Die Rede zum Jom Haazmaut wollte er so spät wie möglich ausarbeiten. Denn die politische Lage ändere sich täglich, sagt Yuriy Kadnykov, Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern, besorgt. Die Situation habe sich nun zugespitzt, und er fürchtet, dass auch Israel davon betroffen sein wird. Anlässlich der Staatsgründung Israels vor 70 Jahren hat die Jüdische Gemeinde Schwerin zu einer Feier eingeladen – wie die meisten jüdischen Gemeinden in Deutschland.
Die Feste sind recht unterschiedlich geplant, manche Gemeinden begehen den Tag mit einem Kiddusch oder einem Konzert, in anderen findet ein großer Festakt statt. Aus Berlin wird das Ensemble Ginzburg mit seinen Klarinetten, Trompeten, Akkordeon und Schlagzeug nach Schwerin fahren, um ein Konzert zu geben. Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind eingeladen. Die Synagoge bietet 120 Gästen Platz. Zwei Themen möchte Rabbiner Kadnykov in seiner Ansprache ebenfalls thematisieren: Er wünscht sich, dass Israel mehr Unterstützung von Deutschland erfährt, und er möchte den Boykott israelischer Produkte erwähnen.
Vorbereitung Für Doris Adler, Mitarbeiterin der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, ist nach der Feier gleich vor der Feier. Mehrere Monate habe sie an dem Programm für die Feier zum Unabhängigkeitstag Israels gearbeitet, damit alles klappt. Zum zweiten Mal gab es am Vorabend zum Jom Haazmaut einen Galaabend im Gemeindehaus und am heutigen Donnerstag ein Familienfest im Bürgerhaus, erzählt Jennifer Marställer, Direktorin des Gemeindezentrums. Die 290 Plätze des Galaabends waren bereits vor einer Woche ausverkauft.
Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hatte sein Kommen zugesagt, ebenso Bürgermeister Uwe Becker (CDU).
Sie zünden auch jeweils eine der zwölf Kerzen an, die für die zwölf Stämme Israels stehen. Zum Familienfest im Bürgerhaus rechnet Marställer mit fast 700 Besuchern. »Es ist bei uns Tradition, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene teilnehmen.« Denn neben Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Gemeinde, und den Rabbinern Avichal Apel und Julian-Chaim Soussan werden vier Jugendliche des Jugendzentrums Amichai und fünf Schüler der I.E. Lichtigfeld-Schule die zwölf Kerzen entzünden.
Veranstaltungen Das Programm ist abwechslungsreich: Luftballons mit Grußkarten werden in die Höhe steigen, die Tanzgruppen des Seniorenklubs und der Schüler werden auftreten, Schulchor und Schulorchester musizieren. Auch die Gewinner der Jewrovision treten auf. Höhepunkt wird sicherlich das LED-Show-Ballett »Light of Dance« sein. »Wir wollen einfach demonstrieren, welche Aktivitäten es in unserer Gemeinde gibt«, sagt Marställer. Ruhiger wird es hingegen im Altenzentrum Frankfurt zugehen. Dort werden die Bewohner mit einem israelischen Mittagessen verwöhnt, und am Nachmittag wird eine Volkstanzgruppe auftreten.
Auch in Aachen werden die Gemeindemitglieder in die Feier zu Ehren des jüdischen Staats als Akteure eingebunden. Wie Geschäftsführer Friedrich Thul verrät, wird neben dem Chor auch die Tanzgruppe für Unterhaltung sorgen. Bürgermeisterin Margrethe Schmeer (CDU) hat bereits zugesagt und wird eine Rede halten. Thul rechnet mit 120 Gästen, die den Gemeindesaal füllen werden.
Redner »70 Jahre sind natürlich Grund, etwas größer und länger zu feiern als in den anderen Jahren«, sagt Thul. Eine schöne Tradition sei es mittlerweile in Aachen, dass Gemeindemitglieder ebenfalls ans Rednerpult treten. In diesem Jahr wird es Marc Neugröschel sein, der lange Zeit in Israel studiert und gelebt hat.
