Eine Palette Wasser, noch eine, dahinter noch eine – der Hubwagen, der die vielen mit Cellophan umwickelten Pakete durch die riesige Halle vom Eingang bis an ihren Platz zieht, surrt an schwarzen Kisten vorbei, in denen Ananas, Orangen und Bananen liegen. Gerade werden an der Seite die Obstkisten eingepackt, daneben stehen die Gemüseboxen, etwas weiter entfernt werden riesige Kisten mit runden Broten in einen anderen Teil der Halle geschoben, und irgendwo hinter dem Durchgang, durch den der Hubwagen mit dem Wasser verschwunden ist, lagern Säfte, Süßigkeiten und Lebensmittel, die gekühlt werden müssen.
Inmitten dieses wohlorganisierten Trubels stehen Nathalie Kalmanowicz, Wiebke Rasumny und Marat Schlafstein. Kurz zuvor hatten die drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats der Juden in Deutschland die Kisten mit den Berliner Bären die vier Stufen hoch in die Halle 1 des Berliner Großmarkts an der Beusselstraße getragen und vorn an dem containergroßen Büro der »Berliner Tafel« abgestellt. Gefüllt sind sie mit Spenden, die das Team des »Mitzvah Day« im Zentralrat der Juden gesammelt hat, um sie – kurz vor Pessach – einem guten Zweck zukommen zu lassen, nämlich der »Tafel«, wie der eingetragene Verein kurz genannt wird.
Sabine Werth beugt sich über die Kisten, und ein kurzer Blick der resoluten Vereinsvorsitzenden verrät: Super, passt! Auch wenn es eine vergleichbar kleine Spende ist – diese beiden Kisten und noch eine Palette mit vielen Paketen Mazze –, die nun in der großen geschäftigen Halle steht, für Sabine Werth zählt nicht die Quantität. Für die Vorsitzende der »Berliner Tafel« zählen die Menschen, die zur Tafel kommen. Die, die von Armut betroffen sind. Denn Armut betreffe Menschen jeglicher Herkunft, sagt Werth.
Die Mazzen, die an die Tafel übergeben werden, stammen aus Restbeständen
»Entgegen vielen Stereotypen sind auch Menschen aus unserer Community von Armut betroffen. Auch deswegen war es uns ein Anliegen, das Gesammelte an Sie zu übergeben und damit auf Ihre wichtige Arbeit aufmerksam zu machen und Sie zu unterstützen«, betont Marat Schlafstein.
Die Mazzen, die an die Tafel übergeben werden, sind für dieses Pessachfest nicht mehr koscher, sie sind aus Restbeständen. In die Pessach-Pakete, die der Zentralrat vor dem Fest der Freiheit an Mitglieder der Gemeinden verschickte, konnten sie deswegen nicht mehr. »Wir freuen uns, dass wir die gesammelten Lebensmittel an Sie übergeben können, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein Ihres täglichen Lebensmittelbedarfs ist«, sagt Schlafstein. Zu Pessach sei es Brauch, Chametz abzugeben, und »wir möchten mit der Übergabe des Chametz an die Berliner Tafel diesen Brauch mit der guten Tat verbinden«.
Pasta, Kekse, Kakao – alles, was nicht koscher le Pessach ist, ist gepackt.
Dass an diesem Mittag der Mitzvah Day zu ihr kommt, um eine gute Tat zu vollbringen, freut die studierte Sozialarbeiterin. Vor 32 Jahren gründete sie die »Tafel«, von der es heute 975 in ganz Deutschland gibt. Werth ist mit Herzblut dabei. Neben der Arbeit an den Ausgabestellen gibt es mittlerweile sieben Pop-up-Stellen und das Jugendprojekt »KIMBA«. »Die Arbeit der Berliner Tafel ist sehr beeindruckend. Es gibt viele Menschen, die Ideen haben, aber oftmals erlischt das Engagement dafür dann auch schnell wieder. Das ist bei Ihnen anders«, sagt Wiebke Rasumny vom Mitzvah Day.
Bei den Tafeln arbeiten einige Festangestellte, viele Ehrenamtliche oder Menschen, die sich im Zuge einer Beschäftigungsmaßnahme ganz bewusst für diesen Job entschieden haben. Vielen gebe es ein gutes Gefühl zu wissen, dass durch ihre Arbeit anderen wirklich geholfen werden könne. Plötzlich unterbricht ein Tafel-Mitarbeiter die Chefin bei ihrer Erläuterung. Er braucht einen Schlüssel: »Da kommt’n 40-Tonner.«
Kisten mit Obst, Brot und Gemüse
Sabine Werth zieht den Schlüssel aus ihrer Tasche, während sie weiter erzählt. Vom Tracking-System, das garantiert, dass alle Lebensmittel-Hilfen auch am gewünschten Ort ankommen, von den Beladestationen, die exakt angeben, wie viele Kisten mit Obst, Brot und Gemüse an der Stelle eingeladen wurden, von den vielen Spenden großer Konzerne, die die Kisten sponsern, Transporte übernehmen, und dann auch von der Zusammenarbeit mit der Stadt Berlin.
Wohin genau die beiden Kisten gehen werden, das ist für heute erst einmal klar: in den Aufbewahrungsbereich für trockene Lebensmittel. Da hinten, zeigt Werth die Richtung an. Das Mitzvah-Day-Projekt des Zentralrats und dessen grüne T-Shirts sind Sabine Werth übrigens vertraut. Sie erinnern sie an einen Novembertag vor wenigen Jahren, an dem sie selbst teilgenommen hat.
Bis November ist es zwar noch ein bisschen hin, aber Gutes tun, das ist jeden Tag wichtig. Frei nach dem Motto: A Mitzvah a day keeps the doctor away. Der vergangene Donnerstag war schon einmal ein guter Anfang.