gemeinde verkauft, aber »schon im vergangenen Jahr war Präsenzverkauf wegen Covid nicht mehr möglich, da mussten wir spontan Alternativen suchen«. Nun hat man schon Erfahrung, und »gut geplant haben wir ja außerdem«.
KURIERZUSTELLUNG Die fertig gepackten Pakete werden per Kurierdienst verschickt, die Zweigstellen wie Reutlingen und Tübingen beliefert der Hausmeister. Dass es mutmaßlich keine Chance auf einen Sederabend in der Gemeinde gibt, bedauert Svetlana Moroz sehr. Aber, so betont sie, »es wird zu Pessach eine kleine Extra-Ausgabe der Gemeindezeitung erscheinen, und Rabbiner und Kantor bereiten spezielle Onlineangebote vor«.
»Wir bieten schon seit Jahren Pessachpakete für Bedürftige an«, sagt Jutta Josepovici, Leiterin der Beratungsstelle der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. »Dafür werden Gutscheine ausgegeben, mit denen man sich dann Wein und anderes im Laden abholen kann. In diesem Jahr sind es schon einige mehr als sonst.«
Selbst kochen müssen Frankfurter Gemeindemitglieder aber nicht unbedingt. »Bereits letztes Jahr hatten wir ein koscheres Abhol-Menü zum Selbstkostenpreis angeboten«, erklärt Jutta Josepovici, »ursprünglich war ein Seder geplant, der jedoch wegen Corona ausfallen musste.« Nun wird, von der Gemeinde subventioniert und für Bedürftige vergünstigt, das Restaurant »Sohar’s« kulinarische Köstlichkeiten zubereiten. Gefilte Fisch, Suppe mit Mazzeknödeln, Hähnchen mit Gemüse und ein Nachtisch können dann zu Hause aufgewärmt werden.
Seder werden gleichwohl trotzdem stattfinden, allerdings in kleinem, nach den Corona-Regeln erlaubten Rahmen lediglich in der Schule und im Altersheim. »Die Rabbiner bieten außerdem online Seder zum Lernen an.«
Auch in Mönchengladbach laufen die Vorbereitungen für das zweite Pessachfest unter Corona-Bedingungen.
»Wir bieten Lebensmittelpakete an. Für unsere Schoa-Überlebenden, 138 an der Zahl, gibt es beispielsweise ein Kilo Mazze«, sagt die Gemeindevorsitzende Leah Floh. Außerdem wurde das Angebot der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) genutzt.
Und der Zentralrat der Juden bietet für junge Gemeindemitglieder Pessachpakete an, darin enthalten: Mazze, Mazzemehl, Kiddusch-Wein, Salzgurken und eine Mazzeball-Mischung.
Die nichtjüdischen Gemeindemitarbeiter übernehmen den Ankauf von verbotenen Speisen.
Aber das ist noch nicht alles, auch für den Chametz-Verkauf hat die Mönchengladbacher Gemeinde eine bequeme Lösung gefunden. »Wir nehmen Anträge auf den Verkauf der an Pessach verbotenen Speisen entgegen, die dann aus dem Haus entfernt sein müssen. Das geht ganz einfach, man schreibt auf, was genau man für welche Summe einem Nichtjuden übergeben möchte, und schon ist alles geregelt.« Umständlich gesucht werden müssten die Käufer des Gesäuerten nicht, erklärt Leah Floh: »Bei uns in der Gemeinde arbeiten auch Nichtjuden.«
Klappt also alles, aber ein besonderer Grund zur Freude sind für Leah Floh die anstehenden Impfungen speziell der Schoa-Überlebenden in der Gemeinde. »Ich habe einfach allen geschrieben: Bundeskanzlerin Merkel, dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, unserem Ministerpräsidenten Armin Laschet, der Kassenärztlichen Vereinigung und anderen und darauf hingewiesen, dass diese alten Menschen ganz dringend geimpft werden müssen.« Nach zehn Tagen kam bereits der erste Anruf aus dem Bundespräsidialamt: »Es war ein langes und ausführliches Gespräch.« Gemeinsam mit der für Impfungen in der Region zuständigen Amtsärztin kam man zu einer schnellen Lösung, über die sich augenscheinlich sogar das Bundeskanzleramt informieren ließ, denn es bezog sich im Gespräch mit Floh darauf.
Die Senioren und Angehörigen prioritärer Gruppen werden »vielleicht schon Ende nächster Woche« in den Räumen der Gemeinde geimpft, Bettlägerige zu Hause. Das werde eine große Erleichterung, sagt Leah Floh – und eine zuversichtlich stimmende Botschaft für Pessach.