Im vergangenen Jahr hatte diesen Part Rivka Or übernommen. »Ich habe über Israel gesprochen, über die politische Situation, über Ungerechtigkeiten, den Boykott und Antisemitismus«, sagt sie. Rivka Or ist in einem DP-Lager im hessischen Fritzlar auf die Welt gekommen und emigrierte als Baby mit ihren Eltern, Holocaust-Überlebenden, nach Israel. Wegen der Musik, sie wurde Opernsängerin, kam sie zurück nach Deutschland.
Seit Kurzem legt die Gemeinde auch Wert darauf, dass Nicht-Gemeindemitglieder eingeladen werden. »Ich finde es wichtig, dass wir uns öffnen«, sagt Rivka Or. So sind auch Freunde Israels, Mitarbeiter der Stadt, private Freunde und Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit zur Feier in Aachen eingeladen.
Kiddusch Zum ersten Mal feiert die Jüdische Gemeinde Dresden den Jom Haazmaut. Die Gemeinde lädt am 20. April zu einem Kiddusch in ihren Gemeindesaal ein, und Rabbiner Alexander Nachama wird eine Rede halten.
Auch die Jüdische Gemeinde Leipzig feiert in ihrem Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus. Am Sonntag wird Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung als Redner erwartet. Von der Botschaft des Staates Israel soll ein Grußwort verlesen werden. Darüber hinaus wird die Fotoausstellung »Persönliche Impressionen aus Israel« eröffnet. Zum musikalischen Rahmenprogramm tragen Studenten der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig bei.
Erstmals beging am vergangenen Sonntag Nürnberg den israelischen Feiertag. »Schalom«, »Frieden«, war an diesem Tag wohl das meistbenutzte Wort der Redner in der von den Nazis niemals fertiggestellten Nürnberger Kongresshalle. Wenige Tage vor dem Unabhängigkeitstag Israels beschrieben alle Redner aber auch die Kriegsgefahr, die dem jüdischen Staat von direkten und indirekten Nachbarländern weiterhin drohe.
Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly erinnerte an die deutsch-israelische Geschichte seit 1948: an die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, den ersten Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt 25 Jahre nach der Staatsgründung, den Auftritt der deutschen Regierungschefin Angela Merkel 2008 vor der Knesset. Maly zitierte aus der Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vom 8. Mai 1985, in der dieser davon sprach, dass die Deutschen wegen der Nazis »zwar kein Büßerhemd, sehr wohl aber diese Vergangenheit zu tragen« hätten. »Die deutsche Schuld muss immer wieder benannt werden«, so Maly, sonst werde man wieder anfällig für solche Entwicklungen wie damals.
Bedrohung »Die Auslöschung Israels ist das erklärte Ziel des Iran, der Hisbollah, der Hamas und etlicher islamistischer Terrorgruppen«, warnte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Und auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan profiliere sich mit »antisemitischem Gebaren«.
Sandra Simovich, die Leiterin des israelischen Generalkonsulats in München, hob Israel als das Land »jeder jüdischen Identität« hervor. Aber es sei auch der einzige multiethnische und multireligiöse Staat im Nahen Osten. Seit der Staatsgründung habe sich dort »eine Hightech-Region entwickelt, wurden Wüsten in blühende Landschaften verwandelt«. Dennoch lebe die israelische Gesellschaft in ständiger Bedrohung, die Geschichte sei Bestandteil der jüdischen DNA.
»Das Existenzrecht Israels gehört existenziell zur Bundesrepublik Deutschland«, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Wer ein Ende der Holocaust-Gedenkkultur fordere, sei »auf völlig falschem Pfad in die Zukunft«, so der bayerische Innenminister. »Solchen Tendenzen müssen wir uns klar entgegenstellen.«
Ausgrenzung Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg, sprach sich als Mitveranstalter »gegen Ausgrenzung, Hass, Homophobie und Rassismus« aus. André Freud von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Nürnberg-Mittelfranken forderte alle, die noch nicht in Israel waren, zu einem Besuch des jüdischen Staates auf: »Sehen Sie sich Israel an und wofür es steht: Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit, die Grundlage von allem.«
Die Tänze der Givatayim Dance Group vermittelte den rund 500 Gästen das multikulturelle Leben in Israel. Die Musik dazu lieferten die Nürnberger Symphoniker: Eingeleitet worden war der Festakt im Konzertsaal von einer Kombination aus dem Kinderchor der Israelitischen Kultusgemeinde und dem Jungen Chor der Musikschule Nürnberg, die – begleitet von den Symphonikern – die Hymnen Israels und Deutschlands spielten.
Die Freiburger Gemeinde gratuliert Israel ebenfalls am kommenden Sonntag zur Unabhängigkeit. Katja Tsafrir, Delegierte des Jüdischen Nationalfonds (JNF-KKL) München, wird sprechen. In Heidelberg treffen sich Gemeindemitglieder und Freunde bereits am heutigen Donnerstag um 18.30 Uhr, um die Staatsgründung zu feiern. Auf dem Programm stehen nationale Lieder und Tänze sowie Spezialitäten der israelischen Küche. Ein DJ wird später für gute Stimmung sorgen. Freiburg erwartet rund 100 Gäste zu seiner Jom-Haazmaut-Feier.
Kulturprogramm Eine der ersten Gemeinden, die Israels Unabhängigkeit begangen haben, ist Weiden. Leonid Shaulov, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, betonte dabei, wie stolz man auf Israel sein könne. Israel und die Liturgie standen im Mittelpunkt der Feier, denn die Gemeinde hatte die Rabbiner Zsolt Balla und Daniel Fabian eingeladen, die in diesem Jahr auch wieder Termine im Kulturprogramm des Zentralrats wahrnehmen. Balla und Fabian kennen sich nicht nur in der Liturgie aus, sondern haben auch hervorragende Stimmen und begleiten sich selbst auf der Gitarre. Die Weidener Gemeindemitglieder können sogar mehrmals die Unabhängigkeit Israels feiern, denn für den 24. April und Mitte Mai sind weitere Veranstaltungen geplant.
Als Vertreter der Landeshauptstadt Düsseldorf haben Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke und Stadtdirektor Burkhard Hintzsche ihr Kommen zur »Happy Birthday«-Party in der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf im Nelly-Sachs-Haus zugesagt. Von der Jüdischen Gemeinde wird der Vorstandsvorsitzende Oded Horowitz vom Leiter des Seniorenheims, Bert Römgens, begrüßt, der auch Oberrabbiner Raphael Evers willkommen heißt. Bei der Darmstädter Gemeinde sind zu Jom Haazmaut Oberbürgermeister Jochen Partsch, die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann und ein hoher Gesandter der Israelischen Botschaft zu Besuch.
spezialitäten Am Vorabend wurde bereits in Köln und Stuttgart kräftig gefeiert. Die Synagogen-Gemeinde lud nach dem Gottesdienst zur Jom-Haazmaut-Feier in den Gemeindesaal Roonstraße ein. Dabei durften Spezialitäten wie Falafel mit Pita, Hummus und Salat für einen symbolischen Eintrittspreis von 2,50 Euro und Musik, vom DJ aufgelegt, nicht fehlen. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) bewirtete im Kursaal Bad Cannstatt die Gäste mit Spezialitäten aus dem Restaurant Te’amim.
»Wir werden in unserem Kulturprogramm noch viele weitere Veranstaltungen zu 70 Jahren Israel haben«, verspricht Majid Khoshlessan, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Mannheim. Auch dort fand der Auftakt bereits am gestrigen Mittwoch mit einer großen Party statt.
Die Jüdische Gemeinde zu Berlin verzichtet auf eine eigene Veranstaltung und verweist auf den Israel-Tag im Mai sowie die Veranstaltungen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die ein umfangreiches Programm auf die Beine stellen will.